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6. Februar 2019
„Die Abschaffung der Doppelverbeitragung würde die bAV klar zur Nummer eins machen“

„Die Abschaffung der Doppelverbeitragung würde die bAV klar zur Nummer eins machen“

Ist tatsächlich das Ende der Doppelverbeitragung der Betriebsrenten in Sicht? Was er von den Plänen des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn hält und warum die Abschaffung der Doppelverbeitragung Impulse für Neuabschlüsse in der bAV bringen kann, erläutert Prof. Dr. Thomas Dommermuth im AssCompact-Interview. Der Vorsitzende des fachlichen Beirats des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) hatte gegenüber der Politik Ende 2017 einen Kompromissweg zur Umwandlung der Betriebsrentenfreigrenze in einen Freibetrag ins Spiel gebracht.

Die Abschaffung der Doppelverbeitragung der Betriebsrente hinsichtlich der Krankenversicherung ist Ihr Thema. Was würde die Abschaffung für die einzelnen Rentner bedeuten?

Sie meinen mit Ihrer Frage offenbar die zeitliche Variante der Doppelverbeitragung: In der Beitragsphase spart der Arbeitnehmer nur maximal die halben KV/PV-Beiträge, in der Rentenphase erfolgt aber die volle Belastung. Diejenigen, deren Betriebsrente die Freigrenze von gegenwärtig 155,75 Euro monatlich übersteigt, würden bei Abschaffung dieser Variante erheblich entlastet, denn ihr KV-Beitrag sänke von gegenwärtig im Schnitt 15,5% auf knapp 8,5% der Betriebsrente. Eine Abschaffung der sachlichen Variante der Doppelverbeitragung – das Einkommen in der Erwerbsphase übersteigt die Beitragsbemessungsgrenze Kranken oder die Beiträge zur bAV übersteigen 4% der Beitragsbemessungsgrenze Renten, im Rentenalter jedoch Belastung mit KV/PV-Beiträgen – ist gegenwärtig meines Wissens jedoch nicht in der politischen Diskussion.

Würde sie tatsächlich Impulse für Neuabschlüsse bringen?

Ja, davon bin ich überzeugt. Die Medien berichten seit Jahren negativ auch über die bAV. Kern dieser Berichterstattung war fast immer die zeitliche Form der Doppelverbeitragung. Deren Wegfall würde der negativen Berichterstattung endlich den Wind aus den Segeln nehmen. Ihre Abschaffung würde zusammen mit dem neuen obligatorischen Arbeitgeberzuschuss (maximal 15% der Entgeltumwandlung) die Rendite der bAV ganz erheblich steigern und diese Vorsorgeform trotz niedrigster Zinsen klar zur Nummer eins der finanziellen Zukunftssicherung machen; nur Riester kann da für Geringverdiener noch mithalten. Apropos Riester: Kombiniert man diese Vorsorgeform mit der bAV, hat das BRSG die Doppelverbeitragung in ihrer zeitlichen und sachlichen Form bereits seit 01.01.2018 auch für Altverträge und damit rückwirkend beseitigt.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will das Thema angehen. Er will scheinbar die Krankenkassenbeiträge auf Bezüge aus der bAV halbieren. Was würde das bringen?

Das ist mutig und richtig. Was es dem Einzelnen und der bAV insgesamt bringt, habe ich bereits gesagt. Es führt aber auch zu Gerechtigkeit, denn ich empfinde es – trotz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 09.07.2018 – als zutiefst ungerecht, wenn Arbeitnehmer in der Beitragsphase nur mit ca. der Hälfte der KV-Beiträge entlastet, in der Rentenphase aber mit dem vollen Beitrag belastet werden. Dies gilt auch nach Einführung des genannten obligatorischen Arbeitgeberzuschusses, weil dieser die bereits erwähnte sachliche Doppelverbeitragung nicht beseitigen konnte.

Die Halbierung würde dennoch ein Finanzloch bedeuten. Vermutlich würde die Finanzierung über die Steuerzahler erfolgen. Eine gute Lösung?

Es geht um die Hälfte von ca. 5,8 Mrd. Euro jährlichem Beitragsvolumen für die gesetzlichen Krankenkassen. Das ist enorm viel Geld. Aber: War es richtig, dass die Reform des Jahres 2004 die KV-Beiträge auf Betriebsrenten von der Hälfte auf den vollen Satz steigerte, nur um das damalige Finanzloch zu stopfen? War es eines Rechtsstaates würdig, dass man viele Menschen, die Direktversicherungen mit Kapitalleistungen vor 2004 im Vertrauen darauf abgeschlossen hatten, dass die Einmalzahlung gemäß der damaligen Rechtslage beitragsfrei bliebe, anschließend teilweise enteignete? Die Betroffenen verloren damals ihr Vertrauen in langfristig gültige Politik und Herr Spahn will dieses Vertrauen wenigstens teilweise zurückgeben. Das halte ich für richtig.

Welche Chance geben Sie dem Vorschlag?

In Anbetracht eines Volumens von ca. 3 Mrd. Euro dann fehlender Krankenkassenbeiträge jährlich wird eine Umsetzung schwierig; die Kassen werden bis zum letzten Blutstropfen kämpfen, wie sie es bereits bisher taten. Dennoch hat die CDU eine Lösung auf ihrem Parteitag am 08.12.2018 beschlossen und auch ihre Koalitionspartner sind für eine Reform. Sollte sie in der Maximal-Lösung (Rückkehr zum halben Beitrag auf Betriebsrenten) nicht durchsetzbar sein, dürfte zumindest der von mir selbst gegenüber der Politik Ende 2017 ins Spiel gebrachte Kompromissweg der Umwandlung der eingangs genannten Freigrenze von 155,75 Euro in einen Freibetrag gute Chancen haben.

Die Reform könnte schon 2020 kommen. Jetzige Betriebsrentner würden rückwirkend vermutlich nicht einbezogen werden. Was meinen Sie dazu?

Eine Rückwirkung wäre aus Gerechtigkeits- und Vertrauensgründen wünschenswert, jedoch viel zu kostspielig; über 40 Mrd. Euro Erstattungen ließen sich nicht aufbringen. Da das BVerfG die seit 2004 vollzogenen Praktiken auch nicht beanstandet hat, sollten wir über die Vergangenheit den Mantel des Schweigens decken und an die Zukunft denken.

 
Ein Artikel von
Prof. Dr. Thomas Dommermuth