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28. Juli 2022
Agrarversicherung: Schutz auf individuellen Betrieb abstimmen

Agrarversicherung: Schutz auf individuellen Betrieb abstimmen

Optimierung des Versicherungsschutzes von Agrarbetrieben gewinnt angesichts sich verändernder Risiken durch z. B. Klimawandel oder enorme Preissteigerungen an Bedeutung. Viele Betriebe vertrauen auf Versicherungsmakler als kompetente und vor Ort ansässige Berater.

Interview mit Peter J. O. Bartz, Geschäftsführer der bvm Bartz Versicherungsmakler GmbH
Herr Bartz, volkswirtschaftlich sind mittelständische und große Agrarbetriebe vergleichsweise unbedeutend. Was macht die Branche für Sie als Zielgruppe dennoch attraktiv?

Aufgrund der Krisensituation, der Wetterrisiken und der zu erwartenden Produktionsausfälle insgesamt hat die Politik mittlerweile auch die Systemrelevanz der deutschen Landwirtschaft erkannt.

Nähert man sich der Landwirtschaft in Deutschland in ihrer Gesamtheit, so sieht man, dass rund 40% der Gesamtfläche unseres Landes landwirtschaftlich genutzt sind und ca. 250.000 Betriebe etwas mehr als 900.000 Menschen (ohne Saisonarbeitskräfte) beschäftigen. Die Anzahl der Betriebe sinkt von Jahr zu Jahr erheblich und entsprechend nimmt die Größe der verbleibenden Betriebe trotz immer stärkerer gesetzlicher Auflagen merklich zu.

Hinzu kommt die Diversifizierung aus den Betrieben selbst heraus, sowohl in landwirtschaftsnahe Investitionen wie Biogasanlagen oder auch Windenergie auf den eigenen Flächen als auch in rein gewerbliche Investitionen zur Verkürzung der Produktionskette mit verarbeiteten landwirtschaftlichen Produkten. Dies geschieht sowohl einzelbetrieblich als auch im Verbund mehrerer Betriebe. Die Veränderungen treffen alle landwirtschaftlichen Produktionszweige, auch den Weinbau.

Auch nach mehr als 30 Jahren Tätigkeit im Agrarversicherungswesen hat diese Branche für mich persönlich nichts an Attraktivität verloren und ich arbeite mit unserem gesamten bvm Beratungsteam mit unvermindert hohem inneren Antrieb und mit Freude an den Aufgaben: den enormen und ständigen Wandel bei unseren Mandanten, zumeist wachsende Betriebe, aktiv zu begleiten. Dies bedeutet die regel­mäßige Fortentwicklung der Versicherungslösungen aufgrund politischer, wirtschaftlicher, klimatischer und auch gesellschaftlicher Veränderungen, gerade auch in Verbindung mit der damit verbundenen engen und intensiv beratenden Begleitung des einzel­betrieblichen Risikomanagements.

Die Starkregen- und Flutkatastrophe hat vor allem Westdeutschland getroffen. Wie zerstörerisch war das Ereignis für die dort ansässige Landwirtschaft und wie zeitnah und praxistauglich gelang die Schadenregulierung?

Besonders hart betroffen ist der Weinbau an der Ahr, wo komplette Betriebseinrichtungen und Gebäude der Flut zum Opfer fielen. Grundsätzlich konnten jedoch alle Betriebe, die gegen Starkregen auf ihren Acker-, Wein- oder Obstbauflächen versichert waren, relativ schnell für diesen Schaden Entschädigung erhalten. Betroffen waren hier „lediglich“ Areale, die nicht in den Hanglagen standen. Allerdings kann es Jahre dauern, bis nach der Neuanpflanzung von Reben oder Obstbäumen wieder ein annehmbarer Ertrag steht. Dadurch wird auch die Zukunft des Betriebes in seinen Absatzmärkten stark eingeschränkt bzw. kann zur Abwanderung des Kundenstammes führen. Die Regulierung/Neuanschaffung der Wirtschaftsgebäude und der dort enthaltenen Maschinen, Tanks, Fässer etc. gestaltet sich häufig immer noch schwierig. Die Gründe können in fehlenden Baugenehmigungen und/oder Baumaterialien, nicht verfügbarer Technik, aber auch in unzureichendem oder gar fehlendem Versicherungsschutz liegen.

