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6. Juli 2021
Baufinanzierung nach Corona: Was geht, was kommt, was bleibt?

Baufinanzierung nach Corona: Was geht, was kommt, was bleibt?

Baufinanzierungen boomten trotz Corona wie nie zuvor – und das, obwohl es für den Vertrieb zahlreiche Einschränkungen gab. Anbieter, Kunden und Vermittler haben die Herausforderungen aber angenommen. Manches davon dürfte laut Thomas Hein, Leiter Vertrieb Immobilienfinanzierung der ING Deutschland, bleiben.

Herr Hein, wir haben nun mehr als ein Jahr Einschränkungen durch Corona, wie geht es dem Baufinanzierungsvertrieb bei der ING?

Hätten Sie mich das vor einem Jahr gefragt, hätte ich meine Bedenken geäußert. Heute freue ich mich, feststellen zu können: Dem Baufinanzierungsvertrieb der ING Deutschland geht es hervorragend. Wir haben unsere ambitionierten Ziele im letzten Jahr – trotz Corona – erreicht. Das gleiche Bild zeigt sich auch in diesem Jahr. Ge­rade erst im März 2021 haben wir, was das Neufinanzierungsvolumen betrifft, den besten Monat in der Geschichte der ING Baufinanzierung erlebt. Wir können uns also nicht beklagen und dürfen im Nachhinein sagen: Die frühzeitige Umstellung unserer Services auf digitale Angebote wie den Dokumenten­Upload, die Liveberatung via Screen-Sharing, aber auch die Regionalisierung unseres Key-Account-Managements kamen genau zur rechten Zeit.

So konnten wir auf die auch räumliche Nähe zu unseren Vermittlerinnen und Vermittlern aufbauen. Die Beziehungen sind in den letzten drei Jahren so eng geworden, dass heute ein kurzer Anruf reicht, um Fragen zu klären und um die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Das hat sich in Zeiten von Corona, in denen der persönliche Besuch von heute auf morgen ausfiel, für uns alle natürlich ausgezahlt.

Was waren für Vermittler und Kunden die größten Herausforderungen?

In Zeiten von Social Distancing ist es nahezu unmöglich, die bekannten Kontaktwege zu nutzen. Umso wichtiger war es für unsere Vermittlerinnen und Vermittler, auf Tools wie eben die Liveberatung zugreifen zu können, um ihrer Klientel zu zeigen: Wir sind für euch da – wenn nicht persönlich vor Ort, dann aber via Telefon und Screensharing oder von Angesicht zu Angesicht über die Liveberatung. Natürlich waren nicht alle auf diese Entwicklung des Home-Consultings vorbereitet. Hier hat sich unser Berater Digitale Immobilienfinanzierung bezahlt gemacht. Er hat gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern deren digitale Voraussetzungen analysiert und in kürzester Zeit eine Lösung initiiert. Ob die eigene Website mit Kontaktformular, eine Social-Media-Kampagne oder einfach ein neues Terminvereinbarungs-Tool, es hat sich schnell gezeigt: Der gute Kontakt zwischen Vermittler und Kunde basiert nicht ausschließlich auf persönlicher Nähe.

Auch wenn es viele nicht gedacht haben: Der Erfolg unserer Branche zeigt, dass uns die Umstellung sehr schnell und sehr gut gelungen ist. Noch ein Wort zu unseren Kundinnen und Kunden: Ich glaube, ihnen hat Corona – was die digitale Kommunikation betrifft – vielleicht sogar in die Karten gespielt. Mittlerweile zählen wir die Digital Natives zu unserer Kernzielgruppe. Und die möchten sich im Vorfeld einer Beratung online informieren, einen möglichen Berater im Netz selbst aussuchen, einen Termin außerhalb geschäftlicher Öffnungszeiten vereinbaren und am Ende einfach ihr Ding machen – das Konto selbst eröffnen, die Auszahlung selbst vornehmen und vieles mehr. Die Beratung ist in vielen Fällen nur noch punktuell gefragt. Insofern hatten unsere Vermittlerinnen und Vermittler, was den Kontakt zu ihrer Kundschaft betrifft, gerade zu Beginn der Epidemie mit mehr Herausforderungen zu tun als ein Großteil ihrer Kundinnen und Kunden.

Mit welchen Lösungen konnte die Bank unterstützend einwirken?

Wie schon gesagt hatten wir, was unseren Digitali­sierungsgrad betrifft, gut vorgearbeitet. Davon konnten unsere Vermittlerinnen und Vermittler sehr schnell profitieren. Eigentlich mussten sie sich gar nicht so sehr umstellen. Sie konnten weiterhin das Partnerportal zur Beantragung oder zur Prolongation benutzen, alle Unterlagen einfach per Upload an uns hochladen, hatten Zugriff auf eine Liveberatungssoftware, konnten sich in Online-Webinaren schulen und hatten weiterhin einen direkten telefonischen Draht zu ihrem Key-­Account-Management oder zum Partner Service Team der Bank. Das hat über weite Strecken funktioniert, zumal wir unser digitales Angebot ständig weiter optimiert haben – so gibt es das Liveberatungstool der ING heute auch mit Videofunktion, und wir bieten zusätzliche Webinare und Webinar-Termine an.

