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19. Juni 2025
BaFin Mystery-Shopping-Aktion deckt Beratungsdefizite auf
BaFin Mystery-Shopping-Aktion deckt Beratungsdefizite auf

BaFin Mystery-Shopping-Aktion deckt Beratungsdefizite auf

Eine Mystery-Shopping-Aktion der BaFin hat teilweise „erhebliche Defizite“ in der Beratung und dem Verkauf von Versicherungsanlageprodukten identifiziert. Wichtige Informationen wurden häufig gar nicht oder oberflächlich abgefragt. Der BVK kritisiert angesichts der Ergebnisse die Überregulierung in der Versicherungsvermittlung.

Die BaFin hat teils gravierende Mängel bei der Beratung und dem Verkauf von Versicherungsanlageprodukten festgestellt. Im Rahmen einer Mystery-Shopping-Aktion hat die BaFin die Dienstleistungen beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten analysiert. Konkret sollte überprüft werden, ob Beraterinnen und Berater gesetzlich vorgeschriebene Beratungs-, Informations- und Dokumentationspflichten einhalten. Die Aktion wurde länderübergreifend von der Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen (EIOPA) koordiniert. Hierzulande nahmen Testpersonen im Auftrag der BaFin 72 Beratungsgespräche bei sechs Versicherungsunternehmen und deren Vertriebspartnern wahr und schlossen Verträge ab. Die Verträge wurden nach der Aktion widerrufen.

Die Vertriebskanäle, die auf dem Prüfstand standen, waren Beraterinnen und Berater bei einer Ausschließlichkeitsorganisation, Bankenvertrieb sowie Beraterinnen und Berater im angestellten Außendienst. Unabhängige Maklerinnen und Makler waren nicht Teil der Mystery-Shopping-Aktion.

Kundenwahrnehmung und Beratungsdokumentation im Widerspruch

Die Kundenexploration – während der Beraterinnen und Berater Kundinnen und Kunden nach ihren Wünschen und Bedürfnissen befragen – wies laut der Aufsichtsbehörde dabei „oft erhebliche Defizite auf“. Wichtige Informationen wurden vielfach nicht oder nur oberflächlich abgefragt. Dazu gehören Fragen nach bisherigen Erfahrungen mit Anlageprodukten, finanzielle Situation, der Anlagezweck, Anlagedauer, Risikobereitschaft, Liquiditätsbedarf und individuelle Nachhaltigkeitspräferenzen.

Zudem gab es Diskrepanzen zwischen der subjektiven Wahrnehmung der Testkundinnen und -kunden und der Dokumentation in den Beratungsprotokollen. Die Angaben der Testpersonen und der Dokumentation in den Beratungsprotokollen stimmten teilweise nicht überein oder widersprachen sich sogar. Das war etwa bei der Risikoneigung der Fall. Auch zum Thema Nachhaltigkeit wurden Testpersonen häufig nicht ausreichend aufgeklärt, obwohl dies bei Versicherungsanlageprodukten vorgeschrieben ist.

Unterlagen unübersichtlich, irreführend und zu lang

Zwar wurden Testkundinnen und -kunden in 94% der Fälle über die zu erwartende Rendite sowie in 81% der Fälle über das Risikoniveau informiert, jedoch blieben die Renditeerwartungen nach den Kosten häufig unter der gewünschten Zielmarke von 2%. Die Kosten wurden nur in zwei Drittel der Beratungsgespräche thematisiert.

Ein Dorn im Auge sind der BaFin auch die Beratungs- und Vertragsunterlagen. Sie seien unübersichtlich und teilweise irreführend und häufig über 200 Seiten, in Einzelfällen sogar über 400 Seiten lang.

Zudem erhielten Testkundinnen und -kunden Pflichtinformationen wie das Basisinformationsblatt, die Offenlegung zu Nachhaltigkeitsrisiken sowie die Beratungsdokumentation oft gar nicht oder erst nach Vertragserklärung.

Wenige Verträge erfüllen EIOPA-Kriterien

Die Prüfung zur Geeignetheit der Produkte dokumentierten Beraterinnen und Berater nur etwa in der Hälfte der Fälle. Von 72 Verträgen, die von den Testpersonen abgeschlossen wurden, erfüllten lediglich 19 die EIOPA-Kriterien zu Rendite, Risiko und Nachhaltigkeit. Auch konnte oft die Geeignetheit des Produkts im Hinblick auf die Kriterien der Renditeerwartungen oder Risikoklasse nicht eindeutig festgestellt werden.

Die Beratungsgespräche fanden zwischen März und Juni 2024 statt. Die BaFin weist darauf hin, dass die Stichprobe mit sechs Testobjekten „vergleichsweise klein“ war und nur eine Momentaufnahme darstellt. Mit den Unternehmen, bei denen Auffälligkeiten festgestellt wurden, tritt die BaFin in Kontakt. Ziel der Aktion sei es, systematische Mängel zu identifizieren und zu beheben.

BVK kritisiert Überregulierung und fordert entschlackte Vorgaben

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) hat sich im Rahmen der Ergebnisse der Aktion kritisch über die „gestiegene Komplexität regulatorischer Anforderungen“ in der Versicherungsvermittlung geäußert. „Die Flut an Dokumentationspflichten ist längst nicht mehr verhältnismäßig“, erklärt BVK-Präsident Michael H. Heinz.

Das führe nicht nur auf Vermittlerseite zu einer massiven Überforderung, sondern auch bei Kunden, die zunehmend mit einer hohen Dichte an Dokumenten konfrontiert werden. „Statt Klarheit zu schaffen, erzeugt die Regulierung Unsicherheit – das ist das Gegenteil von Verbraucherschutz“, so Heinz.

Die Ergebnisse der BaFin-Aktion zeigen, dass Vermittler zwar bemüht sind, den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden, dabei aber oft an die Grenzen des Machbaren stoßen. Ursache ist laut dem BVK nicht eine mangelnde Qualifikation der Vermittler, sondern die „überbordende Komplexität der Vorschriften“. Der BVK fordert eine grundlegende Entschlackung der regulatorischen Vorgaben um eine praxisnahe, verständliche und kundenorientierte Beratung zu ermöglichen. (js)