Äußerst positiv war und ist gerade bei den Weinbaubetrieben die große und uneigennützige Unterstützung und Hilfestellung von Betrieben aus anderen Regionen gerade auch in der Nutzung deren Technik.

Die Katastrophe könnte auch eine Folge des globalen Klimawandels sein. Wo verspüren Ihre Kundinnen und Kunden denn den Klimawandel am deutlichsten?

In den immer stärker werdenden Wetterkapriolen der letzten Jahre: warme Winter tragen zur Vermehrung von Schädlingen bei, immer spätere Nachtfröste führen zur Erfrierung von Blüten und mindern damit die Fruchtbildung an den Gehölzen, stärkere Hagelschläge und vermehrter Starkregen führen zu höheren Schäden im Acker-, Gemüse-, Sonderkultur- und Weinbau. Lange Trockenheitsphasen gefährden großflächig in vielen Regionen die Ernte von Getreide und anderen Marktfrüchten und führen bereits jetzt auch zu großem Waldsterben – hier verbunden mit Trockenheit und der Monokultur Fichte.

Die Geografie Deutschlands hat zur Folge, dass bestimmte Regionen vermehrt von Starkregen, andere wiederum zunehmend von Hagel oder Sturm betroffen sind. Wo steht die Versicherungswirtschaft gegen­wärtig beim Angebot einer Allgefahrendeckung?

Aus der Frage geht schon hervor, dass sich der Schutzbedarf an den Gefahren der jeweiligen Regionen orientiert und damit auch unterschiedlich nachgefragt wird. Man arbeitet an Allwetter-Lösungen, deren Problem jedoch bleiben wird, dass sie nicht undifferenziert und breit gestreut funktionieren. In Gebieten mit erhöhter Trockenheit wie zum Beispiel in Teilen Sachsen-Anhalts und Brandenburgs wird dieser Schutz natürlich intensiver nachgefragt als in den weniger betroffenen Regionen.

Woran hapert es?

Der einzelne Betrieb möchte sich primär nur gegen Risiken versichern, die er für seinen einzelnen Betrieb sieht. Dies führt unweigerlich zu teilweise großen regionalen Kumulrisiken, die zu einer entsprechend hohen Prämie oder auch zu Kumul-bedingten Deckungsablehnungen oder einer grundsätzlichen Nichtzeichnung führen können. Auf einzelne „Wetter“-Versicherer bezogen ist das aber bereits im Obst-, Gemüse-, Tabak- und Weinbau geschehen. Oder auch bei der Tierversicherung in der Versicherung von konkreten Ausbrüchen beim Rinderwahn BSE und aktuell in der Afrikanischen Schweinepest.

Wie kann unter diesen Umständen dann ein optimierter Versicherungsschutz gewährleistet werden?

Ein guter Versicherungsschutz ist immer auf den individuellen Betrieb und an dessen Risikolage in Abstimmung mit den Verantwortlichen angepasst. Dies gilt im Besonderen für die Produkte auf den Flächen. Auf der anderen Seite kalkulieren die Versicherer ihren Prämienbedarf anhand von Risiko- und Kostenparametern. Durch die Wettersituation erhöht sich der Prämienbedarf gerade in den stark betroffenen Gebieten fast Jahr für Jahr, zumindest jedoch im Zeitraum der letzten zehn Jahre. Der Versicherungsschutz wird teurer und die Betriebe müssen ihr Risikomanagement insgesamt auf die sich verändernde Situation abstimmen. Entscheidend für alle Beteiligten ist, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann, sowohl beim Agrar­betrieb als auch beim Versicherer. Gehen Risiko und Kosten gleichzeitig nach oben, so müssen beide ihre Geschäftsbasis anpassen. Führt dies einerseits zu einer kaum tragbaren Kostenbelastung im Betrieb, anderseits zu einer Unterkalkulation beim Versicherer, sind die Folgen absehbar. Genau an dieser Stelle begrüße ich den staatlichen Einsatz durch Subventionierung der Versicherungsprämie, da dieser den erforderlichen betriebswirtschaftlichen Interessenausgleich sicherstellen kann.

