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6. September 2022
„Eine Stärke von Swiss Life liegt darin, dass wir uns fokussieren“

„Eine Stärke von Swiss Life liegt darin, dass wir uns fokussieren“

Swiss Life Deutschland hat bereits vor einigen Jahren ihren Weg gefunden, der auch im neuen Strategieprogramm weiter gegangen wird. AssCompact war zu Besuch bei CEO Jörg Arnold in München und hat mit ihm über dauerhafte und neue Herausforderungen gesprochen.

Interview mit Jörg Arnold, CEO von Swiss Life Deutschland
Herr Arnold, seit fünf Jahren sind Sie CEO von Swiss Life Deutschland. Niedrigzinsen gab es damals schon, viele andere Herausforderungen noch nicht. Wie blicken Sie auf diese Jahre?

Als ich vor fünf Jahren kam, war Swiss Life schon auf gutem Kurs. Die Maxime war nicht, viel zu verändern, sondern den Kurs weiterzugehen. Das hat sich bestätigt. Dem konnte auch Corona nichts anhaben, wir erzielten zwei Rekordjahre in Folge. Die Nachfrage in unseren Schwerpunktfeldern – biometrische und fondsbasierte Produkte – hat sich weiterentwickelt und unser Produktangebot wird gut angenommen. Kürzlich haben wir in der Versicherung die Eine-Million-Kunden-Schwelle überschritten.

Andere Versicherer sind angesichts der aus den Niedrigzinsen resultierenden Probleme dazu übergegangen, in Komposit oder andere Strategiebereiche zu wechseln. War das für Swiss Life überhaupt kein Thema?

Nein, das ist für uns tatsächlich kein Thema. Die Swiss Life Gruppe ist im Lebensversicherungsbereich, im Asset-Management und in der Finanzberatung tätig. Das ist unsere DNA und unsere Kernkompetenz. Eine Stärke von Swiss Life liegt darin, dass wir uns fokussieren.

Insofern dürften Sie sich freuen, dass die Zinsen steigen, oder?

Steigende Zinsen tun der Lebensversicherungswirtschaft grundsätzlich gut und stabilisieren das Angebot. Sie sind aber auch eine Herausforderung, wenn sie zu schnell ansteigen.

Aktuell beschäftigen externe Run-offs mal wieder die Gemüter. Wie stehen Sie dazu?

Jeder Versicherer muss selbst wissen, welchen Weg er beschreitet. Wir haben den Anspruch, dass wir das Versprechen unseren Kunden gegenüber halten. Wir glauben auch, dass wir das Bestandsmanagement gut beherrschen – und nicht daran, dass ein Externer das besser kann als wir. Insofern ist dieses Thema bei uns nicht auf der Tagesordnung.

Auch andere Herausforderungen dürften Ihre Strategie beeinflussen. Corona-Pandemie, der Krieg gegen die Ukraine mit seinen Folgen, Inflation, Konjunktur sind noch junge Themen.

Wir haben im November unser aktuelles Strategieprogramm aufgelegt. Einige der genannten Punkte waren da noch nicht absehbar, das stimmt. Aber die Strategie basiert auf verschiedenen großen Säulen, zum Beispiel dem Produktangebot. Wir sind besonders stark im Bereich der Millennials. Knapp 80% des Neugeschäfts kommen aus der Altersgruppe von 18 bis 39 Jahren. Es gilt daher, das Produktangebot weiterzuentwickeln und insbesondere noch mehr das Thema Nachhaltigkeit aufzugreifen.

Ein zweites wichtiges Thema ist, die Konnektivität zwischen dem Versicherer und den Maklerinnen und Maklern sowie den Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartnern sicherzustellen. Auch das ist ein Dauerthema und unabhängig von den Ereignissen.

Bei Letzterem geht es vermutlich vor allem um Prozesse?

Genau. Es geht um die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten. Wir versuchen natürlich möglichst viel zu digitalisieren, damit wir eine entsprechende Schnelligkeit bekommen. Ein Beispiel: Maklerinnen und Makler können uns schon heute bei biometrischen Produkten Anträge komplett digital zur Verfügung stellen. Da sind wir einer der ersten Versicherer im Markt, die das anbieten.

Trotzdem ist die Situation anders, als wir sie uns für das Jahr 2022 vorgestellt haben. Der Krieg in der Ukraine ist absolut verurteilenswert. Mit den ökonomischen Konsequenzen müssen wir jetzt umgehen. Die Inflation, die uns auf der Kostenseite trifft, oder steigende Zinsen – all das sind Dinge, die neben der Strategie ebenfalls in unsere Entscheidungen einfließen müssen.

Sehen Sie bei Inflationsraten um die 7% Schwierigkeiten auf die Lebensversicherung zukommen?

