Interview mit Burkhard Brämer, Geschäftsführender Gesellschafter bei bauass Versicherungsmakler GmbH + Co. KG
Herr Brämer, bevor wir auf das Schadenereignis von Mittwoch zu sprechen kommen: bauass Versicherungsmakler hat sich auf die Absicherung von Bauunternehmen spezialisiert. Worin liegen denn die besonderen Herausforderungen bei der Risikoabsicherung von Bauunternehmen?
Grundsätzlich sehen wir zwei wesentliche Besonderheiten:
1. Frequenzschäden: Bauunternehmen – insbesondere im Straßen- und Tiefbau – verursachen, anders als in fast allen anderen Branchen, sehr regelmäßig Leitungsschäden. Ca. 85% der uns gemeldeten Haftpflichtschäden betreffen die Problematik der erdverlegten Versorgungsleitungen.
2. Das Spannungsfeld zwischen dem nicht versicherten, vertraglichen Erfüllungsversprechen des Bauunternehmers und einem versicherten Drittschaden ist regelmäßig schwierig zu definieren. Der Beratungsbedarf an dieser Stelle ist groß und spezielle Deckungskonzepte und Ideen können den üblichen Rahmen des Versicherbaren erweitern.
Welche Vorteile bietet ein konkretes Zielgruppenkonzept und inwiefern profitieren davon auch Versicherungsnehmer?
Jedes Bauunternehmen kennt spezielle Risiken und besondere Herausforderungen. Eine Gesamtlösung für den Versicherungsschutz kann nur dann optimal sein, wenn sie diese individuelle Ausgangssituation berücksichtigt. Genau dafür gibt es bauass. Wir konzentrieren uns seit unserer Gründung ausschließlich auf die Versicherung der Bauwirtschaft und ihrer Projekte. Jedes unserer Produkte ist maßgeschneidert und entspricht den spezifischen Herausforderungen des zu versichernden Unternehmens. So ist es – insbesondere in der Haftpflichtversicherung – unser Anliegen, das oben beschriebene Spannungsfeld aus vertraglichen Erfüllungsausschlüssen und berechtigten Haftpflichtansprüchen möglichst klein zu halten und zugunsten des Bauunternehmers die Deckung zu erweitern.
Am vergangenen Mittwoch beschädigten Baggerarbeiten ein wichtiges Glasfaserkabel der Telekom. Im Großraum Frankfurt herrschte für mehrere Stunden ein IT-Chaos. Unter anderem die Lufthansa war stark von Ausfällen betroffen. Wie häufig treten Schäden infolge von Bauarbeiten wie nun bei der Telekom im Raum Frankfurt überhaupt auf?
Etwa 100.000 Leitungsschäden sind in Deutschland jährlich zu regulieren. Die Entschädigungsleistung erreicht dabei etwa 500 Mio. Euro. Die Daten entstammen dem Bauschadensbericht der VHV Versicherung AG in Zusammenarbeit mit dem Institut für Bauforschung e.V.
Über welche Größenordnung des Schadens sprechen wir bei diesem Schadenereignis überhaupt?
Ohne Kenntnis der genauen Hintergründe würde ich hier zunächst davon ausgehen, dass das betroffene Glasfaserkabel repariert werden muss. Das kann – je nach Kabelquerschnitt – zwischen 500 Euro und einigen 10.000 Euro liegen. Ferner hat der Netzbetreiber möglicherweise Ansprüche aus einem Qualitätselementschaden. Das betrifft – verkürzt – Ansprüche der Bundesnetzagentur an die Netzbetreiber, die in einem Bonus-/Malus-System Vergütungen für die Qualität und Verfügbarkeit des Netzes erhalten. Das könnten durchaus ebenfalls fünfstellige Entschädigungen je Schaden sein, die ebenfalls Bestandteil der Deckung des Haftpflichtvertrages sind.
Können sich Bauunternehmen gegen solche Unfälle auf Baustellen überhaupt absichern und wenn ja, wie sehen solche Deckungskonzepte aus?
Dieses Schadenereignis – ein Leitungsschaden – sollte im Rahmen einer üblichen Betriebshaftpflichtversicherung gedeckt sein.
Umfassen diese Deckungskonzepte auch die enormen Folgeschäden, wie bspw. die Flugausfälle bei der Lufthansa am Drehkreuz Frankfurt?
Im deutschen Zivilrecht gibt es die allgemeine Anspruchsgrundlage des § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach rechtswidrige und zumindest fahrlässig verursachte Schäden ersetzt werden müssen. Von dieser Anspruchsgrundlage sind allerdings reine Vermögensschäden gerade nicht umfasst. Damit wird eine unübersichtliche Haftungsmöglichkeit – wie auch in diesem Szenario – nach der allgemeinen Haftungsnorm im Deliktsrecht verhindert.
Spannend könnte es werden, wenn der geschädigte Leitungsinhaber gleichzeitig auch Vermögensschäden aus entgangenem Gewinn geltend macht. In diesem Fall besteht ein Anspruch, der auch durch den Haftpflichtversicherer gedeckt ist. Die Ansprüche der Lufthansa gegen den Bauunternehmer dürften damit mutmaßlich ins Leere laufen, sofern die Lufthansa nicht auch Inhaber der beschädigten Leitung ist.
Und brauchen auch bestimmte Beschäftigte, wie in diesem Fall ein Baggerfahrer, speziellen Risikoschutz?
Nein – diese handeln im Namen und Auftrag ihres Arbeitgebers, der eine Haftpflichtversicherung vorhält.
Bild: © Wolfilser – stock.adobe.com
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