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18. Juni 2020
„Die Märkte sind wie ein Junkie“

„Die Märkte sind wie ein Junkie“

Lenny Fischer initiierte 2018 mit dem langjährigen Bild-Chefredakteur Kai Diekmann den „Der Zukunftsfonds“. In der Corona-Krise ging der ungewöhnliche Ansatz des Fonds voll auf. Fischer macht dafür im Gespräch mit AssCompact eine völlig neue Finanzwelt verantwortlich, in der alte Rechenmodelle wertlos sind. Geldanlage drehe sich heute vor allem um eines: Machtfragen.

Herr Fischer, Sie haben vor gut zwei Jahren zusammen mit Kai Diekmann den Zukunftsfonds ins Leben gerufen, um Menschen eine Alternative zum Sparbuch zu geben. War das Sparbuch in diesem Jahr aber nicht eine gute Wahl?

Für das erste Quartal 2020 mag das ja gelten. Das Sparbuch garantiert aber nicht mehr als den Erhalt des nominalen Geldbetrags. Bei einer Verzinsung von 0% haben Sparer in den letzten fünf Jahren real aber auch schon 6 oder 7% verloren. In einer Zeit, in der die Schulden explodieren und die Unsicherheit groß ist, ob die Schuldner ihr Geld zurückzahlen können, ist Cash nur auf den ersten Blick sicher. Auf den zweiten Blick ist es genauso risikobehaftet wie jede andere Anlageklasse.

Hat die massive zusätzliche Schuldenaufnahme wegen der Corona-Krise das Risiko des Geldes weiter erhöht?

Der Verschuldungsgrad der großen westlichen Länder steuert mit hoher Geschwindigkeit auf 300% des Bruttosozialprodukts zu. Als der legendäre Fed-Chef Paul Volcker 1979 das berühmt berüchtigte Saturday Night Massacre einläutete, betrug der Verschuldungsstand der amerikanischen Volkswirtschaft gerade einmal 110 bis 120%. Der Verschuldungsstand hat sich seither also nahezu verdreifacht. Eine Rückzahlung der Schulden ist heute in keinem auch nur annähernd normalen Zinsniveau mehr möglich.

Was hat das für Folgen?

Es gibt nur noch zwei Möglichkeiten. Die erste ist eine deflationäre Anpassung in Form einer großen Wirtschaftskrise mit vielen Pleiten von Unternehmen und Staaten. In diesem Fall würde Bargeld aufgewertet werden. In einer Marktwirtschaft hätten wir schon vor spätestens zehn Jahren einen deflatorischen Prozess gehabt. Und spätestens in diesem Frühjahr hätte das System kollabieren müssen. Wir leben aber in keiner Marktwirtschaft mehr. Die Rückzahlung bzw. Nichtrückzahlung von Schulden ist immer eine Machtfrage. Angesichts der überbordenden Schuldenberge geht es nur noch um Macht. Und die Macht liegt am Ende immer bei denen, die die Schulden haben. Allein der wichtigste Schuldner der Welt, die Vereinigten Staaten, würde niemals ein deflationäres Szenario zulassen.

Und die zweite Variante?

Die Alternative ist ein inflatorischer Prozess. Wie dieser genau aussehen wird und wann genau er gestartet wird, kann niemand sagen. Die letzten Wochen haben aber gezeigt, wie leicht Staaten einen Notstand ausrufen und dadurch sogar grundlegende Freiheitsrechte einschränken können. Warum sollte das also nicht auch für einen finanziellen Notstand gelten? Wenn diejenigen mit den Schulden die Macht haben, wäre ich als Gläubiger sehr vorsichtig. Und nichts anderes sind Inhaber von Bargeld. Die finanzielle Repression ist zudem für die Politik der angenehmere Weg und auch derjenige mit den geringen wirtschaft­lichen Kollateralschäden.

Was bedeuten diese neuen Rahmen­bedingungen für einen Investor bzw. Fondsmanager?

Alte Modelle wie Value at Risk funk­tionieren überhaupt nicht mehr. Geldanlage muss sich heute vor allem mit machtpolitischen Fragen beschäftigen. Ob Aktien nach klassischen Bewertungsmaßstäben völlig überteuert sind, ist mir mittlerweile komplett egal. Aktien sind in den vergangenen Jahren nicht wegen eines Kurs-Gewinn-Verhältnisses von A oder B gestiegen, sondern weil die finanzielle Repression gut für Unternehmen ist und weil alternative Anlageformen wie Anleihen an Attraktivität verloren haben.

Neben der politischen Machtkonzentration haben wir mittlerweile auch eine starke ökonomische Machtkonzentration. In vielen Branchen liegt die Macht in den Händen weniger Großunternehmen. Und diese kommen alle aus dem amerikanischen Raum. Amazon, Apple, Google, Facebook oder Microsoft haben Monopole oder zumindest Oligopole in ihren Bereichen. Wir leben somit in einer völlig neuen Welt, in der wir alles, was wir über Ordnungspolitik, Ökonomie und Marktwirtschaft gelernt haben, vergessen können.

