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23. Januar 2024
„Größte Veränderungen durch Umdenken der Entscheider“

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„Größte Veränderungen durch Umdenken der Entscheider“

Seit über 20 Jahren ist Stefanie Symmank in der Versicherungsbranche tätig und hat schon einiges erlebt – von Unternehmen, die nur junge Männer als Führungskräfte suchten, bis hin zu langwierigen Prozessen, durch die Kandidaten verloren gingen. Heute stehen Themen wie Teilzeit und faire Bezahlung auf dem Plan.

Interview mit Stefanie Symmank, Geschäftsführerin der VFS Personalberatung GmbH
Frau Symmank, Sie haben sich mit Ihrem Unternehmen auf die Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche spezialisiert. Wie kam es dazu?

Meine Spezialisierung liegt bereits 23 Jahre zurück und ist eher einem glücklichen Zufall geschuldet. Ich wollte damals unbedingt Headhunterin werden und erhielt diese Chance bei einer internationalen Personalberatung, die mich seinerzeit dem Bereich Versicherung/Finanzdienstleistung zugeordnet hat. So bin ich in der Branche gelandet. Seither mache ich nichts anderes als die Vermittlung von Führungs- sowie sehr spezialisierten Fachkräften im Versicherungsumfeld, und dies nun auch seit fünf Jahren unter dem Dach meines eigenen Unternehmens.

Wie würden Sie die aktuelle Personalsituation in der Versicherungswirtschaft beschreiben?

Die unfreiwillige Virtualisierung der Arbeitswelt während der Pandemie hat auch in der Versicherungswirtschaft zu neuen Erwartungen bei Mitarbeitern geführt und viele traditionelle Beschäftigungsmodelle verändert. Um weiterhin ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben, muss die zugrunde liegende Arbeitskultur in vielerlei Hinsicht verändert werden. Mitarbeiter wünschen sich ein Zusammenspiel aus Vielfalt, Gerechtigkeit und Einbindung, einer finanziellen Sicherheit und Entwicklungsperspektive, einer extrem hohen Flexibilität bezüglich Arbeitsmodellen sowie persönlichen Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten in einer „Wohlfühlkultur“. Viele Gesellschaften haben es versäumt, rechtzeitig Nachwuchs aufzubauen bzw. interne Kandidaten in eine entsprechende Richtung zu entwickeln.

Als Sie mit Ihrer Arbeit vor über 20 Jahren begannen, war die Branche männlich geprägt – gab es denn Frauen im ausreichenden Maße, die sich für Führungspositionen bewarben?

Nicht wirklich, Frauen waren zu dieser Zeit eher Mangelware, was die Besetzung von Führungspositionen betraf. Das heißt nicht zwingend, dass es keine Frauen zu dieser Zeit gab, es war einfach nicht üblich, weibliche Besetzungen in Betracht zu ziehen, gerade bei Vertriebsführungspositionen.

Ich erinnere mich, dass meine durch die Bank weg männlichen Auftraggeber im Auftragsklärungsgespräch den „Ideal-Kandidaten“ auch immer männlich beschrieben haben und auch oft auf meine Frage hin, ob die Stelle auch mit einer Frau besetzt werden könnte, so wir eine geeignete finden würden, verneint haben. Die Begründung lag häufig im „kritischen Alter“ der Frau, aber auch in der mangelnden Erfahrung aus der Historie heraus, sodass man lieber auf das Altbekannte zurückgegriffen hat nach dem Motto: „Die Stelle war doch schon immer mit einer männlichen Führungskraft besetzt!“. Man nennt dies auch das „Thomas-Prinzip“: Der männliche Auftraggeber sucht damit eigentlich sein Ebenbild, nur eben als etwas jüngere Version.

Wo gab es Ihrer Ansicht nach in den letzten 20 Jahren in Sachen Diversität und Gleichberechtigung bei den Recruitingprozessen der Unternehmen die größten Veränderungen?

Die größten Veränderungen sind durch ein Umdenken in den Köpfen der Entscheider entstanden sowie in den letzten zwei bis drei Jahren auch aufgrund einer Notwendigkeit wegen Mangels.

Wenn ich zehn Jahre zurückgehe, habe ich oft bei einer Beauftragung den Hinweis bekommen „Bitte nicht älter als Mitte 40“, was sich in den letzten Jahren dahingehend geändert hat, dass Unternehmen auch gerne qualifizierte Mitarbeiter mit Mitte 50 bis sogar 60 Jahren einstellen, um sich einmal die Erfahrung im Markt einzukaufen, aber auch, um sichergehen zu können, dass der Mitarbeiter nicht wieder nach kurzer Zeit erneut wechselt, sondern idealerweise dem Unternehmen erhalten bleibt.

Wir hatten gefühlt bis vor der Pandemie eine Art „Jugendwahn“, in dem die Stellen am liebsten alle nur noch mit jungen, erfolgreichen Menschen besetzt werden sollten, bis die Erkenntnis kam, dass diese auch nicht unendlich zur Verfügung stehen und gleichzeitig durch den demografischen Wandel in den Unternehmen Know-how verschwindet, das „die Jungen“ so gar nicht auffüllen können.

 
Ein Interview mit
Stefanie Symmank