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10. September 2018
„Wir unterstützen die Makler ohne eigene Vertriebsinteressen“

„Wir unterstützen die Makler ohne eigene Vertriebsinteressen“

Unter dem Namen der Acturis-Gruppe entwickelt sich insbesondere mit den integrierten Unternehmen Assfinet, NAFI und Lutronik eine ganzheitliche Plattform im Versicherungsvertrieb. Das Konglomerat gilt als Marktführer bei Maklerverwaltungsprogrammen (MVP), was vor dem Hintergrund des starken Pool-Wettbewerbs erklärungsbedürftig erscheint. AssCompact hakt nach bei Marc Rindermann, Geschäftsführer der ASSFINET GmbH.

Herr Rindermann, Ihr Haus gehört – zumindest – zu den führenden MVP-Herstellern im Maklermarkt. Wie komfortabel ist diese Situation?

Zunächst stellen wir uns natürlich überhaupt die Frage, was Marktführerschaft in diesem Umfeld heißt. Dazu muss man sich zwei Ströme am Markt ansehen. Es ist zu erkennen, dass Pool-Bestände konsolidieren. Das heißt, einige Pools ziehen sehr große Bestände auf sich. Auf der anderen Seite stehen wir als Systemanbieter. Wir sind kein Pool, wir haben keine Courtagevereinbarungen mit den Gesellschaften. Wir bieten Servicedienstleistungen auf Basis von Software an und dazu benötigen wir Kunden, die unabhängige Beziehungen zum Versicherer unterhalten – also Makler mit Direktvereinbarungen.

Je mehr Geschäft über Pools läuft, umso größer wird also die Herausforderung für Sie?

Die Herausforderung steigt. Pools investieren in eigene IT oder kaufen zu. Die Entwicklung ist nicht neu. Aber unsere MVPs waren davon bisher nicht so betroffen. Es gibt aber marktbekannte Fälle, wo größere Bestände plötzlich einem Pool zugetragen werden, von Maklern, die früher klassisch unsere Zielgruppe gewesen wären. Und da müssen wir uns natürlich schon die Frage stellen: Sind wir mit unserer Unabhängigkeit richtig aufgestellt?

Und sind Sie es?

Ich beantworte diese Frage nach wie vor mit ja. Größere Maklereinheiten geben ihre Bestände ja in Pool-Hand, um sich Backoffice-Arbeiten und Kosten zu sparen. Wenn man das aber über die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet, dann erhöhen sich natürlich die Gesamtkosten. Denn der Servicierer, der zwischen Makler und Versicherer sitzt, hält ja auch die Hand auf, andererseits trägt der Makler, der seinen Bestand abgegeben hat, seine Kosten nicht mehr. Diese steigenden Gesamtkosten sind auch der Grund, warum Versicherer sehr wohl ein Interesse an unserem Geschäftsmodell haben. Sie haben aber das Problem, dass sie nicht ausreichend digitalisiert sind, um auch kleine Maklereinheiten kosteneffizient bedienen zu können. Und diese Makler kommen dann nur noch über Pools und Serviceeinheiten zu ihnen.

Was passiert denn, wenn sich diese Entwicklung fortsetzt?

Dann werden wir irgendwann nur noch fünf große Bestände in Deutschland haben, und das will sicherlich keiner im Markt. Damit würde der unabhängige Vermittler nicht mehr existieren. Dagegen stehen eben unsere Bemühungen. Wir bieten unsere Dienstleistungen dem Makler an und übernehmen sozusagen die Lücke, die Versicherer da momentan haben. Wir sind in der Lage, dem Makler ein voll digitales Frontend über alle Prozesse zu geben, wenn der Versicherer mitspielt.

Das Geschäft läuft sozusagen durch Ihre Systeme durch?

Genau. Wir haben letztlich unsere Cloud mit den AMS-Systemen von Assfinet, den Vias-Systemen von Lutronik und dem InfoAgent, mit der wir unsere Dienste stetig erweitern. Früher haben wir uns nur um die TAA-Prozesse, also Tarifierung, Angebot und Antrag, gekümmert oder Vergleiche angeboten. Inzwischen bieten wir umfangreiche Services an. Wir übernehmen zum Beispiel sukzessive für den Makler den Datenimport und das Data-Clearing. Das war früher für viele Makler ein großer Aufwand mit hoher Fehleranfälligkeit. Seine Daten im eigenen System zu haben, ist ein wesentlicher Vorteil gegenüber Pools. Der kleine Unterschied zum Pool ist natürlich, dass ein solcher Service Geld kostet. Wir verdienen unser Geld vorwiegend mit dem Makler, der die Systeme nutzt, eine Lizenz kauft und Serviceverträge abschließt. Pools finanzieren dies über den Overhead, den sie beim Versicherer fakturieren.

