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4. Mai 2020
Arbeitsrecht im Vermittlerbüro: Besonderheiten während der Krise

Arbeitsrecht im Vermittlerbüro: Besonderheiten während der Krise

Versicherungsmakler haben als Arbeitgeber arbeitsrechtliche Regeln einzuhalten. Seit die Covid-19-Krise in Europa Einzug gehalten hat, hat sich die Gesetzeslage im Arbeitsrecht aber immer wieder geändert. Rechtsanwältin Stefanie Has, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei FHR Rechtsanwälte, gibt einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen.

Mittlerweile ist die Corona-Krise in allen Bereichen der Wirtschaft angekommen. So muss auch jeder Versicherungsmakler als Arbeitgeber versuchen, mit den wirtschaftlichen, aber auch mit den rechtlichen Folgen umzugehen. Bei der derzeit fast täglichen Änderung der Gesetzeslage ist es schwer, auf dem rechtlich aktuellen Stand zu bleiben. Ein Überblick über die häufigsten Fragen der Versicherungs­vermittler soll versuchen, Klarheit im Arbeitsrecht zu bringen.

1. Vergütung: Makler trägt Wirtschaftsrisiko

Grundsätzlich gilt, dass jeder Versicherungsmakler verpflichtet ist, seine Mitarbeiter zu beschäftigen und entsprechend zu vergüten. Erst wenn der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung nicht erbringt, entfällt der Vergütungsanspruch. Sollte der Arbeitnehmer aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder des Umsatzrückgangs freigestellt werden, hat er dennoch einen Vergütungsanspruch. Jedoch ist zu beachten, dass lediglich die Angst vor einer Ansteckung den Mitarbeiter nicht berechtigt, nicht zur Arbeit zu gehen. Der Versicherungsmakler ist jedoch verpflichtet, seiner Fürsorgepflicht als Arbeitgeber nachzukommen und die entsprechenden Hygienemaßnahmen sowie Abstandsbestimmungen einzuhalten.

Sollte es dennoch zu einem Umsatzrückgang kommen, gilt grundsätzlich, dass der Versicherungsmakler als Arbeitgeber das Wirtschaftsrisiko zu tragen hat und somit weiterhin die Vergütung an seine Mitarbeiter zahlen muss. Allerdings hat der Gesetzgeber dafür auch das Kurzarbeitergeld entwickelt. Dieses kann nunmehr bei einem Umsatzrückgang von bereits 10% beantragt werden und führt dazu, dass 60% bzw. 67 % der Vergütung von der Agentur für Arbeit übernommen werden. Die Einführung der Kurzarbeit ist jedoch nur durch entsprechende Vereinbarung mit dem Mitarbeiter möglich.

2. Erkrankung und Quarantäne

Erkrankt der Mitarbeiter tatsächlich an dem Coronavirus, hat er zunächst einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung für sechs Wochen. Sollte die Erkrankung fortbestehen, zahlt die Krankenkasse darüber hinaus Krankengeld.

Anders verhält es sich hingegen, wenn aufgrund der Erkrankung oder aufgrund einer Quarantänemaßnahme ein Tätigkeitsverbot nach dem Infektionsschutzgesetz ausgesprochen wurde. In einem solchen Fall hat nach § 56 Abs. 2 bis 4 IfSG (Infektionsschutzgesetz) nicht nur der angestellte Mitarbeiter einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe seines Verdienstausfalls, sondern im Falle einer behördlich angeordneten Betriebsschließung auch der selbstständige Versicherungsmakler Anspruch auf Ersatz der nicht gedeckten Betriebsausgaben. Im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch des Verdienstausfalls für die Mitarbeiter hat der Arbeitgeber zunächst in Vorleistung zu gehen. Er kann sich jedoch die Entschädigung von der zuständigen Behörde zurückholen.

3. Urlaub zur Corona-Zeit

Für viele Mitarbeiter stellt sich die Frage, ob sie den bereits beantragten und genehmigten Urlaub nehmen müssen. Grundsätzlich gilt im Urlaubsrecht, dass ein bereits genehmigter Urlaub für beide Seiten verbindlich ist und daher nicht ohne Weiteres wieder zurückgenommen werden kann. Auch wenn die geplante Reise storniert wurde, ist der Mit­arbeiter grundsätzlich verpflichtet, den Urlaub zu nehmen.

