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Nachhaltig investieren: Der Wille ist da

Eine aktuelle von der Fondsgesellschaft Invesco beauftragte Umfrage zeigt, dass das Interesse an nachhaltigen passiven Anlageprodukten wächst. Doch es gibt immer noch Gründe, warum die Anleger doch noch ohne ESG-Faktoren investieren. Hauptsächlich wünschen sie sich mehr Informationen.

Nachhaltige passive Anlageprodukte geraten mehr in den Fokus von Privatanlegern. Das ergibt eine aktuelle Umfrage, die von Invesco in Auftrag gegeben wurde und 1.000 deutsche befragte Privatanleger umfasst. Laut der Mitteilung von Invesco halten deutsche Privatanleger eine Portofolioallokation von 35% in börsengehandelten Fonds (ETFs) mit ESG-Schwerpunkt für ideal. Die Mehrheit (54%) der deutschen Privatanleger will das Engagement in ESG-ETFs in den nächstne drie Jahren erhöhen.

Außerdem wollen 80% der Investoren, die derzeit nicht in ESG-ETFs investiert sind, ein derartiges Engagement in den nächsten drei Jahren in Betracht ziehen, so Invesco. Damit sich ESG-ETFs in Zukunft mehr durchsetzen, müssen Invesco zufolge vor allem Wissenslücken geschlossen werden.

ETFs für ESG-Anlagen

Die Umfrage zeigt, dass viele Investoren ETFs nutzen, um in ESG-Themen zu investieren. Fast drei Viertel derjenigen, die in ESG investieren, nutzen ETFs für mindestens einen Teil dieses Exposures, und bei diesen Anlegern machen ESG-ETFs mehr als ein Drittel (38%) der Gesamtportfolios aus.

Darüber hinaus ergab die Umfrage ein großes Interesse an einer Ausweitung des ESG-ETF-Engagements in den kommenden Jahren. Von den Anlegern, die bereits in ESG-ETFs investieren, erwartet die Mehrheit (54%), ihr Engagement künftig auszuweiten, während nur 6% beabsichtigen, es zu reduzieren.

Bei denjenigen, die aktuell nicht in ESG-ETFs investiert sind, gebe es laut Invesco eine „große Aufgeschlossenheit“ für diese Anlageprodukte. Denn 80% gaben an, in den nächsten drei Jahren Investitionen in ESG-ETFs in Betracht ziehen zu wollen, während nur 16% dies nicht tun wollen Das Interesse sei dabei über alle Portfoliogrößen ähnlich ausgeprägt und offenbar weitgehend unabhängig von der Investmenterfahrung.

„E“, „S“ und „G“ unterschiedlich bedeutend

Die drei ESG-Kriterien („E“ für Umwelt, „S“ für Soziales und „G“ für Governance oder gute Unternehmensführung) sind für die Anleger unterschiedlich bedeutend, meldet Invesco. 38% der Befragten gaben an, dass für sie das Kriterium Umwelt am wichtigsten sei, Governance folgt auf Platz 2 mit 23% und soziale Aspekte auf Platz 3 (17%). 32% bezeichneten dabei die Förderung erneuerbarer Energien als wichtigsten Umweltfaktor, danach folgten der Schutz der natürlichen Ressourcen und der Artenvielfalt (23%) sowie die Vermeidung von Umweltverschmutzung und Abfall (19%).

Der am häufigsten genannte soziale Faktor (30%) war die Wahrung der Menschenrechte durch die Verhinderung ausbeuterischer Arbeitspraktiken. Auf Platz 2 und 3 folgten die Bekämpfung von Armut und Ungleichheit (23%) sowie die Förderung von Vielfalt, Gleichheit und Integration (19%).

Im Governance-Bereich legten die Anleger bei den Unternehmen, in die sie investieren, am meisten Wert auf eine angemessene Vergütung und geeignete Anreize für Führungskräfte. Dies wurde von 34% der Befragten als wichtigster Faktor genannt.

Wunsch nach mehr Information

Das Interesse an nachhaltiger Anlage über ESG-ETFs ist da, jedoch wünschen sich die Anleger mehr Informationen, sowohl über die am Markt erhältlichen Produkte als auch über die positiven realwirtschaftlichen Auswirkungen von Investitionen in ESG-ETFs.

Als Hauptgrund, nicht in ESG-ETFs zu investieren, nannte knapp ein Drittel der Befragten (32%) das Gefühl, nicht genug über die verfügbaren Optionen zu wissen, um eine derartige Investition zu tätigen. An zweiter und dritter Stelle folgten die Unfähigkeit, einen den eigenen Werten entsprechenden ETF zu finden (29%) sowie die Präferenz für einen aktiven ESG-Ansatz (21%).

Auf die Frage, was die Anleger am meisten dazu bewegen würde, ihr Engagement in ESG-ETFs zu erhöhen, nannten 53% der Befragten ein besseres Verständnis dafür, ob ihre Investitionen eine positive Wirkung haben. Damit war ihnen dieser Aspekt sogar wichtiger als die Aussicht auf höhere Renditen im Vergleich zu anderen Anlageoptionen (32%). (mki)

Über die Umfrage

Die deutsche Umfrage ist Teil einer größer angelegten Invesco-Befragung von 5.500 Anlegern in siebeneuropäischen Märkten – Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Schweden und der Schweiz. Der Bericht zu dieser Befragung, der über Invesco zu beziehen ist, vergleicht die Durchsetzung von ESG und ESG-ETFs in den verschiedenen Märkten und verdeutlicht ein europaweit großes Interesse an nachhaltigen passiven Strategien.

Bild: © surasak – stock.adobe.com

 

BlackRock: ETF-Neugeschäft sinkt dritten Monat in Folge

Der Vermögensverwalter BlackRock hat seinen ETP-Marktreport für September veröffentlicht. Dieser zeigt, dass bereits der dritte Monat in Folge Rückgänge beim Neugeschäft mit ETFs und anderen börsengehandelten Produkten zu verzeichnen waren. Angestiegen sind jedoch die Zuflüsse auf Aktien-ETPs.

Börsengehandelte Indexfonds, also ETFs, nehmen bei der Geldanlage eine immer größere Rolle ein. Vor allem die jüngere Generation der Anleger betreten damit erstmals den Kapitalmarkt (AssCompact berichtete: BlackRock: Immer mehr junge Menschen investieren in ETFs). Und auch im September 2023 verzeichneten ETFs gehörige Zuflüsse, wie der monatliche ETP-Marktreport von BlackRock zeigt. Doch das Neugeschäft mit ETFs und anderen börsengehandelten Produkten verringerte sich zum dritten Mal in Folge.

