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26. Oktober 2025
„Die Standardisierung des Geschäfts ist nicht im Kundeninteresse“
„Die Standardisierung des Geschäfts ist nicht im Kundeninteresse“

„Die Standardisierung des Geschäfts ist nicht im Kundeninteresse“

Die Helmsauer Gruppe macht als Maklerhaus immer wieder mit Zukäufen anderer Makler auf sich aufmerksam. Doch Bernd Helmsauer zeigt sich noch in vielen weiteren Bereichen engagiert. Im Interview mit AssCompact wird deutlich, wie er zu Themen wie Digitalisierung und KI, der Beziehung Versicherer – Makler sowie dem Image des Maklers in der Gesellschaft steht.

Interview mit Bernd Helmsauer, Vorstand der Helmsauer Gruppe
Herr Helmsauer, sprechen wir zunächst über Ihr Unternehmen. Sie sind und bleiben eine inhabergeführte Unternehmensgruppe, die darüber hinaus selbst noch zukauft. Damit spielen Sie im Markt der Konsolidierer eine eigene Rolle. Wie würden Sie diese definieren?

Wir verstehen uns als familiärer Maklerpartner, weil die Integration von neuen Maklerfirmen in aller Regel mit einer unbefristeten Standort- und Arbeitsplatzgarantie für die Kolleginnen und Kollegen beim neuen Maklerpartner verbunden ist. Des Weiteren sind wir sehr stolz darauf, dass mit Ausnahme der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, die in den Ruhestand gegangen sind, bei den integrierten Maklerunternehmungen alle Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer dieser Unternehmen noch „an Bord“ sind und mit uns zusammen die Unternehmen weiterentwickeln.

Eine Besonderheit ist, dass wir bei uns in der Unternehmensgruppe nur ein Sechstel der Fluktuation unserer Branche aufweisen, und das zeigt einfach, dass wir eben familiär, nachhaltig und tief verbunden mit unseren Kolleginnen und Kollegen agieren.

Wie wird es in Sachen Zukäufe im kommenden Jahr bei Ihnen weitergehen? Welche Pläne gibt es?

Wir haben zwischenzeitlich 36 Maklerunternehmen in unsere Gruppe integriert und sind weiter an neuen Kolleginnen und Kollegen aus der Maklerschaft interessiert. Derzeit führen wir mit etwas über 40 Eigentümerinnen und Eigentümern von Maklerunternehmungen entsprechende Gespräche.

Und wo sehen Sie die Zukunft des klassischen Maklerhauses insgesamt, was Konsolidierung angeht? Wird es das kleine, inhabergeführte Maklerhaus immer seltener geben? Oder erzeugt nicht jeder Trend auch einen Gegentrend?

Hier wird es zukünftig verschiedene Ausprägungen im Maklermarkt geben – vom Umsatz oder der Belegschaftsgröße her. Kleinere Makler­unternehmungen werden sich entweder Konsolidierern anschließen oder über Pools ihr Glück ver­suchen. Viele Makler leiden unter einer immer schlechteren Betreuungs­performance der Versicherer und erhalten in einer Vielzahl von Fällen keine, verspätete oder unvollständige Antworten von Versicherern auf ihre Anfragen. Auch der Bereich der Schadenregulierung hat mittlerweile dramatische Ausmaße angenommen – eine ständig steigende Zahl von Schadenregulierungen erfolgt durch die Versicherer nicht entsprechend dem vereinbarten Bedingungswerk und häufig massiv verspätet. Versicherungsmakler leiden massiv unter der hohen Kundenunzufriedenheit und müssen diese kompensieren, obwohl die Ursache bei den Versicherungsgesellschaften liegt. Mittelständische Makler haben als selbstständige Versicherungsmakler sicherlich auch in Zukunft ihre eigene Daseinsberechtigung, und hier ist es mehr eine strategische Frage, ob man weiter überdurchschnittlich wachsen möchte, was in Zusammenarbeit mit einem Maklerpartner natürlich einfacher zu realisieren wäre.

ServiceValue hat zusammen mit FOCUS MONEY ausgewertet, wie Finanzdienstleister im Kunden­urteil mit ihren Betreuungsange­boten abschneiden. Sie haben dabei die Auszeichnung „Beste Kunden-/Finanzbetreuung“ unter den Maklerunternehmen bekommen. Woher rührt der Erfolg?

