AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
16. September 2019
10 Urteile, die Makler kennen sollten, die mit Handelsvertretern zusammenarbeiten

10 Urteile, die Makler kennen sollten, die mit Handelsvertretern zusammenarbeiten

Die Rechte und Pflichten von Handelsvertretern, die ausschließlich Versicherungsverträge vermitteln, hat die Rechtsprechung im Einzelnen ausgestaltet. Wie weit diese Rechte und Pflichten tatsächlich und welche Gerichtsentscheidungen Makler kennen sollten, die mit Handelsvertretern zusammenarbeiten, zeigt eine Übersicht von Rechtsanwältin Stephanie Has, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei FHR Rechtsanwälte.

Auch wenn die gesetzliche Grundlage für den Handelsvertreter in den §§ 84 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) geregelt ist, so sind diese Regelungen gerade für den Handelsvertreter, welcher ausschließlich Versicherungsverträge vermittelt, nur schwer oder teilweise gar nicht anwendbar, sodass die Rechtsprechung die Rechte und Pflichten dieser Handelsvertreter im Einzelnen ausgestaltet hat. Es lohnt sich daher für jeden Versicherungsmakler, welcher im Vertrieb mit Handelsvertretern zusammenarbeitet, die eine oder andere Entscheidung der Gerichte zu kennen.

Die Urteile drehen sich hierbei um die wesentlichen Fragen: Sind die nicht ins verdienen gebrachten Provisionen zurückzuzahlen? Wie sieht ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges aus? Wie berechnet sich ein möglicher Ausgleichsanspruch?

Im Folgenden werden die wichtigsten zehn Urteile kurz vorgestellt.

Provisionen
1. Stornobekämpfungsmaßnahmen

Im Falle der Stornierung eines seitens des Handelsvertreters vermittelten Versicherungsvertrages ist die Provision durch diesen nur dann zurückzuzahlen, wenn das Versicherungsmaklerunternehmen, die ihm obliegende Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge nach den Umständen des Einzelfalls nachweisen kann. Hierbei kann das Unternehmen entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen, die dann nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, was im Streitfall von ihm darzulegen und zu beweisen ist, oder sich darauf beschränken, dem Handelsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten. Stornogefahrmitteilungen sind somit nur eines von mehreren zur Stornoabwehr in Betracht kommenden Mitteln, unter denen das Versicherungsmaklerunternehmen die Wahl hat. (BGH, Urteil vom 25.05.2005, Az. VIII ZR 279/04)

2. Rückforderung der Provision

Das Versicherungsmaklerunternehmen hat nur dann einen Anspruch auf Rückzahlung der Provision, wenn es folgende Punkte schlüssig darlegen kann:

  • Wann wurde welche konkrete Versicherung durch den Handelsvertreter vermittelt?
  • Wann wurde dem Handelsvertreter in welcher Höhe und in welcher Provisionsabrechnung hierfür eine Provision gutgeschrieben und welcher Höhe wann ausbezahlt?
  • Wie lange läuft die Provisionshaftungszeit und wann und wo wurde diese zwischen den Parteien vertraglich vereinbart?
  • Wie hoch ist die einbehaltene Stornoreserve?
  • Wann und warum ist eine Stornierung des Versicherungsvertrages erfolgt?
  • Wann erlangte der Versicherungsmakler hiervon Kenntnis?
  • Welche konkrete Nachbearbeitung wurden von dem Versicherungsmakler selbst oder durch Dritte für die Erhaltung des Versicherungsvertrages durchgeführt?
  • Wie errechnet sich konkret die anteilig zurück zu fordern Provision und in welcher Höhe ist die Provision bis zum Datum der Stornierung bereits verdient? (LG Meiningen, Urteil vom 23.03.2016-Az. (378) 1 O 936/14)
3. Kleinstornierungen

Während die Rechtsprechung früher annahm, dass kleine Stornierungen in Höhe von 50 bis 100 Euro auch ohne entsprechende Nachbearbeitung zurückgefordert werden können, hat das OLG Düsseldorf erstmals entschieden, dass das Unternehmen auch bei sogenannten Kleinstornierungen einen Nachweis der Nachbearbeitungsmaßnahmen zu erbringen hat, da davon auszugehen ist, dass der Handelsvertreter mehrere Versicherungsverträge an den jeweiligen Kunden vermittelt hat, sodass hier die Gefahr besteht, dass die gesamten vermittelten Versicherungsverträge ansonsten storniert werden. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2017, Az. I- 16 U 32/16)

4. Anerkenntnisfiktion

Auch wenn in vielen Provisionsabrechnungen die Klausel enthalten ist, dass wenn nicht binnen einer bestimmten Frist der Lohnabrechnung widersprochen wird, diese als anerkannt gilt, so hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass eine sogenannte Anerkenntnisfiktion in den Provisionsabrechnungen unzulässig ist. (BGH, Urteil vom 20.09.2006, Az. VIII ZR 100/05)