Insgesamt verzeichneten ETFs und andere ETPs im September demnach 63,1 Mrd. US-Dollar an Zuflüssen im weltweiten Neugeschäft. Im August waren es noch 65,7 Mrd. US-Dollar. Gestiegen sind dabei die Nettozuflüsse auf Aktien-ETPs (50,5 Mrd. US-Dollar), doch aufgezehrt wurde dieses Wachstum durch einen Rückgang der Käufe von ETPs auf festverzinsliche Wertpapiere (15,4 Mrd. US-Dollar). Abflüsse gab es dabei bei Rohstoff-ETPs und zwar in Höhe von 3,5 Mrd. US-Dollar.

US-Aktien-ETPs im Aufschwung

Die Belebung der Aktienströme im September ist BlackRock zufolge auf erhöhte Allokationen in US-Aktien-ETPs zurückzuführen. Diese verzeichneten Zuflüsse in Höhe von 35,1 Mrd. US-Dollar, was eine deutliche Steigerung zu den Zuflüssen im August (11,0 Mrd. US-Dollar) darstellt und wieder dem Niveau von Juni und Juli entspricht. Darüber hinaus setzte sich im September der Trend der Zuflüsse in japanische Aktien-ETPs fort, die vor allem durch Käufe in der Asien-Pazifik-Region angetrieben werden. Die Zuflüsse in Aktien-ETPs aus Schwellenländern gingen im September auf 3,3 Mrd. US-Dollar zurück, während die Zuflüsse in europäische Aktien negativ blieben (-1,6 Mrd. US-Dollar).

Rückgang bei festverzinslichen Wertpapieren

Der größte Teil der Zuflüsse in ETPs auf festverzinsliche Wertpapiere entfiel laut BlackRock im September auf Zinspositionen, die einen Zuwachs von 16,9 Mrd. US-Dollar verzeichneten. Damit setzte sich ein Trend fort, der schon im gesamten Jahresverlauf zu erkennen ist. Im September wurden die Ströme von ETPs auf festverzinsliche Wertpapiere jedoch durch den Verkauf von Spread-Anlagen belastet. Im gesamten Jahresverlauf liegen die Zuflüsse in ETPs auf festverzinsliche Wertpapiere nun bei 235,1 Mrd. US-Dollar. Hochzinsanleihen verzeichneten im September den zweiten Monat in Folge Abflüsse (-1,8 Mrd. US-Dollar), während Investment-Grade-Anleihen mit Abflüssen in Höhe von 4,1 Mrd. US-Dollar die größten Abflüsse seit März 2020 und damit die zweithöchsten in ihrer Geschichte verzeichneten.

Trendverschiebung bei Themen-ETPs

Bei sektoralen ETPs kam es im September zu einer Verschiebung der bisherigen Trends. Der Energiesektor (0,8 Mrd. US-Dollar) und der Technologiesektor (0,6 Mrd. US-Dollar) waren die einzigen beiden Sektoren, die Zuflüsse verzeichnen konnten. Die Zuflüsse im Technologiesektor trotzen dabei Verkäufen von US-Tech-ETPs (-2,9 Mrd. US-Dollar), während die Zuflüsse im Energiesektor zugunsten von US-Engagements ausfielen.

Bedeutung von ETFs wächst

David Wenicker, Head of iShares & Wealth für Deutschland bei BlackRock, erläutert den Report weiterhin insofern, dass die „beträchtlichen Mittelzuflüsse“ zweierlei über das Anlegerverhalten aussagen würden. Zum einen würden festverzinsliche Wertpapiere bei den aktuellen Renditeniveaus und den hohen Volatilitäten der Märkte eine immer wichtigere Rolle in den Portfolios spielen. Außerdem seien festverzinsliche Wertpapiere immer beliebter und die Zahl der neuen Nutzer nehme ständig zu, was die wachsende Bedeutung von ETFs in den Portfolios zeige. Für das vierte Quartal rechnet Wenicker angesichts des anhaltenden Inflationsdrucks und der Zurückhaltung der Zentralbanken eine generationenübergreifende Chance, mit Anleihen Erträge zu erzielen. (mki)

Bild: © Maximusdn – stock.adobe.com

 

Warum generative KI relevant für Investmentmanager ist

KI ist spätestens seit ChatGPT in aller Munde. Da gibt es die urheberrechtlichen Fragestellungen bei von KI generierten Texten oder die Beeinflussung verschiedener Berufsbilder durch KI. Und auch die Investmentbranche bleibt von dem Diskurs darum nicht verschont.

Ein Artikel von Michael Berns, Director AI & FinTech bei PwC Deutschland, und Dr. Utz Helmuth, Managing Director, AM Leader bei Strategy&

Nach Jahren des Umsatz- und Gewinnwachstums rücken Kosten für Asset-Manager wieder in den Fokus. Die Operating Expenses per Assets under Management sind derzeit auf dem höchsten Stand seit 2018 und bei einer nach wie vor hohen Inflationsrate von über 6% ist ein weiteres, überproportionales Wachstum der Kosten zu erwarten. Gleichzeitig nimmt der Kampf um Talente in einer alternden deutschen Bevölkerung weiterhin zu.

Trotz des Kosten- und Personaldrucks gilt es, neue Anlageideen zu generieren, die sich in einem immer stärker werdenden Wettbewerb behaupten können. Mithilfe von generativer KI wollen Asset-Manager diesen Punkten nun entgegenwirken.

Wofür „GPT“ steht:
  • G wie Generative: Sprache (als auch Code, Bilder, Testdaten etc.) durch ein nuanciertes Verständnis generieren oder zusammenfassen können
  • P wie Pre-trained: vortrainiert, d. h. mitgegebenes Verständnis von Inhalten in sehr vielen Themenfeldern. In der Vergangenheit mussten Modelle sehr aufwendig in Supervised Learning, also mit Feedbackschleife, trainiert werden.
  • T wie Transformer: Die vorherrschende Architekturform für Large-Language-Models (LLMs)
Wo generative KI zukünftig eingesetzt werden kann

Generative KI kann entlang der gesamten Asset-Management-Wertschöpfungskette eingesetzt werden. Dabei beschränken sich die Möglichkeiten nicht nur auf Effizienzsteigerungen, auch zur Umsatzsteigerung und Qualitätssicherung ist KI einsetzbar.