Ist das den Versicherern eigentlich so deutlich bewusst?

Wir sind mit dem Thema bei den Versicherern vorstellig. Trotzdem ist es schwierig, weil es ein Umdenken beim Versicherer erfordert. Er bindet Pools an, weil sie Geschäft versprechen und gleichzeitig seinen Mangel an Digitalisierung gegenüber dem Makler kompensieren. In der Summe stellt er so heute seine Direktanbindung technisch schlechter als Makler, die über einen Pool einreichen. Also muss er sich auch nicht wundern, dass Geschäft von der Direktanbindung in Richtung Poolanbindung abwandert und auch größere Maklereinheiten dann plötzlich zumindest mit margenschwachem Geschäft in Teilbeständen zum Pool gehen.

Und sind die Maklereinheiten damit glücklich?

Auch die spüren allmählich die Folgen. Sie stellen plötzlich fest, dass sie nicht mehr mit dem Versicherer direkt verhandeln können oder dass ihnen plötzlich ein Produkt im Angebot fehlt, weil der Pool gar keine Anbindung an den Versicherer hat. Wir setzen hier einen klaren Kontrapunkt: Wir unterstützen die unabhängigen Makler ohne eigene Vertriebsinteressen.

Sie sprachen davon, dass die Bestände zum Pool gehen. Die Bestände gehören aber dennoch den Maklern?

Na ja, de facto nicht. Jede Vereinbarung mit einem Pool bedeutet, dass eine Bestandsübertragung durchgeführt wird. Korrekt ist, dass Pools einen großen Aufwand betreiben und zum Beispiel Notarlösungen suchen, wo monatlich Daten hinterlegt werden, um Maklern die Sorge vor einem Bestandsverlust etwa im Falle einer Insolvenz zu nehmen. Wir kennen hier aber die Beispiele aus der Praxis: Am Ende kriegt man eine Daten-CD ohne weitere Informationen, und daraus ein MVP zu bestücken, ist schon eine Herausforderung.

So viel zu den Maklerpools. Gibt es aber nicht auch negative Beispiele bei Softwareanbietern?

In der Tat haben wir selbst auch schon Umstellungen in Maklerbüros vorgenommen, die von einer Insolvenz ihres bisherigen Softwareanbieters betroffen waren. Ich will nicht leugnen, dass eine solche Umstellung in größeren Einheiten ein oder zwei Jahre dauern kann, aber so lange arbeitet das Maklerunternehmen einfach mit dem alten System weiter und bleibt geschäftsfähig.

Neben Ihrem Haus gibt es auch andere Plattformen, zumindest wächst eine andere große heran. Macht Ihnen das Sorgen?

Im Prinzip haben alle erstmal die gleichen Herausforderungen zu lösen, und die liegen in der Anbindung der Versicherer. Zudem ist es fraglich, ob sich Erfahrungen aus anderen Branchen so einfach auf den Versicherungsbereich transferieren lassen. Alle Marktteilnehmer, die Unternehmen übernehmen, müssen zunächst immense technische Integrationsleistungen erbringen, und das dauert. Wir haben das mittlerweile weitestgehend erledigt.

Kommen wir noch einmal zur Entwicklung Ihres Hauses. Beginnen wir mit den MVPs. Es gibt die Assfinet Cloud und die Zukäufe von Vias und InfoAgent. Welche Angebote laufen denn heute unter Assfinet?

Also, wir bieten für die Neugeschäftsabwicklung Assfinet Compare. Das heißt, wir haben ein Verwaltungssystem, in das Tarifvergleiche und Antragsstrecken voll integriert sind. Momentan sind das Kfz und die privaten Sachsparten. Wir arbeiten am gewerblichen Vergleich, den wir auch auf der DKM 2018 vorstellen werden. Die vorhin schon beschriebene Datenintegration und das Data-Clearing erfolgt über Assfinet Data. Und dann gibt es noch die sogenannte Kollaborationsplattform, auf der die Geschäftsprozesse mit weiteren Beteiligten digital ablaufen können.

Wie ist dann die Integration von Lutronik bzw. Vias unter dem neuen Dach vonstattengegangen?

