AssCompact suche
Home
Assekuranz
29. April 2022
Aktuare sprechen sich für Kulturwandel in der bAV aus
Hand mit Megafon als Hintergrund Banner und Kommunikation Konzept

Aktuare sprechen sich für Kulturwandel in der bAV aus

Garantierte Leistungszusagen aus einer betrieblichen Altersversorgung stehen in einem Würgegriff: Niedrigzinsen treiben die Kosten, die Inflation zehrt an der Leistung. Die deutschen Aktuare haben sich daher für einen Kulturwandel in der bAV in Form vermehrt renditeorientierter Anlagen ausgesprochen.

Das gesamtwirtschaftliche Umfeld macht garantierten Leistungszusagen aus einer betrieblichen Altersversorgung (bAV) schwer zu schaffen. Erhöhten über viele Jahre bereits die Niedrigzinsen die Kosten der Produkte, verliert der nominale Garantiebetrag durch die galoppierende Inflationsrate nun auch noch rasch an Wert. „Ein Entkommen aus der Zins- und Inflationsfalle ist aber möglich, wenn die Kraft der Kapitalmärkte in geeigneter Weise zur Entfaltung gebracht wird“, fordert Dr. Friedemann Lucius, Vorstandsvorsitzender des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e. V. (IVS), ein Zweigverein der Deutschen Aktuarvereinigung e. V. (DAV). Die deutschen Aktuare haben sich daher auf ihrer Jahrestagung in Bonn für einen Kulturwandel in der bAV ausgesprochen.

Bestehende Regulatorik verlangt renditearme Kapitalanlagen

Die altbekannte versicherungsförmige Nominalgarantie könne bei insgesamt negativer Realverzinsung die Wertstabilität der eingezahlten Beiträge nicht mehr gewährleisten, heißt es dazu von der DAV. Denn sobald eine Versorgungsleistung in der bAV gegen Zahlung eines festgelegten Beitrags der Höhe nach garantiert wird, schlügen die Regulatorik und die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit voller Härte zu: „Da weder die zugesagte Leistung nachträglich gekürzt noch der dafür vereinbarte Beitrag im Lauf der Zeit erhöht werden können, muss der Beitrag mit erheblichen Sicherheiten kalkuliert werden, was ihn in die Höhe treibt“, erläutert Dr. Lucius. Zusätzlich verlange das Aufsichtsrecht, dass die Versorgungsverpflichtungen jederzeit, also jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde während des gesamten, bisweilen jahrzehntelangen Versorgungsverhältnisses mit Vermögen bedeckt sein müssten. Das Problem dabei: Die Einhaltung der regulatorischen Vorgaben gelingt nur, indem die Beiträge schwankungs- und damit renditearm in meist festverzinslichen Anlagen investiert würden, heißt es in einer DAV-Presseerklärung, die AssCompact vorliegt.

DAV befürwortet eine beitragsorientierte Leistungszusage

Wenn also die bAV weiterhin einen nennenswerten Anteil zur Lebensstandardsicherung im Alter beitragen solle, müssten nach Überzeugung des IVS die Kräfte des Kapitalmarktes besser genutzt werden. „Dafür müssen die Beiträge renditeorientiert vor allem in Sachwerte angelegt und die Leistungen entsprechend der Wertentwicklung dynamisiert werden“, führt Dr. Lucius aus. Das gelänge derzeit am besten in der Gestaltungsform der beitragsorientierten Leistungszusage (BoLZ), denn anders als bei der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) sehe die BoLZ keinen Erhalt der eingezahlten Beiträge vor. Es werde lediglich gefordert, dass die zugesagten Beiträge in eine festgelegte garantierte (Mindest-)Leistung umgewandelt werden, was aber durchaus weniger als der Beitragserhalt sein könne, so Dr. Lucius. Aber: Je niedriger die garantierte (Mindest-)Leistung ausfällt, desto mehr Mittel können mit einer entsprechend höheren Renditeerwartung angelegt werden und desto höher sind potenziell die über die Garantieleistung hinausgehenden Leistungen.

Lockerung des regulatorischen Rahmens notwendig

Für bestehende Zusagen wünschen sich die Aktuare daher mehr Gestaltungsspielraum in der Kapitalanlage. Durch die derzeitigen Rechtsvorschriften seien speziell den Pensionskassen die Hände gebunden, in renditereichere Anlagen zu investieren. „Unterdeckungen aufgrund von Kapitalmarktschwankungen werden selbst bei einem Anlagehorizont von mehreren Jahrzehnten nicht akzeptiert. Des Weiteren vertritt die BaFin die Auffassung, dass die vorhandenen Eigenmittel bis zur Mindesthöhe der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen nicht als Risikopuffer für Kapitalmarktschwankungen, sondern nur für unvorhersehbare, dauerhaft ungünstige Entwicklungen verwendet werden dürfen“, moniert Dr. Lucius. Die spezifischen Rahmenbedingungen der bAV, insbesondere die langen Abwicklungszeiträume mit lebenslangen Rentenzahlungen sowie die gesetzliche Einstandspflicht der Arbeitgeber, würden aus aktuarieller Sicht aber eine großzügigere Auslegung erlauben. Die DAV setze sich daher für eine Lockerung des regulatorischen Rahmens ein, damit Pensionskassen mehr Risiken in der Kapitalanlage eingehen können. (as)

Bild: © Robert Kneschke – stock.adobe.com