Sales und Marketing

Besonders größere Häuser haben in den letzten Jahren bereits sehr viel in den Ausbau digitaler O Kanäle sowie zum Teil auch in Chatbots mit Personalisierung investiert. Durch den Einsatz von ChatGPT, aber auch BloombergGPT, FinGPT und anderen Large-Language-­Modellen (LLMs) lässt sich die Funktionalität nochmals wesentlich erweitern. Die Modelle sind bereits in der Lage, Finanzzahlen zu erkennen und auf ein umfangreiches Finanzwissen zurückzugreifen. Als nächste Ausbaustufe in diesem Bereich sind personalisierte Empfehlungen und Ideen bereits absehbar.

Ähnliches gilt für die Erschaffung neuer Produkte, die Fähigkeit, Trends zu erkennen, und unter Umständen auch das Etablieren neuer Investmentregeln/Faktoren wie z. B. für Smart-Beta-ETFs.

Portfoliomanagement & Trading

Schon seit vielen Jahren wird KI im Bereich Market Research, also z. B. bei der Analyse von Nachrichten und sozialen Medien in Echtzeit bei der sogenannten Sentiment-Analyse angewendet. Auch wenn die Verwendung von reinen GPT-Modellen hier (noch) nicht relevant ist – momentan haben sie noch keinen Anschluss an aktuelle Daten, da die Modelle auf Basis von Datenreihen trainiert wurden, die 2021 enden –, so kann man sich durchaus hybride Lösungen vorstellen, die das in Zukunft leisten können. Im Bereich Hedge Funds und im Bereich Algorithmic Trading gibt es bereits seit Jahren voll automatisierte, teilweise auf KI basierende Handelssysteme auf spezielle Einzelwerte oder für Nischenmärkte (Arbitrage etc.). Insofern ist es eine Frage der Zeit, bis die Automatisierung hier weiter fortschreitet.

Auch im Bereich Simulation/Optimierung wird schon seit Jahren KI eingesetzt, um die Anzahl der Szenarien zu erweitern und Muster zu erkennen. Diese wurden in der Vergangenheit hauptsächlich auf maschinellem Lernen und strukturierten Daten basierend durchgeführt. Die Verfügbarkeit von LLMs gibt nun die Möglichkeit, relativ einfach große unstrukturierte Datenmengen/Sprache/News miteinzubeziehen.

Operations

Im Bereich Operations wurde in den letzten Jahren hauptsächlich in Robotic Process Automation (RPA) investiert. In Teilen lag der Fokus aber auch schon auf Intelligent Process Automation (IPA) unter Einbeziehung von künstlicher Intelligenz. Hinzu kamen Anwendungen aus dem Bereich Natural Language Generation (NLG), die z. B. Texte zusammenfassen oder Reports aufgrund einer sehr flexiblen Anzahl von Markt-/Dateninputs generieren konnten.

Diese Möglichkeiten werden durch die Anwendung von LLMs deutlich erweitert, sodass die Texte immer schwerer von menschlichen Texten zu unterscheiden sind.

Know Your Customer war in den letzten Jahren ein weiteres großes Betätigungsfeld für KI. Durch die Verwendung von hausinternen LLMs lassen sich Enhanced-Due-­Diligence-Prozesse nochmals wesentlich beschleunigen. Grund dafür ist unter anderem die Verbesserung der Genauigkeit durch Einbeziehung von in- und externen Daten.

IT

Eine der Voraussetzungen für den Einsatz von skalierbarer KI, insbesondere von eigenen Large-Language-Modellen, ist eine moderne Big-Data-Infrastruktur. In den letzten Jahren hat sich der Bereich IT mit dem Einsatz von KI-Lösungen zu Server/Cloud/Cybersicherheitsoptimierung stark entwickelt. Zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten für GPT finden sich im Bereich Softwareentwicklung (Wissenstransfer, Beschleunigung der eigentlichen Entwicklung durch Lösungen wie Copilot etc.).

Business Management und Support

Besonders im Bereich Virtual Onboarding Assistant lässt sich das enorme Wissen von GPT ideal mit dem firmeneigenen Wissen verbinden. KI ist auch dafür bekannt, Muster in großen Datenmengen zu erkennen. Im Business Management und Support wird KI vor allem in den Bereichen Risikomanagement und Qualitätssicherung genutzt.

Fazit und Ausblick

Generative KI bietet erhebliches Einsparpotenzial für die Branche entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Konservativ geschätzt lassen sich je nach Asset-Manager ein bis zu sechs Basispunkte durch generative KI einsparen, was der deutschen Asset-­Management-Branche 500 Mio. bis 1 Mrd. Euro an jährlichen Kosteneinsparungen ermöglicht.

Trotzdem gilt es abzuwägen, wo generative KI im Asset-Management eingesetzt werden kann. Zwar ist es eine verlockende Vorstellung, generative KI für vollautomatisierte Anlageentscheidungen zu nutzen. Die Beschränkung der jetzigen GPT-Modelle, die mit über einem Jahr alten Daten „trainiert“ wurden und mangelnde Transparenz vorweisen (Audit, Rückverfolgbarkeit), sprechen bis auf Weiteres dagegen.

Daher eignet es sich aus Compliance- und Reputationsgründen kaum für das Treffen von Anlageentscheidungen.

Trotzdem: Die Dynamik der letzten Monate hat deutlich gezeigt, dass die Entwicklung im Bereich LLMs in zwei Hauptrichtungen geht: zum einen die Veröffentlichung von kommerziellen Modellen mit immer mehr Parametern, zum anderen wesentlich kleinere, auf spezielle Themenfelder angepasste Open-Source-Modelle. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis hier sehr starke Hybridmodelle entstehen werden, die mehr Transparenz bieten können. Es bleibt spannend!

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 10/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Lucky Ai – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Utz Helmuth
Michael Berns

Wird die Kappungsgrenze am DAX erhöht?

Die Deutsche-Börse-Tochter Stoxx führt eine Umfrage zur Erhöhung der Kappungsgrenze am Deutschen Aktienindex durch. Bislang liegt sie bei 10%, doch bei genug Zustimmung könnte das Limit auf 15% erhöht werden. Die Veränderung könnte auch für die Subindizes TecDAX & Co. eingeführt werden.