Die Lebensversicherung ist als langfristiges Geschäft konzipiert. Insofern muss der Kunde sich damit befassen, was langfristig aus dem Geld wird. Swiss Life hat frühzeitig angefangen, aktienorientierte Produkte auf den Markt zu bringen, die sich ein Stück weit von der Zinsentwicklung entkoppeln. Die klassischen Angebote, die sehr stark auf einem Zins aufbauen, sind bei uns im Produktangebot so nicht mehr vorhanden.

Eine Inflation von 7% ist ein Inflationswert im Hier und Jetzt. Da muss man abwarten, wie er sich weiterentwickeln wird. Entsprechend muss man Kundinnen und Kunden davor bewahren, ihre langfristig getroffenen Entscheidungen spontan umzusteuern. Das kann auch Gefahren mit sich bringen. Die Beratung ist jetzt umso wichtiger.

Sie haben das Thema Nachhaltigkeit angesprochen. Die Produktwelt der Swiss Life haben wir noch nicht als so grün wahrgenommen. Stimmt diese Wahrnehmung?

Nein, Nachhaltigkeit ist uns wichtig. In der fondsgebundenen Produktwelt haben wir mit „Investo Green“ ein nachhaltiges Fonds­angebot geschaffen. Das Neugeschäft entwickelt sich gut. Natürlich müssen die Kundinnen und Kunden diese Art von Angeboten auch erst kennenlernen. Niemand wacht morgens auf und denkt sich, heute schließe ich eine nachhaltige Altersvorsorge ab. Aber wir sehen, dass das Interesse und die Nachfrage da sind. „Investo Green“ war der erste Schritt und nun machen wir mit den anderen Produktlinien weiter.

Spielt Nachhaltigkeit insbesondere eine Rolle in Ihrer recht jungen Zielgruppe?

Wir haben dazu gerade eine Befragung durchgeführt. Die Nachhaltigkeitspräferenz gerade bei der jungen Generation Z liegt bei 50%. Die Hälfte der Kunden kann sich also eine nachhaltige Altersvorsorge gut vorstellen. Auch in unserem Neugeschäft sehen wir: Die junge Generation schließt etwas häufiger nachhaltige Produkte ab als ältere Generationen. Aber wir verorten das schon als ein Thema, das in der Ansprache unserer jüngeren Kundschaft eine Bedeutung bekommen wird.

Die Ansprache von jungen Leuten ist ein strategisches Element?

Genau. Wir haben eine Produktpalette, die für junge Leute interessant ist. Es hat sich zuletzt eine stärkere Aktienorientierung bei den jüngeren Menschen entwickelt. Und genau da sind wir mit unseren Produkten gut aufgestellt. Für Jüngere spielt auch die Absicherung der Arbeitskraft über eine Berufsunfähigkeits- oder Grundfähigkeitsversicherung eine große Rolle. Wir arbeiten auch mit vielen Vertriebspartnern zusammen, die in diesem Segment unterwegs sind. Und wie Sie wissen, sind wir Konsortial­führerin bei der MetallRente, der KlinikRente und der ChemieRente, die wir mit der IG BCE aufgesetzt haben. Auch das sind Angebote, die gerade für viele jüngere Menschen interessant sind.

Die Renten- und Altersvorsorgereform sollte ein großes Projekt der Regierung werden. Aktuell stockt es. Sie haben sich für mehr Generationengerechtigkeit ausgesprochen. Wie soll diese aussehen?

Ich denke, es ist klar, dass wir mit dem heutigen System nicht in die Zukunft gehen können. Gerade mit Blick auf das Beitrags- und Leistungsniveau. Deshalb müssen wir an diesem System etwas verändern. Bisher gibt es aber nur wenige Reformschritte. Ich habe das Gefühl, dass sich die Politik sehr stark an den älteren Bevölkerungsschichten ausrichtet. Die jüngere Generation gerät aus dem Blick. Diese ist in der Minderheit, aber sie wird vieles von dem finanzieren müssen, was wir heute an Ausgaben erzeugen. Deshalb muss die jüngere Generation eine stärkere Stimme bekommen. Und natürlich können wir Reformschritte nicht ewig vor uns herschieben.

Aber was sind die konkreten Vorstellungen?

Konkret muss man überlegen, was die junge Generation schultern kann. Man muss ihr ermöglichen, neben der gesetzlichen Rente mehr für ihre finanzielle Selbst­bestimmung im Alter tun zu können. Wir dürfen die junge Generation nicht zu stark belasten und müssen beachten, dass bei Zahlungen an ältere Generationen das mögliche Maß nicht überschritten wird. Wir müssen also auf beiden Seiten regulieren.

Reformen werden auch für die bAV erwartet. Was erwarten Sie hier?