Tatsächlich verfügt unsere Gruppe über eine ganze Vielzahl von Auszeichnungen neben der von Ihnen erwähnten. So haben wir auch den 1. Platz für die „Höchste Kundenzufriedenheit“ sowie den 1. Platz als „Beratungs-Champion“ und den 1. Platz als „Digitaler Makler“ erhalten.

Darauf bin ich besonders stolz, weil dies ja das Ergebnis einer Mannschaftsleistung ist. Als Inhaber können Sie sich solche Ziele gerne setzen, aber am Ende ist das nur zusammen mit einem überdurchschnittlich qualifizierten und engagierten Mitarbeiterteam zu leisten. Qualität, Zuverlässigkeit und insbesondere auch persönlicher Service spielen gerade in einer immer digitaleren Welt eine immer wichtigere Rolle.

Welchen Stellenwert haben für Sie persönlich denn Digitalisierung und KI im Arbeitsalltag?

Digitalisierung und Digitalität – was man grundsätzlich nicht verwechseln sollte – sind entscheidende Merkmale, um vernünftige Kostenstrukturen aufzuweisen und gute Deckungsbeiträge zu erzielen. Insofern bin ich ein Freund von digitalen Prozessen.

Bezüglich der KI sehen wir gerade am Beispiel der Versicherer, welch negative Folgen der Einsatz von KI-Instrumenten hat, wenn er nicht hochprofessionell vorbereitet und IT-technisch perfekt eingebettet stattfindet. Derzeit setzen die Versicherer KI – ich muss schon sagen – „gegen“ uns und unsere Kunden ein, weil das, was die KI derzeit auf Versichererseite produziert, sehr häufig eine unvorstellbare Minderleistung darstellt. Im Prinzip sind unsere Kunden und wir Makler das Testfeld für die Entwicklung der KI in der Versicherungswirtschaft, wobei ich vielen Programmierungen und Programmen auf Versichererseite überhaupt schon die Zugehörigkeit zur KI abspreche, weil KI im engeren Sinne der Definition eine selbstlernende Softwarelösung erfordert, und die Lernprozesse kann ich derzeit auf Versichererseite nicht feststellen.

Besonders kritisch ist auch, dass der sicherlich weiterhin zunehmende Einsatz von KI in mannigfaltiger Hinsicht völlig dereguliert stattfindet und sich auch (ähnlich wie bei den sozialen Medien) in vielen Ausprägungen kritisch und bedrohlich entwickeln wird. Wir kommen aber alle nicht umhin, KI einzusetzen, müssen aber erst KI-Anwendungen schaffen, die wir unseren Kunden zumuten können.

In Diskussionen, an denen Sie teilnehmen, geht es oft um Fachkräfte­mangel im Zusammenhang mit dem Berufsbild „Makler“ und dem Image der Branche insgesamt. Wo sehen Sie die größten Hürden und auch Demotivatoren aus Sicht junger Leute, sich in der Branche zu bewerben?

Hier habe ich den Eindruck, dass unsere Branche besonders stark unter dem Fachkräftemangel leidet. Dies hängt damit zusammen, dass der Versicherungsvermittler im Sozialranking der Berufe regelmäßig mit Immobilien- oder Finanzanlagemaklern um den letzten Platz in dieser Werte-Aufzählung „streitet“ und nicht nachvollziehbarerweise ist das Image unseres Berufes in der Gesamtheit negativ belastet, während bei der Frage nach der Zufriedenheit mit dem einzelnen Betreuer überdurchschnittlich gute Werte erzielt werden.

Fast niemand kennt junge Menschen, die heute noch den Beruf Versicherungskaufmann oder -kauffrau erlernen wollen und am Ende behelfen wir uns mehr und mehr mit Bewerberinnen und Bewerbern, die branchenfremd sind. Aufgrund der exzellenten Leistungen unserer Akademie sind wir in der Lage, diese schnell und zügig zu qualifizieren, und Voraussetzung für die Mitarbeit in unserem Team ist auch die Bereitschaft, zumindest den Versicherungsfachmann bzw. die Versicherungsfachfrau erfolgreich zu absolvieren. Ich selbst bin als Nicht-Akademiker ein Freund der Akademisierung unseres Berufsstandes, weil wir damit Zugang zu anderen, zusätzlichen Bewerber­kreisen bekommen.