Diversifikation – fast schon so etwas wie ein Zauberwort am Kapitalmarkt. Damit kann oberflächlich die Streuung des Portfolios auf verschiedene Anlageklassen wie Aktien, Anleihen, ETFs und Sachwerte gemeint sein. Innerhalb der Klassen spricht man dann auch von Diversifikation, wenn man bspw. Aktien aus Industrie- und Schwellenländern oder von Unternehmen verschiedener Größen kauft.

Und bei Investments in einen konkreten Index wird gerne vom Indexanbieter versucht, die Diversifikation aufrechtzuerhalten, indem man ein Limit auf die Gewichtung setzt, die die Aktien eines Unternehmens im Index haben dürfen. Eine solche sogenannte Kappungsgrenze gibt es auch beim Deutschen Aktienindex (DAX). Eines der 40 gelisteten Unternehmen darf maximal 10% des Index ausmachen, was auch dazu führt, dass ETF-Anbieter Aktien des entsprechenden Unternehmens verkaufen müssen. Die Deutsche Börse bzw. das Tochter-Unternehmen Stoxx wirft nun erneut die Frage auf, ob die Kappungsgrenze für den DAX und seine Subindizes von 10% auf 15% erhöht werden soll.

Erhöhung der DAX-Kappungsgrenze auf 15%?

Die Umfrage steht allen Marktteilnehmern bis zum 08.11.2023 offen. Bei der letzten Marktkonsultierung im April 2022 hatten sich noch 58% der Teilnehmer gegen eine Erhöhung der Kappungsgrenze ausgesprochen, was im Juni 2022 von Stoxx schließlich auch übernommen wurde. Doch eine Erhöhung der Grenze werde laut dem Dokument der Deutsche-Börse-Tochter zur Umfrage immer noch im Markt diskutiert. Mit einer Erhöhung wolle man die Fähigkeit der DAX-Indizes, die Performance des deutschen Markts zu repräsentieren, verbessern.

So lautet jedenfalls die offizielle Variante. Einige Medien referenzieren in diesem Zusammenhang übereinstimmend den Austritt des Gas-Konzerns Linde, der Anfang des Jahres den DAX verlassen hatte – u. a. auch, weil er die 10%-Marke regelmäßig überschritten hatte. Das irische Unternehmen war der Auffassung, dass die daraus folgenden Aktienverkäufe, die in Indexfonds vorgenommen werden mussten, die Kursentwicklung gebremst hätten. Jetzt sind die Linde-Aktien ausschließlich in New York handelbar – denn dort gibt es derartige Kappungsgrenzen nicht.

Umsetzung der Kappungsgrenze auch während des Quartals?

Ebenfalls Teil der Umfrage ist der Vorschlag des „Intra-quarter capping“. Aktuell wird die Kappungsgrenze im DAX immer bei den vierteljährlichen Prüfungen geltend gemacht. Beim „intra-quarter capping“ wäre dies dann auch innerhalb eines Quartals möglich. Diese Regelung werde allerdings nur dann eingeführt, so Stoxx, wenn auch die Kappungsgrenze auf 15% erhöht werden sollte. Das „intra-quarter capping“ würde dann greifen, wenn ein Unternehmen mehr als 20% der DAX-Gewichtung am Ende eines Börsentages ausmacht.

So geht es weiter

Nach Ablauf der Umfragefrist wird Stoxx die Ergebnisse am 22.11.2023 verkünden – ebenso mögliche Veränderungen zur Methodologie des DAX. Je nach Ausgang der Konsultation soll die Erhöhung der Kappungsgrenze dann zur März-Prüfung am 18.03.2024 und das „intra-quarter capping“ zur Juni-Prüfung am 24.06.2024 eingeführt werden. (mki)

Bild: © immimagery – stock.adobe.com

 

Sinkende Kosten am ETF-Markt: Finanzberater aufgepasst!

Geringe Kosten gelten als zentrales Argument für ETFs. Der wachsende Markt und der technologische Fortschritt befeuern den Wettbewerb um das kostengünstigste Angebot immer wieder. Berater, die ihren Kunden ETFs empfehlen, sollten allerdings auch weitere Parameter unbedingt im Blick behalten.

Ein Artikel von Christopher Pawlik, Sales Executive bei Vanguard

Seit der Erstnotiz der ersten beiden ETFs an der Deutschen Börse im Jahr 2000 schreiben die börsennotierten Indexfonds eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Heute, gut 20 Jahre später, umfasst das Angebot in Europa rund 2.000 ETFs, die zur Jahresmitte 2023 fast 1,5 Bio. Euro Anlegergelder verwaltet haben.

Die Argumente, die für ein Investment in ETFs sprechen und immer mehr Anleger überzeugen, sind dabei weit älter als die beiden Produkte, die 2000 an der Deutschen Börse in Frankfurt starteten. Ein passives Investment in einen etablierten Börsenindex sorgt für eine breite Diversifizierung, die spätestens seit Markowitz Portfoliotheorie als wichtiger Erfolgsfaktor für die Kapitalanlage gilt – sprichwörtlich illustriert von Indexfonds-Pionier und Vanguard-Gründer John Bogle: „Suche nicht nach der Nadel, kaufe den Heuhaufen.“

Niedrige Gebühren: Wichtig, aber nicht alles

Insbesondere das Kostenargument überzeugt viele Anleger. Nicht verwunderlich ist deshalb, dass ETF-Anbieter sich in einem immer wiederkehrenden Wettbewerb um das günstigste Produkt befinden – vor allem, wenn es um Core-Produkte geht, die wichtige Standardmärkte abdecken.

Für Anleger und Finanzberater ist das begrüßenswert. Denn je geringer die Kostenbelastung, desto besser ist das langfristige Anlageergebnis. Allerdings sollten die Kosten eines ETFs in Form der ausgewiesenen Gesamtkostenquote (Total Expense Ratio, kurz TER) nie das alleinige Auswahlkriterium sein. Denn günstig heißt bekanntermaßen nicht zwangsläufig preiswert.

Möglichst geringe Abweichung

Finanzberater sollten bei der Auswahl der richtigen ETFs darauf achten, dass der zugrunde liegende Index möglichst genau abgebildet wird, denn das spricht für einen qualitativ hochwertigen ETF. Denn negative Abweichungen von der Indexperformance wirken sich wie eine indirekte Kostenbelastung aus – dem Anleger entgeht ein Teil des Ertrags, den der Index erzielt hat. Wie gut ein ETF den Index langfristig abbildet, zeigt zum Beispiel die Tracking Difference (TD), also die Differenz von Fonds- zu Indexperformance.