Hier war uns wichtig, wieder Stabilität in das Unternehmen zu bekommen. Es ist kein Geheimnis, dass es bei Lutronik in den Jahren vor dem Verkauf einen Gesellschafterstreit gab, der Kündigungen nach sich zog. Wir konnten aber glücklicherweise inzwischen Lizenzen und Supportverträge wieder reaktivieren.

Warum halten Sie an den verschiedenen Marken bzw. Unternehmen überhaupt fest?

Assfinet, Lutronik und NAFI sind jeweils für sich genommen selbstständige, starke Marken. Unter dem Dach der Acturis Deutschland und meiner Geschäftsleitung werden diese zusammengehalten. Warum sollte man also starke Marken verschwinden lassen für einen Namen, den viele in Deutschland nicht kennen? Wir haben uns deshalb entschlossen, den Namen der Dachgesellschaft Acturis nur im Logo der jeweiligen Marke zu führen.

Woher kommt eigentlich Assfinet bzw. deren Software AMS?

Die Software AMS ist selbst mal in einem Maklerbüro unter Ferdinand Wilhelm entstanden. Zum Vertrieb von AMS wurde 1991 die I&M Systementwicklung gegründet. Ich selbst bin Gründer der damaligen contecto GmbH gewesen, die die con:center-Plattform entwickelt hat. Die Assfinet AG ist 2002 dann aus dem Zusammenschluss der I&M und contecto entstanden.

Wie kam dann letztlich der Deal mit der Acturis-Gruppe zustande?

Als besagter Mitgründer Ferdinand Wilhelm planmäßig aus dem Unternehmen ausgeschieden ist, habe ich seine Anteile übernommen. Mir war zu dem Zeitpunkt klar, dass ein MVP alleine den Digitalisierungsanforderungen nicht gerecht würde, sondern auch ein Vergleichsprogramm benötigt wird. Ich wäre damals auch den Weg eines Joint Ventures mit einem Vergleicher gegangen, aber das hat nicht funktioniert. Als Alternative habe ich an einen strategischen Investor gedacht. Zunächst gab es aber auch Gespräche mit Kapitalgebern, darunter auch Summit & Partner. Da ich einen reinen Kapitalgeber nicht wollte und Summit & Partner damals auch Kapitalgeber von Acturis gewesen ist, hat dieser Investor uns mit Acturis zusammengebracht.

Und die britische Acturis entwickelt selbst auch Maklerverwaltungssysteme?

Genau. Acturis hatte das strategische Ziel, weiter in Europa zu expandieren. Im Zuge eines Aktientauschs wurde ich Anteilseigner der Acturis-Group unter der Voraussetzung, dass ein deutscher Vergleicher zugekauft wird.

Das war der Kfz-Vergleicher NAFI. Was war für Sie so interessant daran?

Mir war klar, dass NAFI das Kfz-Geschäft extrem gut kann. Allerdings fehlte vollständig das private Sachgeschäft. Deswegen lautete der erste Auftrag an NAFI auch, die restlichen Sparten nachzuziehen. Wir haben jetzt über NAFI die Möglichkeit, das Kfz- und das private Sachgeschäft voll digital abzuwickeln.

Zu Ende 2017 war von Problemen bei NAFI zu hören. Ist so ein wachsendes System auch schon mal überlastet?

In der Tat gab es im letzten Endjahresgeschäft eine technische Panne im Rechenzentrum. Davor ist man trotz Vorkehrungen leider nicht immer gefeit. Solche Probleme wollen wir natürlich nicht, aber mit der Rechenleistung und mit dem Wachstum hatte das nichts zu tun.

Wie können Sie denn letztlich überhaupt feststellen, wie erfolgreich der Einsatz Ihrer Systeme ist?

Wenn Geschäft eingereicht wird, wissen wir das natürlich. Wir können auch feststellen, dass immer mehr Makler sich digital aufstellen und mehr digitale Abschlüsse tätigen. Das hat zunächst noch nicht einmal was damit zu tun, dass wir mehr Lizenzen verkaufen. Wir stellen zum Beispiel auch fest, dass Kleinstlizenzen beispielsweise durch Geschäftsaufgabe wegbrechen. Bei Neukunden handelt es sich mittlerweile vermehrt um größere Maklereinheiten. Der durchschnittliche Neukunde ist deutlich größer als noch vor zehn Jahren. Wenn es also noch einmal um die Frage der Marktführerschaft geht, heißt das durchaus, dass wir in der Summe ein gutes Wachstum in der Anzahl ausgerollter Systeme haben. Das Wachstum ist aber in den verschiedenen Marktsegmenten unterschiedlich stark.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 09/2018, Seite 120 f.

 
Ein Artikel von
Marc Rindermann