AssCompact suche
Home
Investment
9. Juni 2022
Asset-Klasse Volatilität – Einordnung Volatilitätsstrategien
Financial investment volatility, up and down arrows profit graph due to Coronavirus crisis, businessman trying to balance like a tightrope walker so that volatility does not gobble up his investments

Asset-Klasse Volatilität – Einordnung Volatilitätsstrategien

Das Auf und Ab an den internationalen Börsen verunsichert Anleger. Doch eine hohe Volatilität muss nicht von Nachteil sein. Der Portfolio-Manager Marin Arapovic erläutert, wie Volatilität vom Unsicherheitsfaktor zum Renditebringer gemacht werden kann, indem man Volatilität als eigene Asset-Klasse betrachtet.

Ein Artikel von Marin Arapovic, CFA, Portfolio-Manager bei der CCPM AG

Das aktuelle Marktumfeld sowie die erhöhte makro- und geldpolitische Unsicherheit birgt Chancen für Investoren, die über den Tellerrand traditioneller Anlageklassen hinausblicken. Klassischerweise drückt die Volatilität eines Assets die Schwankungsbreite der Wertentwicklung aus. Der bekannteste Volatilitätsindex VIX gibt die erwartete Schwankung des amerikanischen Aktienindex S&P 500 an und wird aus börsengehandelten S&P-500-Optionspreisen bestimmt. Volatilität per se ist jedoch auch über unterschiedliche Strategien im Fondsmantel investierbar, die spezifische Profile und Bedürfnisse von Investoren in der heutigen Zeit treffen.

Im Volatilitätshandel lässt sich eine Analogie zu Versicherungen ziehen. Eine Long-Position in Volatilität kann mit dem Kauf einer Versicherung gegen deren unerwarteten Anstieg verglichen werden. Investoren versichern sich so gegen unerwartete Korrekturen am Aktienmarkt. Aufgrund der hohen Nachfrage nach dieser Versicherung muss hierfür eine Risikoprämie gezahlt werden. Dies führt dazu, dass die gekaufte (implizite) Volatilität im Normalfall über der im Nachhinein tatsächlich eingetretenen (realisierten) Volatilität liegt.

Risikoprämie für Volatilität

Die Differenz zwischen der impliziten und der tatsächlich realisierten Volatilität wird als Volatilitätsrisikoprämie (VRP) bezeichnet und kann vereinnahmt werden. Diese Prämie ist in der Wissenschaft vielfach beschrieben und die Existenz empirisch nachweisbar.

Long-Volatilitätsstrategien treten als Käufer von Volatilität, sprich als Nachfrager von Absicherungen auf. In schwankungsärmeren und üblicherweise steigenden Marktphasen, wenn der Versicherungsfall ausbleibt, tritt in der Regel eine negative Wertentwicklung ein, da eine Prämie für die Absicherung bezahlt wurde. Bei einem starken Anstieg der Volatilität (z. B. Corona-Crash) können diese Strategien hingegen überproportional profitieren.

Auf der Gegenseite treten Short-Volatilitätsstrategien als Verkäufer von Volatilität, sprich Anbieter der Versicherung auf. Die Strategien werden auch als „Prämiensammler“ bezeichnet, da sie aus dem Verkauf der Volatilität eine Prämie vereinnahmen. In ruhigeren Aktienmarktphasen vereinnahmen diese Strategien die VRP und erzielen positive Erträge. Stressphasen am Kapitalmarkt sind allerdings eine Feuerprobe für die Effektivität des Risikomanagements. Infolge der letzten größeren Kurskorrekturen haben mehrere dieser Strategien Probleme bekommen, die teilweise mittelbar zur Einstellung mancher Fonds führten.

Die Relative-Value-Strategien wiederum nutzen unterschiedliche (aktive) Ansätze, um abseits von steigender oder fallender Volatilität vom Handel mit ihr zu profitieren. Diese Ansätze können je nach Ausgestaltung spannende Alternativen für das Portfolio bieten.

