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4. März 2019
„Das ist kein Aktionsplan, sondern allenfalls ein Reaktionsplan“

„Das ist kein Aktionsplan, sondern allenfalls ein Reaktionsplan“

Die EU will nachhaltige Anlagen mit einem Aktionsplan fördern. Das Vorhaben stößt bei vielen Fondsgesellschaften auf heftige Kritik – auch bei Deutschlands Vorreiter ethisch-ökologischer Kapitalanlagen. Warum, erläutert Alexander Mozer, Leiter des Portfoliomanagements von ÖKOWORLD, im Gespräch mit AssCompact.

Herr Mozer, nachhaltige Kapitalanlagen boomen nicht nur, sondern haben es auch auf die Agenda der EU geschafft. Was halten Sie vom Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen?

Es ist erschreckend, wie spät der Aktionsplan vorgestellt wurde. Das ist ein typisches Beispiel für den fehlenden Mut der Politik zu prophylaktischem Handeln. Es ist nicht erst seit gestern bekannt, dass die Lage unseres Planeten sehr ernst ist. Die Finanzwirtschaft kann einen großen Einfluss darauf haben, dass sich daran etwas ändert. Umso bedauerlicher ist es, dass auf politischer Ebene erst jetzt eine politische Agenda für ein nachhaltiges Finanzwesen aufgestellt wird. Es ist daher kein Aktionsplan, sondern allenfalls ein Reaktionsplan.

Ein wichtiger Streitpunkt ist die Definition des Begriffs Nachhaltigkeit. Einige Finanzdienstleister wie Bert Flossbach befürchten, dass schon mit der Definition des Begriffs Nachhaltigkeit Schindluder getrieben werden könnte …

Eine berechtigte Befürchtung. Die Pläne der EU stehen und fallen mit der Definition von Nachhaltigkeit. Die Frage ist nicht zuletzt, wer die Definition vornimmt. Beim Blick auf die von der EU beauftragte Expertenkommission fällt auf, dass die Vertreter der Finanzbranche stark beteiligt sind.

Ist das eher gut oder eher schlecht?

Die klassischen Branchenvertreter machen nur einen mikroskopischen Teil ihres Geschäfts mit nachhaltigen Kapitalanlagen. Man kann sich vorstellen, was sie für ein Interesse an strengen ethischen und ökologischen Standards haben, wenn der Erfolg ihres Geschäftsmodells von konventionellen Anlagen abhängt.

Dürfte es einem Vorreiter wie ÖKOWORLD dennoch helfen, wenn „Nachhaltigkeit“ wie von der EU geplant zukünftig in Beratung und Produktempfehlung einfließen soll?

Viele Kunden sind offen für nachhaltige Kapitalanlagen. Wenn im Beratungsgespräch die Existenz solcher Anlagemöglichkeiten angesprochen wird, sollte das tatsächlich helfen. Es wird jedoch wichtig sein, dass der „Hinweis“ nicht in der Gemengelage der unzähligen Beratungserfordernisse untergeht.

Droht im Gegenzug aber nicht der Verlust eines wichtigen Wettbewerbsvorteils, wenn alle Gesellschaften sich mit nachhaltigem Investieren beschäftigen?

Das glaube ich nicht. Schließlich geht es bei der ethisch-ökologischen Kapitalanlage vor allem um Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit. First Mover sind diesbezüglich in der Regel in einer guten Position und ÖKOWORLD ist der Vorreiter in Deutschland. Der ÖKOWORLD ÖKOVISION CLASSIC steht seit seiner Auflage im Jahr 1996 für konsequente Nachhaltigkeit. Vor allem der vom Portfoliomanagement unabhängige Anlageausschuss zeigt, wie ernst ÖKOWORLD ethisch-ökologisches Handeln nimmt. Im ÖKOVISION dürfen wir als Portfoliomanager nur Titel kaufen, die vom Anlageausschuss freigegeben werden. Somit haben wir im Anlageausschuss einen kongenialen Partner, der uns bei der ökologisch-sozialen Auswahl der Unternehmen den Rücken frei hält und der gewährleistet, dass das Portfolio immer zu 100% frei von Unternehmen ist, die keiner unserer Kunden haben möchte. Wir können uns im Gegenzug voll auf das Management der Portfolios konzentrieren. Ein Mitspracherecht haben wir bei den Ausschussentscheidungen ohnehin nicht.

Braucht es einen Anlageausschuss oder Ethikrat für die gesamte Fondsbranche?

Wenn man die Ziele ernst nimmt, dann ja. Als Portfolioverantwortlicher hat man in erster Linie einen Blick auf die Rendite. Dadurch neigt man dazu, im Zweifel ein Auge zuzudrücken und ein Unternehmen trotz eventueller Zweifel ins Fondsportfolio aufzunehmen. Genau deshalb ist eine externe Stelle sinnvoll, für die Renditen keine Rolle spielen, sondern ausschließlich ökologische und soziale Kriterien.

