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26. Mai 2015
„Vernünftigen Versicherungsschutz wird es nicht zum Billigtarif geben“
Euro-Geldscheine mit Kette und Vorhängeschloss. Symbolfoto für Sicherheit und Inflation.

„Vernünftigen Versicherungsschutz wird es nicht zum Billigtarif geben“

Interview mit Rechtsanwalt und Rechtsschutzexperte Joachim Cornelius-Winkler. Von individueller Prämienberechnung über Haftungsrisiken für Makler bis hin zu freier Anwaltswahl – Rechtsschutzexperte Joachim Cornelius-Winkler gibt im Gespräch mit AssCompact einen Überblick über das Thema Rechtsschutzversicherung.

Aus Ihrer Praxis kennen Sie sicherlich viele gute ­Argumente für eine Rechtsschutzversicherung. ­Welche Kosten können auf Nichtversicherte zukommen?

Die Kosten einer rechtlichen Auseinandersetzung richten sich nach der Forderungshöhe beziehungsweise dem Streitwert. Besonders teuer wird es, wenn eine Auseinandersetzung über mehrere Instanzen geführt werden muss und Sachverständigengutachten notwendig werden. Schon bei nur 10.000 Euro Forderungsbetrag und einem Klageverlust in der Be­rufung erreichen oder übersteigen die zu zahlenden Anwaltskosten, Gerichtsgebühren und Sachverständigenkosten dann den Forderungsbetrag. Besonders wichtig ist der Abschluss einer Rechtsschutzver­sicherung für Arbeitnehmer, weil in erster Instanz auch bei vollständigem Gewinn der Klage keinerlei Kosten vom Gegner zu erstatten sind.

Die Rechtsschutzversicherung wird oft als Baukastensystem angeboten. Welche Risiken sollten Gewerbe- und Privatkunden mit einschließen?

Für Gewerbekunden lässt sich die Frage nicht pauschal beantworten, weil es auf die Art des Geschäfts ankommt. Der Einschluss beispielsweise des Ver­sicherungsvertragsrechtsschutzes oder sogenannter Hilfsgeschäfte kann sinnvoll sein, wenn die Firma über teure technische Ausstattungen verfügt oder ­Ansprüche gegen eine Betriebsunterbrechungsver­sicherung in Betracht kommen. Bei Privatkunden ist besonders zu prüfen, ob sie über Kapitalanlagen verfügen, weil Auseinandersetzungen darüber nach neueren Bedingungswerken grundsätzlich ausgeschlossen sind bzw. nur noch bei einzelnen Anbietern eingeschränkt und gegen Mehrprämie versichert werden.

Mittlerweile kommen auch in der privaten Rechtsschutzver­sicherung Tarife mit individueller Prämienberechnung auf. Wohin führt das?

Grundsätzlich halte ich es für legitim, wenn auch in der Rechtsschutzversicherung eine individuelle Risikoeinstufung erfolgt, wobei besonders die Vermögensverhältnisse des Versicherungsnehmers für die Schadenhöhe relevant sind. Besser, man kann so auch teure Streitigkeiten gegen entsprechende Mehrprämie versichern, als dass Ausschlussklauseln solche Streitigkeiten generell ausschließen.

Ein Streitthema ist die freie Anwaltswahl: Der Versicherer will ein aktives Schadenmanagement, der Kunde will sich an den Anwalt seines Vertrauens wenden ...

Das ein sehr wichtiges Thema, weil die Rechtsschutzversicherer trotz entgegenstehender rechtlicher Regelungen langfristig vom Versicherer zum „Rechtsdienstleister“ werden wollen.

Dies führt zwangsläufig zu Interessenkonflikten und einer Verschlechterung der Beratungsqualität, weil die Versicherungsprämie nicht mit der Leistung im Einzelfall korrespondiert und der Versicherer betriebswirtschaftlichen Überlegungen den Vorrang vor einer Interessenvertretung „notfalls auch über mehrere Instanzen“ geben könnte. Wie der Begriff „aktives Schadenmanagement“ ja schon sagt, geht es darum, eigentlich versicherte Anwalts- und Gerichtskosten möglichst nicht entstehen zu lassen oder durch Maßnahmen zu begrenzen, welche die Gefahr von Qualitätseinbußen in sich bergen. Hierunter verstehe ich, dass der Versicherungsnehmer möglicherweise nicht das erhält, was ein unabhängiger Rechtsanwalt – notfalls in einem Klageverfahren – für ihn „herausholen“ könnte.

Die Gesetzeslage ist übrigens eindeutig: Das Recht auf freie Anwaltswahl besteht in Deutschland nicht nur in Gerichtsverfahren, sondern auch schon für die außergerichtliche Beratung und Vertretung. Kein Versicherungsnehmer muss der Empfehlung seines Versicherers folgen, sondern kann von Anfang an einen Rechtsanwalt seines Vertrauens beauftragen.

Was müssen Makler beachten, die Rechtsschutzversicherungen anbieten? Gibt es hier besondere Haftungsrisiken?

Ein besonderes Haftungsrisiko besteht bei dem Wechsel zu einem anderen Versicherer oder der Umstellung auf einen aktuellen Tarif, weil besonders im Bereich des Kapitalanlage- und Baurisikos, aber auch der zeitlichen Fest­legung des Versicherungsfalls ältere Verträge regelmäßig einen besseren Versicherungsschutz bieten als aktuelle Tarife. Dies liegt vor allem daran, dass der BGH viele Ausschlussklauseln für unwirksam erachtet hat und die Versicherer – aus ihrer Sicht natürlich verständlich – in einem ständigen „Hase-und-Igel-Wettstreit“ daraufhin die Bedingungen ändern. Häufig bin ich in meiner anwaltlichen Praxis auch mit der Konstellation beschäftigt, dass sich bei einem Wechsel trotz durchgehenden Versicherungsschutzes keiner der Versicherer für zuständig erklärt. Hier sollten Versicherungsmittler ihren Einfluss dahingehend geltend machen, dass ein Versichererwechsel nicht zu Schwierigkeiten bei der zeitlichen Deckung führt, andernfalls sie selbst in die Haftung geraten.

Rechtsschutzversicherte müssen mit Prämienerhöhungen rechnen – aufgrund des Kostenmodernisierungsgesetzes, aber auch aufgrund höherer Schadenleistungen. Sollten Versicherte wechseln?

Vernünftigen Versicherungsschutz wird es nicht zum „Billigtarif“ geben können und Prämienerhöhungen werden aufgrund höherer Schadenleistungen von einem unabhängigen Treuhänder überwacht. Wegen der Wechselrisiken scheint es mir deshalb in der Rechtsschutzversicherung grundsätzlich eher sinnvoll zu sein, über eine höhere Selbstbeteiligung als über einen Versichererwechsel nachzudenken. Zu begrüßen wäre gleichzeitig, wenn auch in der Rechtsschutzversicherung ein echtes Schadenfreiheitssystem mit Auswirkung auf die Prämie eingeführt würde, auch wenn anders als in der Kraftfahrtversicherung nicht zwingend eine Übertragbarkeit der SF-Klasse gegeben sein müsste. Ein Wechsel ist aber sicher angezeigt, wenn der aktuelle Versicherer eine überdurchschnittlich schlechte Regulierungspraxis aufweist, und zwar selbst dann, wenn die neue Prämie höher ausfällt und man mit der einen oder anderen neuen Ausschlussklausel leben muss.

 
Ein Artikel von
RA Joachim Cornelius-Winkler