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1. Juli 2020
„Die meisten InsurTechs gehen als Gewinner aus der Krise hervor“

„Die meisten InsurTechs gehen als Gewinner aus der Krise hervor“

wefox gilt als Vorzeige-InsurTech, sieht sich als Gewinner in der Corona-Krise und arbeitet an der Entwicklung einer Tracing-App mit. Das Unternehmen kündigt ein neues Versicherungsprodukt an, das beispielhaft für die Transformation der Versicherungsindustrie stehen soll. Die Dienste für Makler tragen zudem Früchte, so Julian Teicke, CEO der wefox Group, im Interview.

Herr Teicke, staatliche Hilfspakete anstelle von Investorengeldern: Hat die Corona-Krise Start-ups kalt erwischt?

Das kommt ganz auf die Branche an. Reise- und Tourismus-Start-ups haben es aktuell schwerer als etwa Software-as-a-Service-Unternehmen. Entscheidend ist jedoch der Fakt, dass die Corona-Krise nicht zwischen Start-ups, Mittelstand oder Konzernen unterscheidet. Hilfspakete gibt es für alle. Wir können nur hoffen, dass der Staat durch Hilfestellungen betroffenen Unternehmen ihre Existenz sichert und Menschen nach und nach wieder zum Konsum anregen kann. Finanzielle Unterstützung reicht allerdings nicht aus. Technologie ist der Schlüssel aus der Krise. Gerade die digitale Expertise junger Unternehmen und Start-ups selbst muss zu einer tragenden Säule der Wirtschaftsförderung werden. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, werden effiziente Lösungswege gefunden. Aus diesem Grund haben wir die Initiative GesundZusammen gegründet.

Was bedeutet das für den Markt der InsurTechs?

Die meisten InsurTechs gehen mit Blick auf die Versicherungswirtschaft als Gewinner aus der Krise hervor. Darüber freuen wir uns sehr. Als wir vor fünf Jahren die wefox Gruppe gegründet haben, wussten wir, dass sich die Versicherungsbranche radikal an das digitale Zeitalter anpassen muss. Die Corona-Krise sorgt nicht nur für ein Umdenken bei den alten Versicherern, sondern auch zu einem Umdenken bei den Verbrauchern. Offline-Maklerbüros werden auch nach der Krise sicherlich ihre Schwierigkeiten haben, wenn sie die Transformation jetzt verpassen. Aus dieser Not heraus haben wir mit wefox Go ein kostenloses Kommunikationstool für Makler entwickelt, damit sie auch weiterhin mit ihren Kunden in Kontakt bleiben können.

Die wefox Group ist zum Unicorn aufgestiegen. Wie gut fühlen Sie sich in der Krise aufgestellt?

Wir sind sehr gut aufgestellt, um aus der Corona-Krise gestärkt herauszugehen. 2019 war für uns alle ein sehr erfolgreiches Jahr und wir sind sehr stolz darauf, unser gesundes Wachstum trotz der Krise 2020 fortzuführen. In den letzten zwei Monaten haben wir bei unseren Tochtergesellschaften trotz Krise unsere Kunden- und Umsatzzahlen gesteigert. Alleine bei wefox haben wir im letzten Quartal sogar einen monatlichen Umsatzanstieg von 1 Mio. Euro verzeichnet.

Ist für Sie weitere Internationalisierung ein Thema?

Wir haben unsere Strukturen und das gesamte Team darauf ausgerichtet, um unser Geschäft global zu skalieren. Deswegen konzentrieren wir uns auch trotz Krise weiterhin auf Wachstum und Expansion ins Ausland. Die Corona-Krise zeigt uns, dass in vielen Branchen, wie auch in unserer, die Nachfrage nach technologiebasierten Lösungen hoch ist. Wir sind gut aufgestellt, um die Nachfrage weltweit zu bedienen.

Plattformökonomie ist ganz sicher das große Thema der Branche. Wie weit ist hier die Branche?

Die Versicherungsindustrie befindet sich im fortgeschrittenen Stadium der Plattformökonomie: in der Transformationsphase. Die Corona-Pandemie zwingt nun besonders auch die alten Offline-Player zur digitalen Transformation, die auch neue Vertriebswege erfordern. wefox wurde von Beginn an als Plattform für unabhängige Akteure geschaffen und ist dadurch auch für die Zukunft gewappnet. In der Versicherungsbranche führen wir die Entwicklung der Plattformökonomie an.

Was sind die spannendsten Themen, die Sie hier beschäftigen?

Die spannendste Entwicklung derzeit ist sicherlich die API-Economy. Digitale Schnittstellen werden die Versicherungsindustrie schon bald völlig umkrempeln, da bin ich mir sicher. Um die Zukunft mitzugestalten, gehen wir schon bald mit einem neuen Produkt an den Markt, mit dem wir Versicherer und Unternehmen über eine neue Plattform mit Schnittstellen unabhängig miteinander interagieren lassen. Die dadurch entstehende Produktvielfalt ist einzigartig. Der Marktstart ist Mitte dieses Jahres.

