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Steuern & Recht
19. Juni 2023
Besteht trotz Notbremsung ein Anspruch auf gutes Fahrgefühl?
man stepping on car brake To slow down, stop the car both normal and abruptly, transfer the weight to press the front wheels to grip the road and turn more stable

Besteht trotz Notbremsung ein Anspruch auf gutes Fahrgefühl?

Eine Gefahrbremsung soll einen Unfall verhindern oder die Schwere eines Unfalls verringern. Ein Pkw-Besitzer klagte vor Gericht zudem auf ein möglichst angenehmes Fahrgefühl während einer Gefahrbremsung. Haben ihm die Richter recht gegeben?

Eine Gefahrbremsung ist bekannterweise eine plötzliche und starke Bremsung eines Fahrzeugs. Auslöser sind unmittelbar drohende Gefahren oder eine potenzielle Kollision. Sie dient dazu, das Fahrzeug so schnell wie möglich zum Stehen zu bringen, um einen Unfall zu verhindern oder die Schwere eines Unfalls zu verringern. Dass das Auto in einer solchen Gefahrensituation in der Regel nicht besonders geschmeidig zum Stehen kommt, sollte eigentlich zu erwarten sein.

Doch bei einem Pkw-Käufer aus dem Bundesland Rheinland-Pfalz traf diese Erwartung nicht zu. Weil er bei einer Gefahrbremsung kein angenehmes Fahrgefühl empfand, klagte er auf Auflösung des Kaufvertrages und Rückgabe des Fahrzeugs.

Fahrzeug übersteuert laut Besitzer bei abrupten Bremsmanövern

Im konkreten Sachverhalt wollte der angesprochene Pkw-Käufer das kurz zuvor erworbene, fabrikneue Auto wieder zurückgeben und sich vom Kaufvertrag lösen, weil er bei abrupten Bremsvorgängen ein unsicheres Fahrgefühl beanstandete. Er hatte nämlich bei zwei verkehrsbedingt zuvor durchgeführten abrupten Bremsmanövern den Eindruck gewonnen, dass das Fahrzeug in diesen Situationen übersteuere, das heißt kaum zu stabilisieren sei und zudem stark nach rechts ziehe. Das Autohaus hatte den Pkw auf die Beanstandung des Käufers hin mehrfach überprüft. Das Problem aber wurde aus Sicht des Käufers nicht behoben. Daraufhin reichte der Pkw-Fahrer Klage ein.

Berufung war erfolglos

Das Landgericht Kaiserslautern hat seine Klage jedoch abgewiesen. Allerdings war der Pkw-Fahrer derart von einem Sachmangel beim neu erworbenen Pkw überzeugt, dass er vor das OLG in Berufung zog. Doch auch dieses Mal blieb der Käufer erfolglos. Die Richter am OLG haben nämlich einen Fehler am Fahrzeug, der eine Auflösung des Kaufvertrages rechtfertigen könnte, nicht erkannt. Zur Begründung führten sie an, dass bei der Beurteilung, ob ein Fehler vorliege, es – sofern die Parteien nichts anderes vereinbart hätten – auf die objektive Ansicht eines Durchschnittskäufers ankomme. Auf die bloß innerlich gebliebene Erwartung des Käufers, dass das beschriebene Übersteuern nicht eintreten dürfe, komme es dagegen nicht an.

Erwartungen des Durchschnittskäufers sind für Bewertung relevant

Der vom OLG befragte Sachverständige habe nämlich bestätigt, dass Sicherheitsmängel am Fahrzeug nicht feststellbar seien und die eingebauten Sicherheitsmechanismen zuverlässig reagierten. Das Fahrzeug kompensiere aufgrund der verbauten elektronischen Stabilitätskontrolle (ESC) das vom Käufer als unangenehm empfundene Übersteuern und verhalte sich jederzeit kursstabil sowie spurneutral.

Das beschriebene Phänomen des Übersteuerns trete bei dem Fahrzeug auch lediglich ausnahmsweise in der Situation der sehr seltenen Gefahrenbremsung auf. Und eine solche Situation sei für jeden Fahrer stets außergewöhnlich und gehe mit einem nicht alltäglichen Fahrverhalten des Autos einher. Dass sich das Fahrzeug in dieser Ausnahmesituation stets komfortabel bzw. angenehm steuern lasse, gehöre nicht zu der Erwartung eines Durchschnittskäufers. Dies gelte erst recht, so die Richter am OLG, weil es sich nicht um ein Fahrzeug des gehobenen oder höheren Preissegments gehandelt habe. Das Urteil ist rechtskräftig. (as)

OLG Zweibrücken, Urteil vom 15.12.2022 – Az. 4 U 187/21

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