Wie sehr schränken ökologische und soziale Kriterien die Freiheit eines Fondsmanagers und die Chance auf attraktive Renditen ein?

Natürlich verkleinert das unser An­lage­universum immens. Wenn man ethisch-ökologische Kapitalanlage ernst nimmt, geht das aber auch nicht anders. Die Renditen unserer Fonds zeigen aber, dass sich auch trotz dieser Einschränkungen langfristig ordentliche Renditen erzielen lassen. Der ÖKOWORLD ÖKOVISION CLASSIC braucht sich zum Beispiel nicht nur hinter seinen nachhaltigen Konkurrenten nicht zu verstecken, sondern hat auch viele konventionelle Aktienfonds langfristig outperformt.

Wie schafft man das?

Meine Kollegen und ich lieben es, neue Unternehmen zu entdecken. Es macht unglaublichen Spaß, wenn man den Kollegen ein spannendes Geschäftsmodell vorstellen kann und dann intensiv darüber diskutiert. Zugleich öffnet es den Kopf für neue Möglichkeiten und Denkweisen. Diese Leidenschaft und Offenheit teilen alle Kollegen in unserem Portfoliomanagement. Sie ist neben der individuellen Erfahrung der Grundstein und die Motivation unserer Arbeit und trägt vermutlich auch zum Erfolg der Fondsportfolios bei.

Trotzdem kann man sich den Märkten nicht entziehen. 2018 war im Allgemeinen ein schwieriges Jahr für die Manager von Aktienfonds. Wie fällt Ihre Bilanz für das vergangene Jahr aus?

Es war in der Tat kein einfaches Jahr. Es ist nicht schön, wenn trotz all der Arbeit und Leidenschaft, die man in das Management der Portfolios steckt, am Ende des Jahres ein Verlust zu Buche steht. Relativ gesehen haben sich die Fonds zwar erneut gut geschlagen, unter anderem weil wir aus Vorsicht zeitweise bis zu 30% Cash hielten. Dennoch stellt es nicht zufrieden, wenn absolut ein Minus dabei herauskommt. Vor allem im letzten Quartal wurden auch unsere Portfolios abgestraft. Das bringt einen natürlich zum Nachdenken.

Mit welchem Ergebnis?

Wir sind in erster Linie Stockpicker. Wir haben uns daher die einzelnen Unternehmen und ihre Daten noch genauer angesehen. Wenn wie bei den meisten Unternehmen bei der Analyse nach wie vor alles passt, gibt es keinen Grund, sich von einer Aktie zu trennen. Stattdessen wandelt sich der Frust zumindest etwas in Freude über günstigere Einstiegskurse.

Wie zuversichtlich blicken Sie auf 2019?

Die Glaskugel rauszuholen, ist immer schwierig, weil vieles nicht vorhersehbar ist. Entscheidend wird unter anderem sein, wie sich der Handelsstreit zwischen China und den USA entwickelt. Hierzu lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt keine ernsthafte Prognose abgeben. Ich habe aber schon die Hoffnung, dass sich die Vernunft durchsetzen wird.

Positiv stimmt mich zudem, dass die Emerging Markets gegen Ende des Jahresverlaufs wieder angezogen haben. Wenn solch ein Markt, der eher risiko­bereite Investoren anspricht, wieder anzieht, ist das erfahrungsgemäß ein gutes Zeichen. Da wir viele sehr spezielle Geschäftsmodelle, die nicht so stark von der weltwirtschaftlichen Lage abhängig sind, im Portfolio haben und uns vor allem auf die Mikroebene der einzelnen Unternehmen konzentrieren, spielt das große Ganze für uns aber ohnehin eher eine untergeordnete Rolle.

Gibt es Anlagethemen oder Branchen, die aktuell besonders attraktiv für Investoren sind?

Für uns spielen vor allem die langfristigen gesellschaftlichen Trends eine Rolle. Digitalisierung und Gesundheit sind zwei Themen, die diesbezüglich spannend sind. Gerade im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen ist die Entwicklung offensichtlich. Speziell in den Schwellenländern wird dieser Markt aufgrund des vorhandenen Aufholbedarfs massiv wachsen – egal welche kurzfristigen Entwicklungen die Weltwirtschaft beuteln. Langfristig ist es daher ein sehr attraktiver Bereich. Irgendwann wird sich das Wachstum schließlich auch bei den Kursen bemerkbar machen. Und die langfristige Perspektive ist für uns als nachhaltigen Verwalter der Kundengelder viel wichtiger als kurzfristige Verwerfungen oder schnelle Kurschancen.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2019, Seite 44 f. oder in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Alexander Mozer