5. Dynamikprovision

Der BGH hat in dem Urteil erstmalig bestätigt, dass es sich bei der dynamischen Provision des Handelsvertreters um eine Abschlussprovision handelt, welche jedoch erst dann zur Zahlung fällig wird, wenn es zur Dynamisierung des vermittelten Vertrages kommt und der Versicherungsnehmer der Erhöhung des Beitrages nicht widersprochen hat. Da die Erhöhung auch nach Beendigung des Versicherungsvertretervertrages erfolgen kann, steht dem Handelsvertreter somit auch nach Beendigung noch weiterhin ein Anspruch auf Zahlung der Dynamikprovision zu. (BGH, Urteil vom 20.12.2018, Az. VII ZR 69/18)

Buchauszug
6. Verjährung

Auch der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges unterliegt grundsätzlich der dreijährigen Verjährungsfrist. Der Buchauszug dient hierbei der Kontrolle und Überprüfung der erhaltenen Provisionen. Da im Falle der falschen oder fehlenden Zahlung von Provisionen der Anspruch nur innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist geltend gemacht werden kann, ist auch die Erteilung des Buchauszuges ausschließlich auf diesen Zeitraum beschränkt. (BGH, Urteil vom 03.08.2017, Az. XII ZR 32/17)

Die Verjährung des Anspruchs des Handelsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB beginnt regelmäßig mit dem Schluss des Jahres, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter eine abschließende Abrechnung über die diesem zustehende Provision erteilt hat.

7. Form des Buchauszuges

Das Oberlandesgericht München hatte bestätigt, dass der Handelsvertreter keinen Anspruch auf Erteilung des Buchauszuges in einer bestimmten Form hat. Insbesondere hat er keinen Anspruch darauf, dass dieser in digitaler Form zugesendet wird, selbst wenn es sich hierbei um einen sehr umfassenden Buchauszug handelt. Die Gestaltung der Form steht daher in dem freien Ermessen des Versicherungsmaklerunternehmens. (OLG München, Urteil vom 19.07.2017, Az. 7 U 3387/16)

8. Treuwidrigkeit

Weder der Umstand, dass die Erteilung des Buchauszuges mit erheblichen Zeit-und Kostenaufwand verbunden ist, als auch die Tatsache dass der Handelsvertreter über Jahre hinweg die Provisionsabrechnungen anstandslos hingenommen hat, macht den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges nicht rechtsmissbräuchlich. (OLG München, Urteil vom 01.03.2017, Az. 7 U 3437/16)

9. Inhalt

Der BGH hat die inhaltlichen Anforderungen an den Buchauszug dahingehend bestätigt, dass dieser als Mindestanforderung folgende Informationen zu enthalten hatte:

  • Name des Versicherungsnehmers
  • Versicherungsschein-Nummer„
  • Art und Inhalt des Versicherungsvertrags (Sparte, Tarifart, prämien- „oder provisionsrelevante Sondervereinbarungen)
  • Jahresprämie„
  • Versicherungsbeginn„
  • Bei Lebensversicherungsverträgen: die Versicherungssumme, das „Eintrittsalter des Versicherungsnehmers und die Vertragslaufzeit
  • Bei Lebensversicherungsverträgen mit Dynamisierung zusätzlich „Angaben zur Erhöhung der Versicherungssumme, zum Zeitpunkt der Erhöhung und zur Erhöhung der Jahresprämie
  • Bei Stornierungen: das Datum der Stornierung, die Gründe der Stornierung und die Maßnahmen zur Erhaltung des Bestands

Der Buchauszug muss im Ergebnis all die Informationen enthalten, welche für die Berechnung der Höhe und Fälligkeit der Provisionen relevant sind. (BGH, Urteil vom 21.03.2001, Az. VIII ZR 149/99)

Ausgleichsanspruch §89b HGB
10. Berechnung nach den Grundsätzen

Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs für den Handelsvertreter ist gerade dann, wenn die Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach den Versicherungsverbänden nicht vereinbart worden, für den Handelsvertreter nur schwer darstellbar.

Der BGH hat jedoch entschieden, dass selbst wenn die Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs nicht zwischen den Parteien vereinbart worden, das Gericht diese als Schätzungsgrundlage heranziehen kann.

Die Versicherungsverbände haben hierbei durch die Aufstellung von Grundsätzen versucht für den speziellen Bereich der Versicherungsbranche eine Berechnung des Ausgleichsanspruches aufzustellen und insbesondere auch Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen. (BGH, Urteil vom 23.11.2011, Az. VIII ZR 203/10)

Auch wenn die Rechtsprechung bereits weitaus mehr Urteile speziell für den Versicherungsvertreter entschieden hat, so stellen die soeben dargestellten Urteile eine gute Übersicht dar um zu wissen wie weit die Rechte und Pflichten eines Handelsvertreters tatsächlich reichen.

Bild: © Wilm Ihlenfeld – stock.adobe.com