Und was sind aus Ihrer Sicht die Hauptaspekte, mit denen man den Maklerberuf und die Branche sofort oder langfristig attraktiver für junge Talente machen könnte?

Wie bereits ausgeführt, bin ich felsenfest überzeugt, dass die Akademisierung unserer Ausbildung zu mehr Interesse an unserem Beruf führen wird. Die Akademisierung führt auch zu einem höheren Einkommen im Innen- und Außendienst und bietet gleichzeitig faszinierende Weiterentwicklungschancen. Wir alle in der Maklerschaft müssen auf Schulen und Universitäten mit Kooperationsmodellen zu­gehen, in denen wir Praktika und „Schnuppertage“ etc. anbieten. Am Ende geht es darum, frühzeitig Kontakt zu jungen Menschen zu entwickeln, die dann die faszinierenden Ausprägungen unseres Berufs erfahren können.

Wird der Wert „unabhängige Beratung durch einen Makler“ in der Gesellschaft bzw. Politik überhaupt noch wertgeschätzt? Oder dominiert nicht stattdessen das Prinzip „Hauptsache billig, schnell und standardisiert“?

Wir erleben nahezu tagtäglich allerhöchste Wertschätzung durch unsere Kundinnen und Kunden und insofern mache ich mir um diesen Aspekt keine Sorgen. Der große Teil der Politiker sieht in unserem Berufsstand allerdings nur den Abschlussvermittler und verkennt die nackte Realität, dass wir tagtäglich mehr Zeit in die Betreuung der Kunden und den Austausch mit den Versicherern als in den Abschluss von Ver­sicherungsverträgen investieren.

Die Standardisierung des Geschäfts ist nicht im Kunden­interesse, sondern ausschließlich von den Versicherern getrieben, weil nur langweilige Standard­produkte ohne jegliche Abänderung billig und schnell „dunkel“ verarbeitet werden können. Die Versicherer bieten damit genau das Gegenteil von dem, was der Kunde wünscht. Preissensible Privat­kunden kann man sicherlich so bedienen, aber die Versicherer werden feststellen, dass sie in der Regel nie – geschweige denn dauerhaft – eine Preisführerschaft im digitalen Markt generieren können. Anspruchsvolle Privatkunden, Gewerbetreibende, Firmen und freie Berufe wollen die indi­viduelle Beratung und die individuellen Produkte.

Ein Stück weit fehlt es aber an einer Kampagne für unab­hängige Beratung durch einen Makler. Wer sollte dies in Angriff nehmen?

Hier sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Wir im Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute denken gerade über eine Kampagne für unseren Berufsstand nach und ich bin überzeugt, dass es unter anderem auch Aufgabe der Verbände ist, den Makler als positiven Marktteilnehmer bzw. Berater zu präsentieren.

Nun hört man aus einigen Rich­tungen, dass es Risiken gibt, die nur (noch) sehr schwer absicherbar sind. Wie reagieren Sie auf solche Aussagen und verliert die Versicherungsbranche dadurch nicht sukzessive an Bedeutung für die Gesellschaft?

Tatsächlich benennen die Versicherer in einer geradezu auffälligen Übereinstimmung Jahr für Jahr neue Branchen, die sie insbesondere im Feuer-Industrie- oder im Elementarversicherungs- bereich nicht mehr versichern wollen.

Ein Vorstandsvorsitzender eines Versicherungskonzerns wollte mit mir ernsthaft eine Diskussion da­rüber führen, dass sich z. B. Galvanik-Betriebe in ihrem „Feuer-Buch“ untereinander selbst amortisieren und rentieren müssten, was natürlich völlig dem Versicherungsgedanken und dem Risikokollektiv widerspricht.