Um die TD niedrig zu halten, sollten Finanzberater einen ETF auswählen, der vorzugsweise in alle bzw. eine sehr große Zahl der im Index enthaltenen Wertpapiere investiert, statt sich mit einer mehr oder weniger repräsentativen Auswahl zu begnügen. Ein Beispiel dafür ist der Vanguard FTSE All World UCITS ETF, der derzeit etwa 90% der 4.163 Wertpapiere im FTSE All World Index enthält.

Die Spreads beachten

Entscheidend ist darüber hinaus eine möglichst hohe Handelsliquidität. Sie sorgt für geringe Spanne von Kauf- und Verkaufskursen, sogenannte Spreads, und damit wiederum für ein besseres Anlageergebnis. Denn hohe Spreads können die Gesamtrendite beeinträchtigen: Je höher sie sind, desto geringer fällt am Ende die Rendite des Investments aus. Wichtig ist dabei, dass die Liquidität auch in extremen Marktphasen sichergestellt ist. Insbesondere beim langfristigen Investieren sind diese Kennzahlen von zentraler Bedeutung. Es bietet sich darüber hinaus an, nicht nur das Produkt im Blick zu haben, sondern auch auf einen Anbieter zu vertrauen, der diese Langfristigkeit in der eigenen Produktphilosophie widerspiegelt.

Ganzheitlich und persönlich beraten

Diese Aspekte sollten Berater berücksichtigen, wenn sie ETFs in Kundenportfolios einsetzen. Denn nur so ist gewährleistet, dass sie tatsächlich ausschließlich im Kundeninteresse beraten. Zudem sollten Finanzberater ihren Kunden helfen, die ursprünglichen Ideen hinter Indexfonds und ETFs im Auge zu behalten. In Zeiten einer immer weiter steigenden Zahl von Strategie- und Themen-ETFs wird dieser Aspekt der Beratung zunehmend wichtiger. Fondsgesellschaften, die eine klar strukturierte Produktpalette anbieten, die sich an diesen Grundideen orientiert, und darüber hinaus den Beratungsprozess unterstützen, erleichtern diese Aufgabe.

Dabei sollten die Finanzplanung ganzheitlich gedacht und persönliche Bedürfnisse berücksichtigt werden. Im Rahmen einer Finanzberatung können private Investoren einen Vorsorgeplan erstellen, der auf die individuellen Ziele und finanziellen Verhältnisse zugeschnitten ist. Gerade in schwierigen Marktphasen sollte der Berater Anleger dabei unterstützen, Disziplin zu wahren und keine übereilten Entscheidungen zu treffen.

Breite Streuung

Um langfristige Investmentziele zu erreichen, ist in den meisten Fällen ein breit gestreuter ETF auf einen weltweiten Aktienindex eine gute Wahl. Hier punktet beispielsweise der FTSE All World, der sowohl Industrie- als auch Schwellenländer umfasst.

So einfach und transparent ETFs also auch sind: Wenn es um die konkrete Produktauswahl geht, die zur Anlagestrategie passen soll, zahlt sich ein genauerer Blick aus. Berater, die ihre Kunden souverän durch den zunehmend unübersichtlichen ETF-Markt navigieren, sind daher immer gefragter und wichtiger.

Bild: © Vanguard

 
Ein Artikel von
Christopher Pawlik

So könnte sich der Angriff auf Israel auf die Märkte auswirken

Die Terrorgruppe Hamas startete am vergangenen Samstag, 07.10.2023, ihren Angriff auf Israel. Auch die Märkte werden die Spuren dieser tragischen Ereignisse zu spüren bekommen. Das Analysehaus Morningstar hat drei Szenarien erarbeitet, wie sich die Auswirkungen entwickeln könnten.

Dass Geopolitik auch an den Finanzmärkten und in der Investmentbranche wieder mehr ins Bewusstsein rückt, ist eine spätestens zum Beginn des Ukraine-Kriegs angestoßene Entwicklung. So machen sich Portfoliomanager und Strategen auch jetzt mehr Gedanken über mögliche Auswirkungen eines Krieges im Nahen Osten.

Die schrecklichen Geschehnisse um den Terrorangriff der Hamas auf Israel hätten zwar an den internationalen Finanzmärkten noch zu keiner Verkaufswelle geführt, so das Analysehaus Morningstar. Dennoch versuche man nun, über den kurzfristigen Horizont hinauszublicken und gerade die Folgen eines langwierigen Konfliktes auszuarbeiten. Dazu hat Morningstar drei Szenarien erarbeitet, die an den Märkten für Unruhe sorgen.

Geopolitische Dynamik

Die erste Sorge ist die des Risikos eines langen Konflikts in Israel. Norman Villamin, Chefstratege der Union Bancaire Privée, sieht die Invasion im Süden Israels zwar als eine Explosion eines „seit Langem schwelenden regionalen Konflikts und einer humanitären Krise“, die allerdings Potenzial habe, sich zu einem langwierigen Konflikt auszuweiten. In der Vergangenheit habe dies Gegenwind für die globalen Aktienmärkte bedeutet. Zu den Hauptsorgen der Anleger solle daher gehören, dass sich der Überfall der Hamas zu einem langwierigen Konflikt ausweite, an dem eine größere Anzahl an Ländern einschließlich des Irans beteiligt sind.

Auch fand der Angriff während der Gespräche zwischen Saudi-Arabien, Israel und den USA statt, mit dem formalen Ziel, die Anerkennung Israels durch Saudi-Arabien zu erreichen, so zitiert Morningstar Antonio Cesarano, Global Chief Strategist bei Intermonte. Im Gegenzug habe Saudi-Arabien eine größere Garantie für die Deckung seiner Sicherheitsbedürfnisse und den Zugang zu israelischen Technologien für die Entwicklung u. a. der zivilen Nutzung der Kernkraft erhalten wollen. Doch der Hamas-Angriff habe dieses potenzielle arabisch-israelische Abkommen infrage gestellt und im Moment „auf Eis“ gelegt.

Ölpreis gestiegen

Nitesh Shah, Leiter der Rohstoff- und makroökonomischen Forschung bei WisdomTree, sieht derweil die Entwicklungen bei den Ölpreisen als gefährdet. In der letzten Woche seien die Rohölpreise gefallen, bedingt durch die Turbulenzen an den Finanzmärkten und die Erwartung einer möglichen Einigung in den oben genannten Gesprächen zwischen Israel und Saudi-Arabien. Doch damit ist nun Schluss: „Die Unterstützung Teherans für die Hamas könnte zu einem israelischen Angriff auf den Iran führen. Außerdem ist weiteres Tauwetter zwischen den USA und dem Iran unwahrscheinlich, und die Fähigkeit des Irans, die Ölproduktion auszuweiten, wird infrage gestellt“, so Shah bei Morningstar.