Unter anderem können Strategien eine Absicherung gegen mittlere Kursverwerfungen (wie Long-Volatilität) bieten, ohne die üblicherweise hohen Absicherungskosten. Somit muss für die gewünschten absichernden Eigenschaften nicht zwangsläufig eine längerfristig negative Ertragserwartung in Kauf genommen werden.

Rückblick

Die 2010er-Jahre waren für klassische Prämiensammler vorteilhaft, da fast durchgängig ein positives Umfeld für risikobehaftete Anlagen (steigende Aktienmärkte) bestand. Absicherungen wie Long-Volatilitätsstrategien litten unter den Prämienausgaben, ohne dass dem ein nennenswerter Anstieg der Volatilität gegenüberstand. Schlussendlich trat kein Versicherungsfall ein – die gezahlten Prämien gingen verloren.

Während des Corona-Crashs oder auch im ersten Quartal 2022 hingegen kam es zu Korrekturen am Aktienmarkt. Diese Korrekturen führten mittelbar zu einem Anstieg der impliziten Volatilität. Während Absicherungsstrategien von diesem Umfeld profitieren konnten, markierten Short-Volatilitätsstrategien deutliche Kursverluste. Um bei der Analogie von Versicherungen zu bleiben: Im Schadenfall (Anstieg der Volatilität) muss der Anbieter der Versicherung (Short-Seite) den Schaden regulieren.

Relative-Value-Strategien konnten von dem schwankenden Marktumfeld profitieren – unabhängig von der grundlegenden Entwicklung der Volatilität. Marktneutrale Volatilitätsstrategien konnten sowohl im vergangenen positiven Aktienmarktumfeld der 2010er-Jahre als auch 2020 und im ersten Quartal 2022 trotz des „Schadenfalls“ positive Erträge erwirtschaften. Dies gelingt durch ein ausgewogenes Verhältnis von gleichzeitigem Kauf von Absicherung und der Vereinnahmung der VRP, faktisch einer Kombination von Versicherer und Rückversicherer.

Fazit

Das Spektrum an Volatilitätsstrategien ist heterogen und bietet mehr als reine Long- oder Short-Strategien. Die Selektion der passenden Strategie sollte nicht ausschließlich von der Performance, sondern vielmehr von den Effekten sowie dem Einsatzzweck im Gesamtportfoliokontext abhängen.

Absicherungen mithilfe von Long-­Volatilitätsstrategien gegen hochvolatile Phasen gehen aufgrund der Prämienausgaben, isoliert betrachtet, üblicherweise mit einer langfristig negativen Ertragserwartung einher. Dennoch kann eine Allokation sinnvoll sein, da Drawdowns im Gesamtportfoliokontext abgeschwächt werden und sich dadurch in Summe bessere Rendite-Risiko-Kennzahlen ergeben können.

Short-Volatilitätsstrategien bieten aufgrund der Systematik langfristig eine positive Ertragserwartung. Allerdings wird das Risikobudget im „Schadenfall“ auf die Probe gestellt. Zudem fällt der Diversifikationseffekt aufgrund des weitgehenden Gleichlaufs mit Aktien im Gesamtportfoliokontext geringer aus.

Praktische Umsetzung

Marktneutrale Ansätze aus dem Bereich der Relative-Value-Strategien sind beispielsweise durch den Athena UI Fonds (WKN: A0Q2SF) oder den Gamma Plus Fonds (WKN: A2PYPV) auch für Privat­anleger verfügbar. Diese Fonds unterscheiden sich von klassischen Prämiensammlern und Long-Volatilitätsstrategien. Durch geschickte Nutzung der VRP kann von negativen Aktienmärkten profitiert und langfristig dennoch eine positive Renditeentwicklung geboten werden. Solche Konzepte können in volatileren Phasen mit erhöhten Aktienbewertungen sowie ertragsschwachen Renten als eigenständige Renditequelle zur Diversifikation interessant sein und bieten bei Korrekturen zusätzlich eine Stabilisierung des Gesamtportfolios.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 05/2022, S. 60 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Rudzhan – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Marin Arapovic