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28. April 2020
„Man muss die Kund(inn)en mit dem abholen, was ihnen wichtig ist“

„Man muss die Kund(inn)en mit dem abholen, was ihnen wichtig ist“

Berater schrecken oft noch vor nachhaltigen Kapitalanlagen zurück. Dr. Mechthild Upgang, Geschäftsführerin der Dr. Upgang Vermögensverwaltung GmbH, setzt seit 2014 ausschließlich auf nachhaltige Geldanlagen. Dennoch stehen auch bei ihr andere Themen im Fokus des Kundengesprächs.

Frau Dr. Upgang, ihr Motto in der Finanzberatung lautet „Sozial & ethisch agieren – nachhaltig & fair anlegen“. Warum ist Ihnen nachhaltige Kapitalanlage wichtig?

Ganz einfach: weil Nachhaltigkeit keinen negativen Einfluss auf die klassischen Anlagefaktoren Risiko und Rendite haben muss. Wir können Kundinnen und Kunden reinen Gewissens eine Anlage empfehlen, ohne dass sie dabei auf Rendite verzichten müssen und ohne dass das Risiko dadurch steigt. Wir sind keine altru­istischen Weltverbesser. Am Ende wollen die Kundinnen und Kunden, dass sich ihr Geld vermehrt. Wenn das aber auch nachhaltig möglich ist, wird sich kaum eine Kundin oder ein Kunde dagegen entscheiden.

Also sehen Sie Nachhaltigkeit eher als Zubrot?

Man muss die Kund(inn)en mit dem abholen, was ihnen wichtig ist. Und das ist in aller Regel die Rendite. Und mittlerweile verstärkt auch das Thema Kosten. Nachhaltigkeit muss am Ende auch den Kunden zufriedenstellen. Nur dann funktioniert es nachhaltig. Als Kundin möchte ich Erspartes vermehren und wenn ich dabei noch etwas Gutes für die Welt von morgen tun kann, nehme ich das gerne mit. Wir selbst bieten seit Oktober 2014 nur noch nach­haltige Geldanlagen an.

Sie sind zudem zertifizierte Finanzplanerin und Fachberaterin für nachhaltiges Investment …

Und seit letztem Jahr auch ESG-Beraterin für das nachhaltige Versicherungswesen. Das ist ein neuer Ausbildungsgang über die Stiftung Greensurance. Im Bereich der nachhaltigen Fonds kann man sich angesichts von Sustainable Finance vor Angeboten mittlerweile kaum noch retten. Bei grünen Ver­sicherungen ist dagegen noch ein dickes Brett zu bohren. Da gibt es noch fast nichts.

Wie aufwendig ist eine Nachhaltigkeitszertifizierung und welche Vorteile bringt sie für Berater?

Es ist natürlich mit Aufwand verbunden. In diesem Fall waren es Präsenzveranstaltungen, für die ich nach Bayern fahren musste. Insgesamt waren das schon 60 bis 70 Stunden. Die „gut beraten“-Punkte habe ich gerne mitgenommen. Im Vordergrund stand jedoch nicht, ein weiteres Zertifikat zu erhalten, das man sich an die Wand hängen kann. Sehr positiv war das neue Netzwerk. Ich habe viele nette und engagierte Kolleginnen und Kollegen kennengelernt und für mich noch mal überprüfen können, wo ich noch Wissenslücken habe oder nicht mehr auf dem neuesten Stand bin.

Was bedeutet Nachhaltigkeit im Bereich der Versicherungen?

Es geht insbesondere um den Versicherer an sich. Ein grünes Goodie für den Abschluss einer Hausratversicherung ist eine nette Beigabe, aber nicht spielentscheidend. Es geht um das Umdenken bei den Versicherungsgesellschaften, zum Beispiel in der Kapitalanlage. Oder um Kooperationen wie etwa von NV und Itzehoer, die sich im hohen Norden für den Marktplatz „bessergrün“ zusammengeschlossen haben und für jeden abgeschlossenen Vertrag einen Baum in Schleswig-Holstein pflanzen. Das rettet natürlich nicht die Welt, aber es sind sehr lobenswerte erste Schritte.

Auch viele Kunden stehen noch am Anfang. Zwar wollen viele nachhaltig anlegen. Real tun es aber nur wenige. Wie kann man das ändern und welche Rolle spielen Berater dabei?

Meiner Erfahrung nach liegt es zum größten Teil an der Beratung. Wenn Berater und Beraterinnen keine Ahnung von nachhaltigen Anlagelösungen haben, werden sie den Kundinnen und Kunden auch keine vorstellen. Würden die Kunden nämlich nachfragen, ist die Gefahr schließlich groß, ins Schwimmen zu kommen. Das merken die Kundinnen natürlich. Wir wählen einen anderen Ansatz.

Wie sieht dieser aus?