Der Wettlauf in sichere Häfen

Als Drittes zu beachten sei der Wert des US-Dollars, findet Richard Flax, Chief Investment Officer bei Moneyfarm. Der Dollar-Index misst den Wert des US-Dollars gegenüber anderen ausländischen Währungen und ist am 09.10.2023 auf über 106 gestiegen – zuvor war er drei Tage in Folge zurückgegangen. Grund dafür laut Morningstar: Die Anleger suchten Schutz in sicheren Häfen. Laut Flax gehöre der Dollar zusammen mit Gold und Öl zu den „drei Schlüsselindikatoren“, die man in den kommenden Wochen genau beobachten sollte. (mki)

Bild: © Anna – stock.adobe.com

 

Fondsdepot Bank geht vollständig in FNZ Bank über

Anfang 2023 hat die FNZ Gruppe die Fondsdepot Bank übernommen. Noch existiert die Bank als eigene Marke neben der FNZ Bank – doch das soll sich ändern. Die beiden Unternehmen sollen verschmelzen und am Ende soll „nur noch“ die FNZ Bank am Markt übrigbleiben.

Schon bald wird die Fondsdepot Bank als Unternehmen unter der Leitung der FNZ Gruppe nicht mehr am Markt existieren. Das bestätigt die Pressestelle der Vermögensmanagementplattform FNZ auf Nachfrage von AssCompact. Im Januar 2023 hatte FNZ die Übernahme der Fondsdepot Bank abgeschlossen (AssCompact berichtete: FNZ schließt Übernahme der Fondsdepot Bank ab), seitdem waren die FNZ Bank und die Fondsdepot Bank nebeneinander aktiv.

Doch die beiden Banken sollen in den nächsten Monaten ineinander aufgehen. Als Marke und Firma übrigbleiben wird dann nur noch die FNZ Bank, ehemalige ebase.

Das steckt hinter der Verschmelzung der FNZ Bank und der Fondsdepot Bank

Hintergrund der Planungen sei es, so FNZ, die Kundenbeziehungen unter einer gemeinsamen Marke zu bündeln. Die FNZ Gruppe wolle schlichtweg mit einer Marke am deutschen Markt präsent sein und außerdem „die Skalierung nutzen, um Vorteile für unsere Partner und Kunden zu schaffen und damit das volle Potenzial der FNZ in Deutschland auszuschöpfen“.

Die Einzelheiten des Zeitplans stünden aktuell noch nicht fest – man arbeite derzeit an der konkreten Planung, wie man sich im Sinne der Partner am besten aufstellen könne. Deutliche Fortschritte solle es allerdings bereits im kommenden Jahr zu verzeichnen geben.

Auf die Nachfrage von AssCompact, ob es denn Pläne gibt, weitere Übernahmen zu vollziehen, gibt es von der FNZ-Pressestelle ein implizites, aber kein klares „Nein“. Man sei überzeugt, mit „unserem Angebot auch organisch ein gutes Wachstum erzielen zu können“.

Über die FNZ Gruppe

Die FNZ Group arbeitet mit mehr als 650 weltweit führenden Finanzinstituten und über 8.000 Vermögensverwaltungsfirmen zusammen. Insgesamt befinden sich über 1,5 Bio. US-Dollar im verwalteten Vermögen der Gruppe, 60 Mrd. US-Dollar davon kommen von der FNZ Bank. Diese war 2019, damals noch unter dem Namen ebase, von der FNZ Gruppe übernommen worden.

Bild: © Chanyanuch – stock.adobe.com

 

„In komplett anderem Marktumfeld als in vergangenen Jahren“

Die Geopolitik ist wieder im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen und birgt viele Gefahren. Diese bekommt auch der Kapitalmarkt zu spüren. Investmentunternehmen müssen geopolitische Risiken nun wieder stärker in ihre Entscheidungen einbeziehen. Warum ist das so und worauf gilt es zu achten?

Interview mit Anna Rosenberg, Head of Geopolitics am Amundi Investment Institute
Frau Rosenberg, Ihr Spezialgebiet bei Amundi sind geopolitische Risiken. Wir alle sehen, wie sich in der Welt was verschiebt. Bewerten Sie die heutigen Risiken – sagen wir im Vergleich zu den vergangenen 10 bis 15 Jahren – als gefährlicher?

Auf jeden Fall. Nach dem Fall der Berliner Mauer stand die Welt offen. Es war Demokratie möglich, der gemeinsame Handel war etwas Positives. Es war eine Zeit des Optimismus. Im Moment ist das anders. Es gibt sehr viele Risiken, die wesentlich gravierender sind, als sie das über die letzten 15 Jahre waren. Zuvor hatten wir zwar Krisen, die aber meistens lokal angesiedelt waren und nicht global wie heute. Dadurch sind die jetzigen Risiken etwas existenzieller für die Weltwirtschaft.

Wir sehen den Krieg gegen die Ukraine, die Unstimmigkeiten zwischen China und USA. Sind das die beiden Hauptthemen?

Es sind im Moment die zwei Hauptthemen, unter denen man die anderen organisieren kann. Aber es gibt auch andere wie z. B. die Multipolarität. Im aktuellen Umfeld wollen viele Länder, die sich nicht mit den USA und China direkt assoziieren wollen, von der gegenwärtigen Situation profitieren und schlagen sich daher beim Thema Ukraine nicht auf die Seite des Westens. Das kreiert weitere Spannungen und Gefahren. Prinzipiell aber sind wir in der Zeit der „Great Power Competition“, und diese konzentriert sich auf die USA und China, wobei der Krieg in der Ukraine eine wichtige Facette ist.

Was bedeuten diese Umstände denn für die Investitionsströme auf die Länder bezogen?

Es bedeutet, dass man auf diese Risiken achten und sich bewusst sein muss, wie gefährlich sie sind. Bei geopolitischen Risiken geht es aber nicht nur darum, sie abzuwenden, sondern auch darum, Möglichkeiten zu entdecken, die sich durch die gerade stattfindenden Verschiebungen ergeben. Die Länder, die sich nicht auf die Seite Chinas oder der USA schlagen wollen, führen derzeit neue Verbindungen ein, z. B. die Erweiterung der BRICS-Länder. Dadurch haben sie bessere Verhandlungspositionen, die auch dazu führen, dass sich die USA und die EU besser mit diesen Ländern stellen möchten, was wiederum neue Investitionsmöglichkeiten bietet.