Von der Witterung hängt zu einem Großteil das Wirtschaftsjahr im Agrarsektor ab. Parametrische Versicherungen bieten ereignisbezogenen Versicherungsschutz. Wie bewerten Sie solche Lösungen?

Der parametrische Ansatz ist meines Erachtens grundsätzlich ein richtiger Weg. Hier kommt es ganz besonders darauf an, dass die regionalen Messstellen nahe bei oder direkt auf dem einzelnen Betrieb stehen und relevantes Zahlenmaterial des Betriebes zur Verfügung steht, sodass eine einfache Schadenermittlung ohne Besichtigung etc. möglich ist. Sind Messstellen jedoch relativ weit verteilt, wird die Schadenermittlung für den Einzelbetrieb immer weniger konkret. Beste Lösungen erreicht man mit Messstellen auf den eigenen Flächen – eine echte Option gerade für größere Betriebe.

Vermehrt leisten manche Bundesländer staatliche Unterstützung beim Versicherungsschutz, insbesondere im Obst- und Weinbau. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Mittlerweile hat die Politik die Systemrelevanz der Landwirtschaft und die Notwendigkeit eines relevanten Selbstversorgungsgrades erkannt. Bereits seit einigen Jahren engagieren sich einige Bundesländer in der Mitfinanzierung des wetterbedingten Versicherungsschutzes. Dies gilt mittlerweile auch für den Gemüsebau. Ich halte diese Lösung für eine der besseren Optionen: Sie stellt auf den konkreten Betrieb ab, erstattet zum Beispiel 50% der für sein Risiko erforderlichen Versicherungsprämie. Mit diesem Modell werden sowohl Unternehmen als auch Versicherer in die Lage versetzt, regional bedarfsgerecht zu kalkulieren und die Kalkulation alle drei bis fünf Jahre am konkreten Bedarf zu orientieren.

Der Ukraine-Krieg hat rasch Einfluss auf den deutschen Agrarsektor genommen. Die Kriegsparteien gelten als große Weizenproduzenten, die Preise explodieren. Was bedeuten die Kriegsfolgen für den Versicherungsschutz bei Agrarbetrieben?

Es „explodieren“ sowohl Preise als auch Kosten. Das bedeutet, dass die Höhe der versicherten Positionen „auf dem Acker“ und im Betrieb überprüft werden müssen, um einerseits eine Unterversicherung zu vermeiden, andererseits bei Erstrisikopositionen aufgrund der steigenden Kosten und Erlöse nicht in teilweise erhebliche Deckungslücken zu geraten.

Auch durch Rückwirkungsrisiken wie Lieferverzögerungen oder Materialengpässe, zum Beispiel bei ausbleibendem Dünger, drohen den Agrarbetrieben schnell große Schäden. Wie ist hier die Lage der Dinge?

Diese Art der Rückwirkungsrisiken war bisher kein Thema in den Agrarbetrieben. Deckungen sind nicht verbreitet und würden häufig bereits am Grund der Rückwirkung scheitern. Bei unseren Rückfragen hinsichtlich Düngemittel sahen die Betriebe aktuell keine Probleme in der Menge, jedoch im Preis. Hier wird die Entwicklung in den nächsten Monaten abzuwarten sein, da ein komplettes Gas-Embargo ohne ausreichende Alternativen zum Aus für die Düngemittelproduktion führen würde. Alternativen wie Gründüngung oder Düngung mit Mist und Gülle führen nur begrenzt zu guten Lösungen und sind auch nicht in allen Regionen verfügbar bzw. werden zur Energieerzeugung eingesetzt. Bedrohlich sieht es teilweise auch bei der Ersatzbeschaffung dringend benötigter Maschinen aus, die die Hersteller aufgrund fehlender Bauteile nicht fertigstellen können.

Die Anpassung der Versicherungswerte an aktuelle Marktpreise verlangt auch angesichts der galoppierenden Inflation deutlich höhere Deckungssummen. Wie reagiert denn die Prämienentwicklung seitens der Versicherer darauf?

Die Versicherungsprämien erhöhen sich eins zu eins mit den Versicherungssummen. Mit irgendwelchen krisenbezogenen Nachlässen oder Rabatten auf die Prämie ist nicht zu rechnen, da die Versicherungswirtschaft im Bereich Agrar derzeit grundsätzlich mit Prämienerhöhungen im Markt unterwegs ist.

