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26. November 2021
Ampelkoalition: Geschriebenes ist Silber, Ungeschriebenes Gold

Ampelkoalition: Geschriebenes ist Silber, Ungeschriebenes Gold

Am vergangenen Mittwochnachmittag präsentierten die Ampelparteien die Ergebnisse ihres Koalitionsvertrages. Die wichtigste Erkenntnis für das Vermittlergeschäft: Radikale Veränderungen wie ein Provisionsverbot für die Branche werden darin nicht thematisiert.

Was war im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen zwischen den Ampelparteien aus SPD, Grünen und FDP in der Vermittlerbranche nicht alles zur Diskussion gestanden: Die SPD befürwortete die Abschaffung des dualen Gesundheitssystems aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung zugunsten einer einheitlichen Bürgerversicherung. Für besonders viel Aufsehen sorgte auch die Forderung im Wahlprogramm der Bündnisgrünen, die provisionsbasierte Beratung von Kleinanlegern schrittweise vollständig abzuschaffen und durch unabhängige Honorarberatung zu ersetzen. Außerdem setzten sich insbesondere SPD und Grüne für eine Neuordnung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler ein. So sollte diese Berufsgruppe künftig nach dem Willen der beiden Parteien von der BaFin und nicht mehr von den regionalen Industrie- und Handelskammern kontrolliert werden.

„Die Ampel steht“, verkündete der designierte Kanzler Scholz

Nun haben sich die Ampelparteien am vergangenen Mittwoch auf einen Koalitionsvertrag geeinigt: „Die Ampel steht“, verkündete dazu der nun designierte nächste Kanzler Olaf Scholz. Unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ihr niedergeschriebenes, 177 Seiten starkes Regierungsprogramm für die kommenden vier Jahre präsentiert. Und hier die gute Neuigkeit für Vermittler: Radikale Veränderungen wie ein Provisionsverbot für die Branche werden darin nicht angesprochen.

Ungeschriebenes Gold: Was der Koalitionsvertrag nicht thematisiert

Zunächst scheint die Einführung eines Provisionsdeckels für Lebensversicherungen oder gar ein Verbot der Provisionsvergütung kein bedeutender Bestandteil des künftigen Regierungshandelns zu sein, denn diese Punkte finden sich im Regierungsprogramm nicht wieder. Auch die Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler von den Industrie- und Handelskammern auf die BaFin wird im Koalitionsvertrag nicht weiter erwähnt. Zustimmung erhielten die Ampelparteien hierfür in einer ersten Reaktion von Martin Klein, Vorstand des Branchenverbands VOTUM. „Es ist zu begrüßen, dass sich Maximalforderungen wie ein generelles Provisionsverbot, eine Erweiterung der BaFin-Aufsicht auf 34f-Vermittler und anderer Unsinn nicht durchsetzen konnten“, erklärte Klein in einem Pressestatement. Ähnlich analysierte Frank Rottenbacher, Vorstand beim Bundesverband Finanzdienstleistungen (AfW), die Ergebnisse:Wir freuen uns über die Einsicht der Koalitionäre, die großen Themen im Land anzugehen und sich nicht mit ideologisch getriebenen Zielen wie einem Provisionsverbot oder einer BaFin-Vermittleraufsicht zu beschäftigen.“ Außerdem bleiben im Koalitionsvertrag mögliche Erwägungen hinsichtlich der Einführung einer Einheitsversicherung im Gesundheits- und Pflegewesen unerwähnt. Sogar die geplante Wechseloption von Beamten in die GKV (AssCompact berichtete) wird nach Lesart des Koalitionsvertrags gegenwärtig nicht weiter verfolgt. „Positiv ist, dass die Einführung einer Bürgerversicherung, wie sie in den Wahlprogrammen von SPD und Grünen anvisiert wurde, keine Berücksichtigung gefunden hat“, lobte prompt Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). Die Vermittlerbranche profitiert davon, dass diese radikalen Veränderungen keine Erwähnung im Koalitionsvertrag finden und damit keine wesentlichen Bestandteile der Regierungsarbeit zumindest für die kommenden vier Jahre darstellen. Insofern sind keine Neuigkeiten gute Neuigkeiten.