Und auf Branchen bezogen? Wir denken da zum Beispiel an das Thema Taiwan und Halbleiter.

Da ist der Einfluss signifikant. Sollte etwas mit Taiwan passieren, wären die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft gravierend, weil sie mehr oder weniger komplett abhängig von der Halbleiterproduktion in Taiwan ist. Daher sehen wir auch die Bemühungen, sich von dieser Abhängigkeit loszulösen. Allerdings sind die Investitionsanforderungen, die man für eine Unabhängigkeit bräuchte, so groß, dass es sehr schwierig ist, sich von Taiwan gänzlich loszulösen. Das stellt in jedem Fall die größte Gefahr für die Märkte in den nächsten Jahren dar, sollte es wirklich zu einem Krieg kommen und es einen Einbruch in der Halbleiterindustrie geben.

Verschärft nicht auch der Klimawandel diese Risiken noch?

Der Klimawandel stellt noch ein zusätzliches Risiko dar, das ständig im Hintergrund mitschwirrt, allerdings sind die geopolitischen Risiken wahrscheinlich akuter, weil sie in der gegenwärtigen Zeit stattfinden. Der Klimawandel ist zwar auch schon hier, aber gefühlt weiter weg. Das führt dazu, dass Politiker die Geopolitik priorisieren. Allerdings sind viele Beziehungen zwischen Ländern aktuell im Umbruch – da bietet der Klimawandel eine Möglichkeit der Kollaboration. Insofern hat er also auch das Potenzial, Länder wieder näher zueinander zu bringen.

Was müsste denn passieren, damit sich der „Grip“ der Geopolitik auf die Investmentbranche wieder entspannt?

Ich denke, das wird nicht passieren – eher das Gegenteil. Die Risiken werden immer schneller zunehmen. Es gibt viele Entwicklungen in den Beziehungen zwischen dem Westen und China, aber auch im Krieg in der Ukraine, die negativ sind und sehr schnell passieren. Daher befinden wir uns auf einem eher schnellen Abwärtstrend, weswegen die Geopolitik zunehmen und nicht abnehmen wird. Das müssen Investoren schlichtweg genau beobachten.

Wie stellt sich Amundi darauf ein? Wie verändert sich Ihr Investmentprozess?

Der Investmentprozess bei Amundi hat sich bereits verändert. Zum einen sitze ich in verschiedenen Komitees und Gremien, schätze die geopolitischen Entwicklungen für die Portfoliomanager ein, gebe ihnen Szenarien und Zahlen an die Hand, anhand derer sie in ihren Portfolios Entscheidungen treffen können. Das hilft ihnen auch einzuschätzen, wie wahrscheinlich der Markt ein geopolitisches Risiko sieht und wie wahrscheinlich es tatsächlich ist. Zudem haben wir ein Modell entwickelt, das die Volatilität der Geopolitik durch Daten veranschaulicht, die die Portfoliomanager nutzen können, und wir arbeiten daran, wie wir unser Know-how unseren Kunden zugänglich machen können, sodass auch sie die geopolitischen Risiken besser einschätzen können.

Aus Anlegersicht: Was sollte man in der heutigen Zeit im Hinblick auf geopolitische Risiken besonders beachten?

Mein Haupttipp wäre zu schauen, welche Unternehmen bereits Expertise im Bereich Geopolitik aufgebaut haben und damit arbeiten. Die Branche stellt immer mehr Geopolitik-Experten ein, aber nicht alle Institutionen lassen deren Analysen in ihre Investmententscheidungen mit einfließen. Auch sollte man nicht immer an geopolitische Risiken denken, sondern auch an Möglichkeiten, die sich neu eröffnen.

Wie kann ich als Anlageberater meine Kunden am ehesten durch die aktuelle Lage navigieren? Und wie unterstützt Amundi mich dabei?

Unsere Teams stehen im engen Austausch mit unseren Vertriebspartnern und halten regelmäßige Workshops zu relevanten Fragestellungen im Markt. Zudem veranstaltet Amundi Outlook- und Investmentkonferenzen oder, speziell im deutschen Markt, zweiwöchentliche CIO Calls. In diesen Veranstaltungen sprechen wir makroökonomische und auch geopolitische Themen an. Zu den meisten größeren Branchenthemen bieten wir außerdem Researchpapiere.

Gibt es denn Angebote bei Fonds, ETFs o. Ä., die sich bewusst geopolitischen Risiken entziehen sollen?

„Entziehen“ nicht unbedingt, aber Anfang des Jahres hat Amundi über seine Tochterfirma CPR Invest einen Fonds aufgelegt, der sich geopolitischer Risiken direkt annimmt. Er heißt CPR Invest – European Strategic Autonomy und legt das Geld der Anleger ausschließlich in Titel von Unternehmen an, die in Wirtschaftsfeldern aktiv sind, in denen Europa eine größere internationale Unabhängigkeit und Widerstandsfähigkeit anstrebt. Denn nicht erst mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine, sondern auch schon vorher mit den durch die Pandemie unterbrochenen Lieferketten ist die Störanfälligkeit der europäischen Wirtschaft offenkundig geworden.

Traditionell heißt es „Hin und her macht Tasche leer“ und man solle in Krisensituationen als Anleger nicht nervös werden. Gilt dieser Leitsatz auch aktuell vor dem Hintergrund geopolitischer Risiken?

Wir haben über die veränderte Weltlage gesprochen. Diese als Börsenweisheit bekannten Sprichwörter zielen allerdings auf das jeweilige Anlegerverhalten ab. Daher ist es für mich schwierig, darauf eine Antwort zu formulieren. Tatsache ist aber, dass wir uns aktuell in einem komplett anderen Marktumfeld als in den vergangenen Jahren bewegen. Die Herausforderungen sind größer und individueller. Eine Anpassung von Strategien und Portfolios muss unter diesen Prämissen also auch anders gesehen werden.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 10/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Anna Rosenberg, Amundi

 
Ein Interview mit
Anna Rosenberg

„Herbe Rückschläge“ bei Asset-Managern – Einsparung durch KI?