Können Sie auch eine Verschärfung bei den Vertragskonditionen seitens der Versicherer feststellen?

Diese Verschärfung begann bereits seit Ende 2020 – die Agrarversicherer argumentieren mit langjährig gestiegenen Kosten bei Schaden, die das Ergebnis erheblich belasten. Man arbeitet einerseits an der Erhöhung der Prämiensätze, andererseits an der Verteilung größerer Risiken auf mehrere „Schultern“ im Zuge von Beteiligung weiterer Versicherer an den Hauptsparten Gebäude, Inhalt usw. Ein weiterer Weg ist die Vereinbarung von Höchstentschädigungen bei Schaden, die bei kleineren Risiken kaum Relevanz haben, bei größeren Risiken jedoch zu erheblichen Deckungslücken führen können.

Wie beeinflussen denn all diese Geschehnisse Ihren Beratungsalltag?

Die genaue Risikoerfassung bei neuen Mandaten und in den Jahresgesprächen wird wichtiger denn je. Die Überprüfung der Werte wird intensiver, sprich aufwendiger. Zudem weisen wir unsere Mandanten in konkreten Mailings auf veränderte Situationen hin und empfehlen darin dringend die Höhe der versicherten Werte zu überprüfen.

Daneben erhöhen wir den Informationsstand bei unseren allgemeinen Mandanten in Form von Newslettern oder Telefongesprächen aufgrund aktueller Veränderungen und Risikoentwicklungen insgesamt. Dies beginnt mit Informationen zur Cyberversicherung und hört mit der Rückrufkostendeckung nicht auf.

Und an welcher Stelle wünschen Sie sich als Spezialmakler eine verbesserte Unterstützung durch die Produktgeber?

Für mich ist ein immer stärker werdender Stein des Anstoßes die Schadenbearbeitung durch die Versicherer. Für uns hat wie für jeden fachgerecht handelnden Makler die professionelle Schadenbegleitung unserer Mandanten höchste Priorität. Diese wird jedoch durch die Trägheit der Schadenabwicklung bei vielen, vor allem großen Versicherern konterkariert. Wenn unsere Schadendamen regelmäßig mind. 20% ihrer Arbeitszeit in Warteschleifen verbringen, weil der Mailverkehr nicht weiterführt, sind die Grenzen der Zumutbarkeit erreicht. Die Versicherer reden, schreiben, werben mit ihrer Servicefreundlichkeit – Realität ist jedoch, dass sie die Anrufer ins telefonische Nirwana, sprich in unendliche Warteschleifen schicken. Der jahrzehntelange Personalabbau zeigt nun sein wahres Gesicht in allen Bereichen der Versicherungsunternehmen. Als sogenannter „VIP Makler“ hat man zwar andere Zugangswege, aber in der Breite der Unternehmen findet ein Service bis auf wenige Ausnahmen nicht (mehr) statt. Dieses grobe Fehlverhalten der Versicherer beeinflusst die Reputation des Versicherungsmaklers negativ, ohne dass diesen ein Verschulden trifft. Eine untragbare Situation.

Über die bvm Bartz Versicherungsmakler GmbH

Die bvm Bartz Versicherungsmakler GmbH wurde 1998 durch Peter Bartz und Karin Bartz gegründet. Beide waren bereits vor 1998 viele Jahre als spezialisierte Versicherungsmakler, Anlage- und Versorgungsspezialisten tätig. Das Konzept basiert auf persönlicher und individueller Beratung durch langjährig erfahrene und spezialisierte Versicherungsmakler und Versorgungsspezialisten. Zu den Mandanten zählen mittlere und große Unternehmen, Genossenschaften, Gemeinschaften und wirtschaftliche Vereine der Agrarwirtschaft, Agrar-Industrie, Wein-Industrie und Weinbau sowie der Landwirtschaft. Wichtigste Aufgabe ist die Schaden­bearbeitung durch Abwicklung, Koordination und Über­wachung der Schadenfälle.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 07/2022, S. 46 ff., und in unserem ePaper.

Bild: Peter J. O. Bartz, bvm Bartz Versicherungsmakler GmbH

 
Ein Interview mit
Peter J. O. Bartz