Auch unsere Denkanstoß-Veranstaltung haben wir am Leben gehalten. Statt Live-Event gab es eine Filmversion, die sich jeder im Home-Office anschauen konnte. Aktuell arbeiten wir an einer digitalen Denkanstoß-Veranstaltung via Livestream, die voraussichtlich im Juni über die Bühne gehen wird. Last, but not least möchte ich an dieser Stelle noch unseren Podcast „Backstage Baufinanzierung“ erwähnen, mit dem wir unsere Zielgruppe einmal im Monat über aktuelle Themen rund um die Baufinanzierung auf dem Laufenden halten. Auch das ist ein digitales An­gebot, das bei unseren Vermittlerinnen und Vermittlern sehr gut ankommt.

Mit steigenden Impfzahlen wächst die Hoffnung auf einen Alltag ohne Corona. Was erwarten Sie in den nächsten Wochen?

Für die Baufinanzierung wird sich erst mal nichts groß verändern – solange die Zinsen niedrig bleiben. Vielleicht steigt die Nachfrage nicht mehr in der Dimension wie vor der Pandemie an und stagniert auf hohem Niveau. Denn eines ist sicher: Die Menschen haben gemerkt, wie wichtig ein räumliches Umfeld ist, in dem man sich wohlfühlt. Wer es sich leisten kann, wird weiter schauen, wie er die eigenen vier Wände erhalten oder auch optimieren kann. Was mit der digitalen Beratung ist? Sie geht zugunsten eines persönlichen Treffens sicher wieder zurück. Es wird jedoch mit Blick auf die Kosten und die Zeit hybride Lösungsmodelle geben. Am Ende aber hängt die Entwicklung unserer Branche von der Zinsentwicklung ab. Wird die EZB ihre Maßnahmen neu ausrichten, wird das einen Einfluss auf die Nachfrage haben.

Gibt es Veränderungen, von denen Sie glauben, dass sie auch in Zukunft bleiben werden?

Sicher hat das vielerorts erfolgreiche Arbeiten im Home-Office dazu geführt, dass wir darüber aktuell neu nachdenken. Bei der ING zum Beispiel wird das Ar­beiten im Home-Office mit dem Arbeiten in der Bank in Zukunft gleichgestellt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können also weitgehend selbst entscheiden, wann sie wo arbeiten. Auch die Digitalisierung in der Beratung wird aus den Kundengesprächen nicht mehr wegzudenken sein.

Ob sie aber das persönliche Gespräch ersetzt? Das ist eher unwahrscheinlich, wenn es inhaltlich um das größte finanzielle Investment im Leben vieler Menschen geht. Aber wir arbeiten auch an einer digitalen Antragsstrecke – ohne Papier und ohne persönliche Beratung. Am Ende geht es darum, den Kundinnen und Kunden den Weg zu bieten, den sie sich für ihre Finanzierung wünschen. Hier ist das Spektrum an Instrumenten im letzten Jahr größer und die Entwicklung neuer digitaler Tools schneller geworden, sodass wir in Zukunft aus einem prall gefüllten Baukasten die Instrumente anbieten können, die ganz konkret gewünscht werden. Und das ist gut so.

Wenn Sie drei Jahre in die Zukunft schauen: Wie sieht der Vertrieb der Immobilienfinanzierung im Jahr 2024 aus?

Wir werden erleben, dass die digitalen Features, die jetzt im Vordergrund standen, weiter genutzt werden – vielleicht nicht ganz so intensiv wie im Moment. Andere Themen wie der webbasierte Dokumenten-Upload, die Website als Visitenkarte oder digitale Services wie eine Online-Terminvereinbarung, die Prozesse vereinfachen, werden bleiben.

Definitiv an Bedeutung gewinnen wird die nachhal­tige Baufinanzierung. Auch das haben die letzten Wochen gezeigt. Denken wir hier nur an die neuen KfW-Produkte oder an die EU-Taxonomie-Vorschrift. Wir arbeiten bereits mit Hochdruck daran, dass wir auch hier gut auf­gestellt sind und die Zukunft mit offenen Armen empfangen. Denn nicht nur als Bank, auch im Vertrieb werden wir ganz genau hinschauen, wie wir den Fokus in unserer Beratung schon jetzt auf mehr Nachhaltigkeit richten können.

Worauf freuen Sie persönlich sich am meisten, wenn das Virus seine Schlagkraft verliert?

Dass man sich wieder mit Freunden treffen und soziale Kontakte persönlich pflegen kann. Beruflich wünsche ich mir, dass wir unsere Denkanstoß-Veranstaltung zum Ende des Jahres wieder vor Ort ausrichten können. Der persönliche Austausch mit unseren Vermittlerinnen und Vermittlern hat uns in den letzten Monaten doch sehr gefehlt.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 06/2021, Seite 68 f., und in unserem ePaper.

Bild: © mapo85 – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Thomas Hein