Die bAV ist eine sehr wichtige Säule. Und wenn man sich anschaut, aus welchen Säulen die Alterseinkünfte, die heute bezogen werden, kommen, dann stellt man fest, dass über 70% allein aus der gesetzlichen Rente stammen. Das zeigt doch eindrücklich, dass wir die Rolle der bAV in Deutschland weiter stärken müssen. In der Schweiz spielt die bAV eine viel größere Rolle. Es ist richtig, dass wir diese Entwicklung in Deutschland etwa über das Betriebsrentenstärkungsgesetz versuchen auszubauen. Aber wir dürfen nicht nur in einer Säule denken. Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen und versuchen, uns in allen drei Säulen weiterzuentwickeln.

Dann lassen Sie uns noch in Richtung Vertrieb und Beratung sehen. Sie wollen das zweite Standbein der Swiss Life Deutschland, die Finanzberatung, ausbauen und neue Filialen eröffnen. Sie glauben also weiter an die persönliche Beratung?

Absolut. Die letzten zwei Corona-Jahre haben gezeigt, dass Menschen hybride Angebote zu schätzen wissen. Wir erleben eine sehr hohe Nachfrage nach digitalen Beratungsangeboten wie der Videoberatung. Aber die Menschen möchten die Beratung auch weiterhin als persönliche Beratung erleben. Das Medium kann durchaus wechseln, aber die Kunden wünschen sich eine Person, an die man sich auch nach der Beratung noch wenden kann. Dies bestätigen auch die neuesten Marktforschungen. Gerade beim Thema Altersvorsorge wünschen sich über 80% der Menschen eine persönliche Beratung.

Maklerinnen und Makler sind und bleiben darum in Deutschland weiterhin immens wichtig. Besonders in aktuellen Zeiten, in denen durch die Inflation eine zusätzliche Komplexität entstanden ist. Mehr denn je sind jede einzelne Maklerin und jeder einzelne Makler notwendig, um Kunden aufzuklären, abzuholen, an die Hand zu nehmen und ihnen zu helfen, die richtigen, langfristig orientierten Finanzentscheidungen zu treffen.

Für die Beratungsgesellschaften in Ihrer Gruppe suchen Sie neue Finanzberater. Suchen Sie junge Leute oder auch wechselwillige Berater?

Es kommen insbesondere junge Menschen zu uns, die sich für diesen Berufsweg entscheiden. Wir wissen, dass die Makler aus der Babyboomer-Generation irgendwann den Markt verlassen und deshalb müssen wir jungen Menschen in der Finanzberatung Perspektiven geben. Wir erleben aber auch Zuwachs von ehemaligen Bankberaterinnen und Bankberatern, die bei uns neue berufliche Chancen sehen.

Als ich vor fünf Jahren angefangen habe, hatten wir deutschlandweit rund 3.500 Finanzberater, nun sind es mehr als 5.500. Das Durchschnittsalter der Berater liegt bei ungefähr 35 Jahren. Wir sind also relativ jung.

Der Maklermarkt verändert und konsolidiert sich. Gleichermaßen bekommen größere Strukturen, auch Pools, eine größere Bedeutung. Sind Sie froh, dass Sie eigene Beratungsgesellschaften in der Gruppe haben?

Wir sind sehr froh, dass wir ein eigenes Beratungsangebot bei Swiss Life haben. Nicht nur in Deutschland übrigens, sondern auch in anderen Märkten. Die Stärkung dieses Beratungsangebots ist auch Teil der strategischen Ausrichtung der Gruppe.

Sie investieren aber auch weiter in die Zusammenarbeit mit Maklern?

Absolut. Die persönliche Vorsorgeberatung leistet einen wichtigen Beitrag hierzulande und ist Teil unseres Selbstverständnisses. In unserer eigenen Finanzberatung arbeiten wir produktungebunden. Das heißt, unsere Finanzberatung bietet die gesamte Breite des deutschen Produktmarktes an. Die Niederlassung hier in Garching, aus der wir das Versicherungsgeschäft betreiben, arbeitet mit der Breite der Maklerschaft sowie Mehrfachagentinnen und Mehrfachagenten zusammen. Für uns ist das absolut wichtig, dass wir somit auch in der gesamten Breite der Vorsorgeberatung hier in Deutschland verzahnt sind.

Funktioniert eigentlich die Swissness noch?

Ja, durchaus. In den Gesprächen, die man mit Maklerinnen und Maklern führt, aber auch immer, wenn ich Kundinnen und Kunden treffe, ist die Schweizer Herkunft sehr positiv belegt. Damit sind viele Attribute verbunden, die für eine Lebensversicherung positiv sind, wie beispielsweise nachhaltige Orientierung und Langfristigkeit, Bodenständigkeit und eine gewisse Unaufgeregtheit. Wir profitieren in Deutschland auch davon, dass in der Schweiz ein anderes Solvenzsystem herrscht, das im Vergleich zu Solvency II sogar noch strenger ist. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind unsere Solvenzquoten hier in Deutschland so hoch.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2022, S. 28 ff.

Bild: Jörg Arnold, Swiss Life Deutschland, © www.danielgeorge.de

 
Ein Interview mit
Jörg Arnold