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Steuern & Recht
21. August 2023
BGH konkretisiert ewiges Widerspruchsrecht
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BGH konkretisiert ewiges Widerspruchsrecht

In der Regel kann ein Versicherter bei einem fehlerhaften Widerspruchsrecht ungeachtet der Laufzeit den Vertrag rückabwickeln. Doch in einem speziellen Einzelfall hat der BGH nun einer Versicherten dieses Widerspruchsrecht abgesprochen.

Wenn ein Versicherer beim Abschluss einer Lebensversicherung nicht oder fehlerhaft über das Widerspruchsrecht aufgeklärt hat, können Versicherte diesen Vertrag in der Regel rückabwickeln (sogenanntes ewiges Widerrufsrecht). Sobald allerdings besonders gravierende Umstände vorliegen, können Gerichte die Geltendmachung des Widerspruchsrechts für unzulässig erklären. Das haben die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) in einem kürzlich veröffentlichen Urteil entschieden.

Lebensversicherungsvertrag umfasst auch eine Sicherungsabtretung

Im konkreten Fall hatte die Klägerin im Jahr 1999 zeitgleich mit dem Versicherungsantrag alle Rechte daraus als Sicherheit für ein Baufinanzierungsdarlehen an eine Bank abgetreten. 2018 widersprach sie jedoch dem Abschluss der Lebensversicherung aufgrund einer fehlerhaften Widerspruchsbelehrung und verlangte vom Versicherer die Rückzahlung der geleisteten Beiträge, insgesamt fast 114.000 Euro. Der Versicherer lehnte das jedoch ab.

Enger zeitlicher Zusammenhang für BGH entscheidend

Und das zurecht, wie die BGH-Richter nun geurteilt haben. Zwar folge im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung regelmäßig, dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Somit wären Widerspruch und Rückabwicklung grundsätzlich möglich. Allerdings sprechen in diesem Einzelfall gravierende Umstände dagegen.

Maßgeblich für die BGH-Richter sei im vorgelegten Fall die Sicherungsabtretung einschließlich der Todesfallleistung in engem Zusammenhang mit dem Abschluss eines Darlehensvertrages gewesen. Denn die Sicherungsabtretung könne nur bei Bestehen eines wirksamen Lebensversicherungsvertrages ihren Zweck erfüllen. Daher habe der Versicherer darauf vertrauen dürfen, dass der Vertrag wirksam sei, so die Richter.

Keine Vorlage beim EuGH nötig

Zum Einwand von Treu und Glauben ist nach Auffassung des BGH auch keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union geboten. Er habe bereits entschieden und im Einzelnen begründet, dass auch im Falle einer unterstellten Unionsrechtswidrigkeit des Policenmodells zum Einwand von Treu und Glauben eine Vorlage nicht erforderlich sei, wenn dem (im Wesentlichen) ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrten Versicherungsnehmer nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Berufung auf dessen angebliche Unwirksamkeit nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt werde.

Die Anwendung auf den Einzelfall obliege dem nationalen Gericht und beeinträchtige hier die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht, begründete das BGH-Urteil abschließend. (as)

BGH, Urteil vom 19.07.2023 – Az. IV ZR 268/21

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