Es ist die Pflicht und Aufgabe der Versicherungskonzerne, allen seriösen Berufen, Branchen und Risiken Versicherungsschutz zu bieten, da gerade im Feuer-Industrie-Bereich und hier wiederum gerade in dem die Bundesrepublik Deutschland tragenden Mittelstand eine eigene Risikotragung überhaupt nicht zugemutet werden kann. Es ist ja auch allgemein bekannt, dass zwischenzeitlich Versicherungs­gesellschaften auf Landes- oder Bundesebene schon einmal von der Politik zu Gesprächen eingeladen werden, in denen sie an ihre Aufgabe im Versicherungsmarkt dezent erinnert werden. Rosinenpickerei bei Risiken führt mittelfristig zu desaströsen betriebswirtschaftlichen Auswirkungen bei den Kunden­unter­nehmen und ich habe bestes Verständnis dafür, dass risikogefährdete Objekte z. B. im Brandschutz auch ausreichend abgesichert werden müssen, aber das generelle Ablehnen von ganzen Branchen und unabhängig vom Brandschutz ist völlig inakzeptabel.

Aufgrund der Größenordnung unserer Gruppe kann ich allerdings auch berichten, dass wir in den letzten drei Jahren kein einziges Risiko, welches wir tatsächlich platzieren wollten, am deutschen Markt nicht platziert haben. Es kann aber nicht sein, dass dieses Privileg wenigen Großmaklern zur Verfügung steht und die Masse der Kunden, die wiederum von der Vielzahl der Maklerinnen und Makler in Deutschland betreut werden, nicht in den „Genuss“ dieser politischen Situation kommen, weil sie eben nicht über eine entsprechende Macht gegenüber den Versicherungskonzernen verfügen.

Was würden Sie sich als Makler von den Versicherern denn am dringendsten wünschen?

Wichtigste Aufgabe der Versicherer ist, die Belegschaften wieder zurück ins Büro zu holen. Das Home-Office hat gerade in der Versicherungswirtschaft zu den negativsten Folgen in Bezug auf Erreichbarkeit und Zuverlässigkeit der Ansprechpartner auf Versichererseite geführt. An schönen Tagen existiert ab mittags die deutsche Versichererlandschaft nicht mehr, weil die Masse der Belegschaft sich mit den Kindern im Freibad befindet, und dann erreicht man eben keine Ansprechpartner mehr. Insgesamt ist die Produktivität aufseiten der Versicherer aufgrund des Home-Office rückläufig, wobei es eine ganze Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Versichererseite gibt, die intrinsisch motiviert und hochengagiert und bis an die Belastungsgrenze arbeiten. Die Versicherungswirtschaft hat nach der IT-Branche und noch vor dem Marketing die zweithöchste Home-­Office-Quote in Deutschland und das lässt sich mit einem Unternehmenszweck, der persönliche Dienstleistungen gegenüber Endkunden verspricht, schlicht nicht vereinbaren.

Im Bereich der Schadenregulierung ist mein Wunsch, dass die Versicherer innerhalb der vertraglich vereinbarten Fristen eine zutreffende und nach den Bedingungen vollständige und korrekte Schadenregulierung durchführen. Die momentanen Schadenbearbeitungszeiten sind nicht selten unerträglich lang. Verbunden ist das Ganze mit der stereotyp wiederkehrenden Anforderung von Unterlagen, die teilweise mehrfach schon zur Verfügung gestellt wurden. Die linke Hand weiß nicht mehr, was die rechte tut, und durch die entpersonalisierte Schadenbearbeitung leiden Kunden und Vermittler unabhängig von ihrem Vermittlerstatus.

Enden wir ganz allgemein mit der Frage: Wie zukunftssicher ist die Versicherungsbranche aus Ihrer Sicht?

Zwei meiner fünf Kinder sind bei mir im Unternehmen in leitenden Funktionen engagiert und allein die Tatsache, dass ich mich tatsächlich jeden Tag darüber freue, dass wir eine dritte Generation an Bord haben und dass ich meine Kinder gerne in die Firmengruppe aufgenommen habe, zeigt doch, wie überzeugt ich von der Zukunft unseres Berufsstandes als Versicherungsvermittler bin.

Wir müssen uns nur als Versicherungsmakler stärker solidarisieren, z. B. in einer Verbandsmitgliedschaft, um unsere berechtigten Interessen noch nachhaltiger zu platzieren und durchzusetzen.

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Ein Interview mit
Bernd Helmsauer