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16. Februar 2022
Aktuelle Haftungsgefahren im Vermittlungsgeschäft

Aktuelle Haftungsgefahren im Vermittlungsgeschäft

Auf dem Vermittler-Kongress 2022 der auf Versicherungsrecht spezialisierten Kanzlei Jöhnke & Reichow haben u. a. aktuelle Haftungsgefahren im Vermittlungsgeschäft sowie die Präsentation eines neuen Online-Tools im Fokus gestanden.

Alljährlich gibt die Kanzlei Jöhnke & Reichow auf ihrem Vermittler-Kongress Einblicke in gegenwärtige Haftungsgefahren, entsprechende Urteile und andere Handlungsfelder im Vermittlerrecht. Auch 2022 sind die Vermittlerinnen und Vermittler wieder in den Genuss von Informationen über aktuelle rechtliche Geschehnisse gekommen.

Haftungsgefahr Versicherungswechsel

Auf dem Beispiel eines Versicherungswechsels von einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) zu einer Grundfähigkeitsversicherung (GU) beruhte die Schilderung des ersten Haftungsfalls, an dessen Verfahrensende das Landgericht (LG) Bamberg den betroffenen Versicherungsmakler zu Schadensersatz verurteilt hat (Az.: 43 O 276/18). Im vorliegenden Fall resultierte das Beratungsgespräch zwischen Makler und Kundin in einer Kündigung einer BU zugunsten des Abschlusses einer GU. Einige Zeit später behauptete die Versicherungsnehmerin, sie sei aufgrund psychischer Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage, ihre berufliche Tätigkeit auszuüben. Der Verlust einer „Grundfähigkeit“ lag jedoch nicht vor. Sie verlangte daher gegenüber dem Versicherungsmakler Schadensersatz und behauptete, ihr sei der Unterschied zwischen einer BU und einer GU nicht hinreichend erklärt worden, mit der Folge, dass sie den bisherigen Versicherungsschutz ihrer BU nicht aufgegeben hätte.

Auch weil der Makler keine saubere Beratungsdokumentation vorlegen konnte, hat er nach Ansicht des Gerichts seine Beratungspflicht in diesem Fall erheblich verletzt. Denn bei einem Versicherungswechsel in einem existenziell bedeutsamen Bereich wie in der BU ist diese Beratungspflicht des Maklers sehr umfassend. Besonders sensibel sei hier eine korrekte und ausführliche Darstellung der entsprechenden Unterschiede beider Versicherungen. Zudem seien, so das Urteil, die Vorerkrankungen der Versicherungsnehmerin bereits bei Abschluss der GU so gravierend gewesen, dass sie den Neuabschluss einer BU zu gleichen Konditionen verhindert hätten. Als Motiv für die Empfehlung des Versicherungswechsels stellten die Richter daher abschließend allein das Provisionsinteresse des Maklers fest.

Besonders bitter: Durch Betonung dieses Motivs im schriftlichen Urteil hat die Vermögensschadenhaftpflicht des beklagten Versicherungsmaklers die Leistung des entstandenen Schadens mit Verweis auf eine wissentliche Pflichtverletzung verweigert. Der Makler haftet demnach mit seinem Privatvermögen.

Haftungsgefahr „Ausschluss von der Marktgrundlage“ in den AGB

Der Versicherungsmaklervertrag eines Maklers enthielt folgende Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB): „Direktversicherer oder andere nicht frei auf dem Versicherungsmarkt zugängliche Deckungskonzepte werden … nicht berücksichtigt“, sodass der Vertrag Direktversicherer von der Marktgrundlage ausschließt. Das LG Konstanz stellte fest, dass der vorgenommene Ausschluss unwirksam war (Az.: Me 4 O 90/19; AssCompact berichtete bereits).

Das Gericht verdeutlichte, dass unter dem „Markt“ im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 1 VVG das gesamte Versicherungsumfeld zu verstehen sei, in dem Versicherungen erhältlich sind und bei denen das jeweils in Frage stehende Risiko versichert werden kann. Demnach hätte der Versicherungsmakler im Rahmen seiner Marktanalyse auch Direktversicherer sowie solche Versicherungen in den Blick nehmen müssen, die mit Versicherungsmaklern aufgrund ihrer Vertriebsstruktur grundsätzlich nicht zusammenarbeiten. Denn Direktversicherungen sowie Versicherungen, die mit Versicherungsmaklern nicht zusammenarbeiten, können unter Umständen wesentlich günstiger sein oder aber anderen Versicherungen ihrem Leistungsangebot nach voraus sein.

Der Versicherungsmakler hatte nach Ansicht des LG Konstanz die Anbieterauswahl auch nicht nach § 60 Abs. 1 S. 2 VVG wirksam eingeschränkt. Dies setzt nämlich eine Einschränkung „im Einzelfall vor Abgabe der Vertragserklärung“ voraus. Ein Verweis auf die AGB des Versicherungsmaklervertrages ist nach Ansicht des LG Konstanz auch nicht ausreichend, da eine Regelung im Rahmen von AGB per se darauf angelegt sei nicht nur für den Einzelfall, sondern eben für eine Vielzahl von Fällen zu gelten.

BU-Online-Rechner

Zum Abschluss des Kongresses präsentierte die Kanzlei Jöhnke & Reichow ein neues Online-Tool für Vermittlerinnen und Vermittler: den BU-Onlinerechner. Damit können Versicherte gemeinsam mit ihrem Vermittler im Falle einer Berufsunfähigkeit die Höhe ihrer möglichen Ansprüche errechnen bzw. im Voraus auch kalkulieren. Im BU-Fall hilft der Rechner aufzuzeigen, ob sich die Stellung eines BU-Antrages lohnt. Unter www.bu-berechnen.de steht das Berechnungstool zur Verfügung, sodass es sich auch auf die jeweilige Homepage der Maklerin bzw. des Maklers integrieren lässt.

Die Berechnung des BU-Rente erfolgt dabei nicht rein prämienbezogen, sondern auch durch Berücksichtigung der Vertragslaufzeit, wie folgender Fragenkatalog am Beispiel eines BU-Antrages zeigt:

  • Seit wann fühlen Sie sich berufsunfähig?
  • Wie hoch ist Ihre vertraglich vereinbarte monatliche BU-Rente?
  • Wie hoch ist Ihre vertraglich vereinbarte monatliche BU-Prämie?
  • Bis wann läuft Ihr Versicherungsvertrag?

Das Ergebnis stellt zwar nur eine Annahme entsprechend den Eingaben und keine verbindliche Berechnung dar, kann aber trotzdem als erste Orientierungshilfe vor oder während eines BU-Antrages dienen. Gerade auch bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen kann dieses Tool eine Unterstützung für Vermittlerinnen und Vermittler sein. (as)

Bild: © Wilm Ihlenfeld – stock.adobe.com