Wie wollen Sie das Geld der Kunden in diesen Zeiten absichern?

Durch klare Anlageprinzipien. In einer Welt von 0% Zinsen kann das bestehende Fondsgeschäft nicht mehr funktionieren. Die Vertriebs- und Verwaltungskosten sind so exorbitant hoch, dass es mathematisch völlig unmöglich ist, dass sie sich für Kunden lohnen. Aus diesem Grund verzichten wir beim Zukunftsfonds komplett auf einen Ausgabeaufschlag und die laufenden Kosten liegen unter 1%. Das wichtigste Element unseres modernen Risikomanagements sind diese niedrigen Kosten.

In welchen Anlageklassen ist der Fonds aktuell investiert?

Breit gestreut in Aktien, Gold und aktuell eine relativ hohe Kasseposition von 25%. Ich war nie ein Fan von Gold, aber inzwischen hat es seine Berechtigung. Insgesamt legen wir sehr viel Wert auf hohe Qualität. Bei Anleihen investieren wir ausschließlich in einige mit der Hand ausgesuchte Einzeltitel mit kurzer Laufzeit. Fonds wären bei Anleihen wie gepanschter Wein – man weiß überhaupt nicht mehr, was drin ist. Die Gefahr des Etikettenschwindels ist groß.

Sie sind mit ihrem Ansatz als einer der wenigen Fonds gut durch die Corona-Krise gekommen. Wie war das möglich?

Wir benutzen wie gesagt keine klassischen Modelle des Risikomanagements mehr, weil sie in der heutigen Zeit der hochmanipulierten Märkte nicht mehr funktionieren. Wenn heute der Markt extrem volatil ist, wie in den ersten drei März-Wochen, nimmt die Volatilität nicht immer stärker zu, sondern verschwindet auf einmal.

Warum funktioniert der alte Marktmechanismus nicht mehr?

Weil plötzlich ein Dritter massiv in den Markt eingreift und unbegrenzt Volatilität zur Verfügung stellt: die Zentralbank. Dadurch funktionieren die ganzen alten Rechenmodelle nicht mehr. Wir gehen von dem Gegenteil aus. Mit jedem Tag der niedrigen Volatilität steigt die Gefahr des nächsten Anpassungsschocks. Sobald die Volatilität steigt, erwarten wir jeden Tag das Gegenteil davon, weil dann die Wahrscheinlichkeit eines manipulativen Eingriffs steigt. Die Märkte sind wie ein Junkie. Solange er seine Drogen bekommt, scheint alles in Ordnung. Sobald die Droge aber auch nur eine Stunde zu spät kommt, dreht er durch. Diese Phase endet aber sofort wieder, sobald der Drogendealer EZB wieder neuen Stoff bringt.

Funktioniert dadurch auch die klassische Aufteilung und Verschiebung zwischen Aktien und Renten nicht mehr?

Durch den Nullzins sind mittlerweile alle Asset-Klassen positiv miteinander korreliert. Sie steigen alle zusammen und sie kollabieren alle zusammen. Das hat man im März eindrucksvoll gesehen. Entsprechend muss man auch das Risikomanagement heute anders angehen als früher. Wir reduzieren die Risiken nicht durch eine Verschiebung von Aktien zu Renten, sondern sichern das Gesamtportfolio ab, wenn wir mit steigenden Risiken rechnen, und nehmen das Risiko insgesamt zurück, wenn wir von einer Entspannung ausgehen.

Welche Renditen sind unter solchen Bedingungen für einen konservativen Mischfonds wie den Zukunftsfonds realistisch?

In den nächsten Jahren wird es nicht darum gehen, Gewinne einzufahren, sondern Vermögen zu erhalten. 2 bis 4% Rendite nach Kosten sind das Ziel. Der Fonds richtet sich an alle, die sich nicht selbst um die Geldanlage kümmern, ihr Geld aber schützen wollen. Wer maximalen Ertrag will, sollte einen Aktienfonds wählen. Wir investieren konservativ über alle Anlageklassen hinweg.

Gibt es zusätzliche Mechanismen, um Risiken zu minimieren?

Als zusätzliche Absicherung entscheidet unser Anlageausschuss immer einstimmig. Dadurch wird man zwar nie das ganz große Ding machen. Das wollen wir bei dem Fonds aber auch nicht. Einstimmigkeit verhindert aber auch die ganz großen Fehler. Und wie in der Wirtschaft gilt auch beim Fondsmanagement: Die meisten Manager haben Erfolg, weil sie weniger Fehler machen, nicht weil sie besonders begabt sind oder das nächste große Ding entdecken. Die Welt ist nicht so, dass jeden Tag große Innovationen stattfinden, die das große Rad neu erfinden.

Bild: © ibreakstock– stock.adobe.com

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 06/2020 auf Seite 64f. und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Lenny Fischer