Konkret auf Ihr Angebot für Versicherungsmakler bezogen: Welche Schwerpunkte gibt es hier?

Wir bieten Maklern ganz klar drei Vorteile: Digitalisierung, Effizienz und Ertragssteigerung. Die meisten unserer Makler verdoppelten im ersten Jahr ihre Umsätze. Sie können sich bei uns voll und ganz auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, während sie administrative Arbeiten uns überlassen. Verwaltet wird alles über digitale Tools. Die gleichen Vorteile bieten wir übrigens auch ihren Kunden.

Bei Dienstleistern und Pools herrscht Bewegung. Ist das alles nachvollziehbar?

Das ist eine ganz natürliche Entwicklung. Deshalb werden in den nächsten drei bis fünf Jahren auch viele „Infrastrukturdienstleister“ in den Markt strömen. Die gesamte Branche wird früher oder später erkennen, dass gesundes Wachstum nur durch gesunde Kooperationen möglich ist. Sobald der Markt heranreift, ist mit einer Konsolidierung dieser Anbieter zu rechnen. Nur Unternehmen, die es verstehen, in Ökosystemen zu denken, werden überleben. Die Versicherungswirtschaft und ihr Geschäftsmodell werden sich zu einem Insurance-as-a-Service-Modell entwickeln. Versicherungen sind folglich kein Produkt mehr, sondern Dienstleistungen, die wie in einem Abonnement funktionieren. Sie begleiten den Menschen, passen sich seinen Risiken an und können nach Belieben zu- und abbestellt werden.

Sind für Sie selbst Zukäufe oder auch Kooperationen ein Thema?

Zukäufe und organisches Wachstum bleiben weiterhin wichtige Bausteine unserer Unternehmensstrategie. Kooperationen zwischen Organisationen ziehen immer Früchte und sind für uns besonders interessant, wenn wir beispielsweise in neue Ländermärkte expandieren. Zukäufe an sich kommen nur infrage, wenn sie für uns wirklich von besonderem strategischem Interesse sind.

Mit Blick auf die Kunden: Hat die Versicherungswirtschaft mittlerweile verstanden, was der Kunde will?

Ein gewisser Aha-Effekt ist schon da, im Großen und Ganzen hält die Versicherungsindustrie allerdings immer noch an alten Denk- und Verhaltensmustern fest. Die Produktentwicklung orientiert sich bei vielen Versicherern immer noch stark an der Eigenwahrnehmung bzw. der eigenen Unternehmensentwicklung. Stattdessen muss man Produkte stets am Kunden bauen. Das setzt voraus, im Detail zu verstehen, was der Verbraucher überhaupt braucht und möchte. Das funktioniert allerdings nur durch den Einsatz moderner Technologie wie etwa Big-Data-Algorithmen oder künstlicher Intelligenz, die auch dynamische Daten, um im Wortlaut unseres ONE CEOs Olli Lang zu bleiben, auswerten und einordnen können. Echtzeitdaten ermöglichen Echtzeitprodukte, aber auch Echtzeitabschlüsse. Gerade das wollen Verbraucher und Makler im Jahr 2020. Die etablierte Versicherungswirtschaft kann die Leute aber auch einfach nur mal fragen. Die Integrierung von Schnittstellen bzw. APIs wird diese Verbraucherinteraktion noch präziser machen.

wefox wollte mit der GesundZusammen-App, anfangs von Ihnen kurz angedeutet, eine Rolle in der Corona-Pandemie einnehmen. Warum ist das ein Thema für Sie?

Unser Unternehmensmotto lautet seit jeher „Enable People to be safe“. Jede Entscheidung, die wir treffen, wird von diesem höheren Ziel abgeleitet. Für uns war es nur logisch, unsere technologische Infrastruktur und IT gegen Corona und für unsere Mitmenschen einzusetzen. Das funktioniert allerdings nur in der Kooperation mit anderen Organisationen und besonders mit Einbeziehung der Bundesregierung. Nach Gründung der GesundZusammen-Initiative, an der sich viele erfolgreiche Start-ups aus Deutschland beteiligen, arbeiten wir nun gemeinsam mit SAP und T-Systems an einer Tracing-App. Wir sind stolz darauf, dass mit unserer Initiative erstmals so viele deutsche Tech-Player an einem Strang ziehen und gemeinsam erstklassige Produkte herstellen. GesundZusammen steht heute repräsentativ für das Deutsche Tech-Ökosystem und ist hoffentlich auch ein Impulsgeber für ein Zusammenrücken der Tech-Unternehmen in ganz Europa. Rückblickend kann ich nur sagen: alles richtig gemacht.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 06/2020 und in unserem ePaper.