Geschriebenes Silber: Was der Koalitionsvertrag thematisiert

Natürlich listet der neue Koalitionsvertrag aber auch zahlreiche Punkte der künftigen Regierungsagenda mit Einfluss auf das Vermittlergeschäft auf. In erster Linie betrifft das die Themen Altersvorsorge, Pflege sowie Wohnen und nachhaltige Finanzwirtschaft.

Die Pläne in der bAV

Um gesetzliches Rentenniveau und Beitragssatz zu stabilisieren, kommt der Einstieg einer von der FDP befürworteten Aktien-Rente. Viel bedeutender für das Vermittlergeschäft sind hingegen die Absichten der Ampelparteien in der betrieblichen wie privaten Altersvorsorge. Hierzu heißt es im Regierungsprogramm: „Neben der gesetzlichen Rente bleiben die betriebliche wie private Altersvorsorge wichtig für ein gutes Leben im Alter. Die betriebliche Altersversorgung wollen wir stärken, unter anderem durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen.“ Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) kommentiert diese Pläne: „Das Bekenntnis zur betrieblichen und privaten Altersvorsorge begrüßen wir ausdrücklich. Ebenso die Bestrebung, renditestarke Anlageprodukte als Teil der privaten Altersvorsorge gesetzlich anzuerkennen.“ Zurückhaltend reagiert hier der BVK: „Hier bleibt es abzuwarten, was die Prüfung alternativer privater Altersvorsorge mit einer höheren Rendite als Riester ergeben wird.“

Die Pläne in der privaten Altersvorsorge

Allerdings geben die künftigen Ampelkoalitionäre auch zu erkennen, dass sie „das bisherige System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren werden.“ Dazu wird das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit geprüft. Außerdem soll die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester evaluiert werden. Weiter sollen die Sparer durch eine Erhöhung des Sparerpauschbetrages auf 1.000 Euro steuerlich entlastet werden. Zudem sollen Anreize entwickelt werden, um gerade untere Einkommensgruppen für eine private Altersvorsorge zu motivieren. Für laufende Riester-Verträge gelte Bestandsschutz. Für Selbstständige, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen, soll es eine Pflicht zur Altersvorsorge (mit Wahlfreiheit) geben. Selbstständige sind demnach in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, sofern sie nicht im Rahmen eines „einfachen und unbürokratischen“ Opt-outs ein privates Vorsorgeprodukt wählen. Dieses muss insolvenz- und pfändungssicher sein und zu einer Absicherung oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen. „Der BVK begrüßt das Bekenntnis zu den drei Säulen der Altersvorsorge. Zudem befürwortet der BVK Pläne, bei der Altersvorsorgepflicht für Selbstständige eine Wahlfreiheit mit Opt-out für private Altersvorsorge einzuführen“, kommentiert der BVK.

Die Pläne in der Pflege

Die Koalition prüft, die soziale Pflegeversicherung um eine freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung zu ergänzen, die die Übernahme der vollständigen Pflegekosten umfassend absichert. Eine Expertenkommission soll bis 2023 konkrete Vorschläge vorlegen, die generationengerecht sind. Der privaten Pflegeversicherung wolle man vergleichbare Möglichkeiten geben.

Wohnen und nachhaltige Finanzwirtschaft

Auch beim Thema „Wohnen“ sieht der neue Koalitionsvertrag einige Neuerungen vor, die AssCompact daher in einer separaten Zusammenfassung analysiert.

Abschließend schafft der Koalitionsvertrag auch neue Klarheit bei der Nachhaltigkeitswende im Finanzsektor. Hierzu wollen die Ampelparteien Deutschland zum führenden Standort im Bereich nachhaltiger Finanzierung machen: „Angemessene Rahmenbedingungen für nachhaltige Finanzprodukte unterstützen wir. Nicht-risikogerechte Eigenkapitalregeln lehnen wir ab. Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken sind Finanzrisiken. Wir setzen uns für europäische Mindestanforderungen im Markt für ESG-Ratings ein.“ Dazu ergänzend soll auf europäischer Ebene ein einheitlicher Transparenzstandard hinsichtlich der Nachhaltigkeitsinformationen für Unternehmen gesetzt werden. Außerdem sollen laut Koalitionsvertrag in bestehende Rechnungslegungsstandards ökologische, „beginnend mit Treibhausgasemissionen“, und „gegebenenfalls soziale“ Werte im Dialog mit der Wirtschaft integriert werden. (as)

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