Wir reden nicht in erster Linie über Nachhaltigkeit, sondern führen ein ganz klassisches Beratungsgespräch. Unser Job als Beraterin ist es, den Kundinnen und Kunden eine zur Lebens­situation passende Versicherung oder Geldanlage zu empfehlen. Dazu gehört in erster Linie die Frage, wie viel Geld zur Verfügung steht. Dann welche Risikobereitschaft und welcher Anlagehorizont usw. besteht. Dass diese Ziele auch auf nachhaltigem Wege erreichbar sind, ist eine frohe Kunde zum Abschluss des Gesprächs. Zum Ende des Gesprächs wird alles schriftlich zusammengefasst und ein Anlagevorschlag erstellt. Mein Satz: „Ach ja, im Übrigen berücksichtigen wir ausschließlich nachhaltige Geldanlagen. Haben Sie damit ein Problem?“, wird von 99% der Kundinnen und Kunden erfreut zur Kenntnis genommen.

Und das restliche 1%?

Es gibt schon ab und zu jemanden, der fragt, warum man einen nachhaltigen ETF nehmen muss. Dann zeige ich ihm den Langzeitchart des MSCI World im Vergleich zum MSCI World SRI. Es ist erkennbar, dass es keine Unterschiede gibt. Im Gegenteil, der nachhaltige Index ist häufig sogar besser gelaufen.

Mit FutureFolio 55 bieten Sie auch eine eigene Lösung an. Wie sieht diese aus?

Der FutureFolio 55 ist ein Dachfonds, den wir im Februar 2019 aufgelegt haben, um der zunehmenden Nachfrage nach nachhaltigen ETFs gerecht zu werden. 55 deshalb, weil er einen Aktienanteil von 55% hat. 45% fließen in festverzinsliche Wertpapiere. Im Gegensatz zu grünen Robo-Advisorn fließt das Geld nicht nur in eine überschaubare Anzahl nachhaltiger ETFs, häufig nur eines Anbieters. Wir möchten den Anlegerinnen und Anlegern eine breite Streuung über aktive und passive Fonds anbieten. Der FutureFolio beinhaltet auch einige ausgewählte aktive Fonds, denn in manchen Teilbereichen sind sie nach wie vor die bessere Wahl. Angelehnt an die UN-Klimaschutzziele bilden wir zudem neun verschiedene Nachhaltigkeitsthemen ab wie etwa Kreislaufwirtschaft, erneuerbare Energien, Wald oder Wasser. Dadurch erreichen wir eine sehr breite Diversifizierung. So erhalten auch Anleger/-innen mit einem 100-Euro-Sparplan ein diversifiziertes Portfolio.

Wie wird FutureFolio bisher angenommen?

Sehr gut. Wir haben nach einem Jahr bereits die wichtige Marke von 10 Mio. Euro an Fondsvolumen erreicht. Wegen der hohen Nachfrage vor allem von jüngeren Kund(inn)en nach Produkten mit einem höheren Aktienanteil startet im April der FutureFolio 77 mit einem Aktienanteil von 77%. Bei dem Fonds arbeiten wir auch mit einem Versicherer zusammen, der ihn für eine Fondspolice mit laufenden Courtagen aufnehmen will.

Wie passen ein solcher Fonds und Fondspolicen zusammen?

Das passt hervorragend zusammen. Wir haben viele Kund(inn)en, die sagen: Nachhaltig soll es sein, ETFs sollen es sein und günstig soll es sein. Versicherungen wollen sie jedoch wegen der hohen Abschlussprovisionen nicht. Die ALTE LEIPZIGER eröffnet diesen Kund(inn)en eine Alternative. In Verbindung mit dem FutureFolio 77 und anderen Fonds ist es möglich, eine Fondspolice mit laufenden Entgelten umzusetzen. Die Provision wird über die gesamte Laufzeit verteilt. Für die Kundin hat das den Vorteil, dass sie sofort Rückkaufwerte hat. Viele Frauen weisen keine lineare Erwerbsbiografien auf. Wenn sie ihren Beitrag beispielsweise für drei Jahre von 300 auf 100 Euro reduzieren, ist das in dem Fall nicht schlimm, weil nur für jeden Beitrag eine Provision gezahlt wird und nicht am Anfang die hohe Kostenbelastung anfällt.

Viele Vermittler hätten aber lieber eine einmalige Provision …

Laufende Provisionen haben aber den Vorteil, dass der Firmenwert kontinuierlich steigt, weil ich laufende Einnahmen habe. Zudem ist die Kundin entspannt, da sie das Gefühl hat, dem Vermittler oder der Vermittlerin nicht bereits zu Beginn einen großen Provisionsbetrag zu schulden. Mit diesem Produkt erhält sie sowohl nachhaltige, günstige Fonds als auch eine faire, transparente Kostenbelastung.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 04/2020 auf Seite 74f und in unserem ePaper.

Bild: © adam121 – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Mechthild Upgang