Bei den Vermögensverwaltern gibt es aktuell herbe Rückschläge – das verwaltete Vermögen, die Umsätze und die Profite sanken 2022 stark ab. Gleichzeitig bietet künstliche Intelligenz viel Potenzial. Eine Untersuchung von Strategy& soll zeigen, wie viel Geld Vermögensverwalter über KI einsparen können.

Die Inflation und die aktuelle Wirtschaftslage zehren nicht nur am privaten Geldbeutel, sondern bekanntlich ebenfalls an dem der Unternehmen – und zwar auch bei denen, unter deren Verantwortung sich die Vermögensverwaltung zahlreicher Anleger befindet. So hätten zahlreiche Vermögensverwalter 2022 „herbe Rückschläge“ erlitten, wie die aktuelle Studie „Cost and growth in Asset Management“ von Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, zeigt. Demnach seien die verwalteten Vermögen um 11%, die Umsätze um 15% und die Profite um 16% gesunken.

Zugleich seien die Kosten der Vermögensverwalter angestiegen – getrieben durch Lohndruck, regulatorische Anforderungen sowie Investitionen in Zukunftstechnologien. Wichtige Kennzahlen wie das Aufwand-Ertrags-Verhältnis (Cost-Income-Ratio, CIR) oder die durchschnittlichen operativen Kosten pro Vermögenswert hätten sich entsprechend verschlechtert. So sei die durchschnittliche CIR von 62% im Jahr 2021 auf 66% im vergangenen Jahr angestiegen. Die durchschnittlichen operativen Ausgaben pro Vermögenswert hätten sich von 30 auf 33 Basispunkte erhöht. Besonders besorgniserregend sei außerdem: Obwohl sich der Aktienmarkt im ersten Quartal 2023 erholte und die verwalteten Vermögen und Umsätze der Vermögensverwalter wieder stiegen, seien ihre Gewinne wieder zurückgegangen, so Strategy&.

Branche auf Sparkurs

Kleine und mittelgroße Vermögensverwalter hätten im derzeitigen Marktumfeld um hohe Zinsen und geopolitische Unsicherheiten die besten Ergebnisse erzielt. Die erfolgreichsten Firmen hätten dabei entweder aktiv gemanagte Anlagestrategien verfolgt oder auf möglichst breite Investments auf ETF-Basis gesetzt. Alternative Vermögensverwalter hätten sich ebenfalls vom Durchschnitt absetzen können.

Doch 2022 sei das schlechteste Börsenjahr seit 2008 gewesen und die Branche sei derzeit angeschlagen und im Wandel, wie Dr. Philipp Wackerbeck, Co-Studienautor und Global Head of Financial Services bei Strategy&, festhält. Denn viele Asset-Manager würden auf Sparmaßnahmen zurückgreifen wie Personalrückbau oder Outsourcing. Sie sollten allerdings auch andere Optionen in Erwägung ziehen wie die Straffung des Dienstleistungs- und Produktportfolios oder die Verschlankung von IT-Strukturen, so Wackerbeck. Auch werde generative KI in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen.

Bis zu 15% weniger Kosten durch KI

Mittelfristig könnten die Kosten der Vermögensverwalter zwischen 5% und 15% durch den Einsatz von generativer KI gesenkt werden, heißt es in der Mitteilung von Strategy&. Bezogen auf die deutschen Vermögensverwalter wären das zwischen 433 Mio. und 1,9 Mrd. Euro pro Jahr. Die größten Potenziale lägen dabei in den Bereichen Sales und Operations, in denen jeweils Effizienzgewinne von 10% bis 15% möglich seien. Für die Bereiche Portfolio Management und Business Management beziffert die Studie die Einsparmöglichkeiten auf 5% bis 10%. In der IT liege die Bandbreite möglicher Kostenreduktionen zwischen 5% und 15%. (mki)

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Vierjahrestief bei Goldkäufern im September

Im September 2023 gab es in Deutschland die wenigsten Käufer für Goldbarren seit mehr als vier Jahren. Die Gruppe der Privatanleger verkaufte zum ersten Mal seit März mehr von dem Edelmetall, als sie kaufte. Das geht aus dem Gold-Investor-Index von BullionVault hervor.

Gold gilt allgemein in Krisenzeiten als der „sichere Hafen“ bei Geldanlagen. Ende 2022 mussten die Edelmetalle noch Rekordtiefs verzeichnen, ehe es zum Jahreswechsel steil bergauf ging und im weiteren Verlauf die Bestände wieder aufgefüllt wurden (AssCompact berichtete: Nach Preissteigerungen: Goldanleger füllen Bestände auf). Zwischenzeitig hat sich der Enthusiasmus etwas gelegt, wie der Gold-Investor-Index (GII) des Edelmetall-Marktplatzes BullionVault zeigt.

Denn im September 2023 wurden in Deutschland so wenige Goldbarren gekauft wie seit über vier Jahren nicht mehr. Zum ersten Mal seit März habe die Gruppe der Privatanleger mehr von dem Edelmetall verkauft, als sie kaufte, heißt es von BullionVault. Grund dafür: Hohe Preise und steigende Zinsen hätten zu Gewinnmitnahmen geführt, bevor der Preisrückgang der vergangenen Woche das Bild umkehrte.

Gold-Investor-Index fällt

Jeden Monat stellt der GII Deutschland die Zahl der in Deutschland lebenden Käufer der Zahl der Verkäufer gegenüber. Im September ist er um 4,1 Punkte auf 53,7 Punkte gefallen. Damit erreichte er ein Sechsmonatstief mit dem stärksten Rückgang seit Juli 2021. In der vergangenen Woche erholte er sich jedoch von einem Zwischenstand von 52,1 Punkten – dem niedrigsten Stand seit fast einem Jahrzehnt, so BullionVault. Die stark fallenden Goldpreise verhinderten neue Verkäufe und zogen die Nachfrage wiederum an.

Adrian Ash, Forschungsdirektor von BullionVault, weist darauf hin, dass der September trotz der Preisrückgänge der dritthöchste monatliche Durchschnittswert für Gold in Euro war. Doch die „zugrunde liegende Stärke des Metalls sowie die steigenden Zinssätze für Anleihen und Bargeld laden bestehende Besitzer weiterhin zum Verkauf ein und schrecken gleichzeitig neue Nachfrage ab“. Dies werde wahrscheinlich so bleiben, bis die Zinssätze sinken oder etwas auf den Finanzmärkten passiert, was einen erneuten Ansturm auf Gold als Investitionsversicherung auslösen würde, so Ash. (mki)

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