Hat der Mitarbeiter noch Urlaubsansprüche aus den Vorjahren, kann der Arbeitgeber gerade auch im Hinblick auf die Beantragung von Kurzarbeit verlangen, dass der Arbeitnehmer zunächst einmal seine Resturlaubstage nimmt.

Selbstverständlich können jedoch im Einvernehmen beider Seiten immer Lösungen gefunden werden, die für beide Parteien interessengerecht sind. Stimmt der Arbeitgeber somit der Verlegung des Urlaubs zu, steht einer Verschiebung grundsätzlich nichts entgegen.

4. Überstunden und Arbeitszeitkonto

Im Hinblick auf die Zahlung oder den Ausgleich geleisteter Überstunden in Freizeit gilt grundsätzlich der Arbeitsvertrag. Ohne entsprechende Vereinbarung ist auch das Führen eines Arbeitszeitkontos unwirksam. Das Arbeitszeitkonto ist für die Überbrückung von Arbeitszeitschwankungen gedacht, in denen insbesondere auch Minusstunden aufgeführt werden können, die dann im Nachhinein durch Mehrarbeit ausgeglichen werden.

Sollte jedoch eine entsprechende Vereinbarung zum Führen eines Arbeitszeitkontos fehlen, führen sogenannte Minusstunden zugunsten des Arbeitnehmers nicht dazu, dass sich auch sein Gehalt reduziert. Ihr Mitarbeiter hat Anspruch auf vollständige Zahlung seiner vereinbarten Vergütung. Sollte es aufgrund eines Umsatzrückgangs zu Minusstunden kommen, stellt dies das Wirtschaftsrisiko jedes Arbeitgebers dar und ist von dem Versicherungsmakler zu tragen. Wirksam hingegen ist jedoch, bei Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung die Weisung zu erteilen, geleistete Überstunden zunächst in Freizeit auszugleichen. Dadurch können wirtschaftliche Engpässe aufgrund von Umsatzrückgängen zunächst zeitlich überbrückt werden.

5. Ausgleich Verdienstausfall

Viele Eltern stehen darüber hinaus vor dem Problem, dass durch die Schließung der Kitas und Schulen die Betreuung der Kinder Vorrang vor der Erbringung der Arbeitsleistung hat, jedoch mit der Folge, dass gilt: ohne Arbeit kein Anspruch auf Vergütung. Der Gesetzgeber hat zum 30.03.2020 eine neue Regelung getroffen, wonach Arbeitnehmer bei Fehlen einer anderen Betreuung einen Anspruch auf Ausgleich des Verdienstausfalls wegen der Kinderbetreuung in Höhe von 67% des Nettogehalts erhalten. Dies gilt, sobald der Resturlaub der Vorjahre genommen wurde sowie sämtliche Überstunden in Freizeit ausgeglichen sind. Der Ausgleich gilt für die Kinderbetreuung der Kinder bis zu einem Lebensalter von zwölf Jahren sowie für maximal sechs Wochen.

6. Home-Office wegen Fürsorgepflicht

Auch hier gilt grundsätzlich: Ohne entsprechende Verein­barung hat weder der Arbeitnehmer einen Anspruch, seine Arbeitsleistung von zu Hause zu erbringen, noch kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dazu zwingen, im Home-Office zu arbeiten. Allerdings könnten Gründe der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers dafür sprechen, dass die Arbeits­leistung von zu Hause zu erbringen ist, um die Ansteckungsgefahr zu verringern und damit größere Schäden zu verhindern. Es ist jedoch wichtig, alle Punkte möglichst genau schriftlich festzuhalten. Damit beide Seiten unbeschadet aus der Krise kommen, ist es so wichtig wie nie zuvor, mit seinen Mitarbeitern zu sprechen und interessengerechte und einvernehmliche Lösungen zu finden.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 05/2020, Seite 116 f. und in unserem ePaper.

Bild: © NicoElNino – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Stephanie Has