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21. September 2022
BdV: Die Lebensversicherer haben ihre Hausaufgaben gemacht
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BdV: Die Lebensversicherer haben ihre Hausaufgaben gemacht

Wie sieht es bei den deutschen Lebensversicherern bei der Ausstattung mit Eigenkapital aus? Bereits zum sechsten Mal in Folge haben sich der BdV und das Analysehaus Zielke mit dieser Frage beschäftigt und festgestellt: Die Gesellschaften haben ihre Hausaufgaben gemacht, denn die Solvenzquoten sind gestiegen. Allerdings hat sich die Transparenz der Berichte verschlechtert. Und welche Auswirkung hat die Zinswende?

Verfügen die im deutschen Markt aktiven Lebensversicherer über ausreichend Kapital und hinreichendes Risikomanagement, um Extremereignisse wie Naturkatastrophen oder Finanzmarktkrisen zu überstehen? Zur Beantwortung dieser Frage hat der Bund der Versicherten e. V. (BdV) gemeinsam mit Dr. Carsten Zielke, Geschäftsführer der Zielke Research Consult GmbH, die aktuellen Berichte über die Solvabilität und Finanzlage (SFCR) der Versicherer analysiert und die Ergebnisse zum sechsten Mal in Folge veröffentlicht. Und das Ergebnis fällt insgesamt recht positiv aus: Denn die deutschen Lebensversicherer sind laut Axel Kleinlein, Versicherungsmathematiker beim BdV, auf die Niedrigzinsphase gut vorbereitet und weisen überwiegend eine ausreichende Solvenz aus.

Die Finanzlage hat sich insgesamt verbessert

Für die Analyse haben sich die Verbraucherschützer die SFCR-Berichte von 78 Unternehmen angesehen. Ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung der finanziellen Stabilität ist die sogenannte ausgewiesene Solvenzquote, also diejenigen Quote, die das Verhältnis von Eigenmitteln zu den EU-Solvenzkapitalanforderungen bezeichnet und an die Finanzmarktaufsicht BaFin übermittelt wird. Beträgt diese Quote über 100, können die Versicherer laut Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) e. V. auch in einem Krisenszenario, das nur alle 200 Jahre eintritt, alle Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden erfüllen – andernfalls würden die Aufseher eingreifen. Und diese ausgewiesene Quote ist laut BdV-Analyse ganz ordentlich angestiegen. Betrug sie in der Vorjahresanalyse bei den Standard-Lebensversicherungsunternehmen noch 384, liegt sie nun bei 479. Die Finanzlage der deutschen Lebensversicherer hat sich also deutlich verbessert.

Noch 22 Lebensversicherer mit reinen Solvenzquoten unter 100

Für die Verbraucherschützer vom BdV von besonderer Bedeutung ist hingegen die sogenannte reine Solvenz ohne Kundengelder. Diese BdV-eigene Analysekategorie bereinigt den Eigenkapitalbestand der Lebensversicherer um Übergangsmaßnahmen sowie um noch nicht zugewiesene Überschüsse. Und auch bei Betrachtung dieser „strengeren“ Solvenzquote ist eine deutliche Verbesserung festzustellen. So weisen gegenwärtig nur noch 22 der geprüften Lebensversicherer eine reine Solvenzquote ohne Kundengelder von unter 100 auf – im Vorjahr waren es mit 42 Gesellschaften noch fast doppelt so viele. Mit Blick auf einzelne Versicherer ist die Landeslebenshilfe VVaG mit einer reinen Solvenz ohne Kundengelder in Höhe von 20 das Schlusslicht – wobei das Unternehmen gegenüber der BaFin eine ausgewiesene Solvenz von 478 mitteilt. Es folgen die Postbank Leben (rein: 33/ausgewiesen: 837) und die Frankfurt Münchener Leben (rein: 36/ausgewiesen: 316).

Gesamtergebnis: Nur ein Lebensversicherer verschlechtert sich

Fasst man diejenigen Unternehmen zusammen, die eine zu geringe reine Solvenz oder auch eine negative Gewinnerwartung haben – was die Ausstattung mit Eigenmitteln ebenfalls beeinträchtigt –, zeigt sich, dass trotz der verbesserten Gesamtsituation noch 13 Lebensversicherer in ernsthaften Schwierigkeiten seien, resümiert man beim BdV. Diese beherrschten also ihre Solvenz nur auf Basis von Übergangsmaßnahmen oder durch „den Griff in die Überschusskasse“ oder weisen eine negative Gewinnerwartung auf. Aber auch diese Zahl hat sich innerhalb eines Jahres deutlich verringert – im Vorjahr waren es nämlich noch 23 Lebensversicherer. Mit der Proxalto Lebensversicherung AG wurde laut BdV auch nur bei einem Unternehmen eine Verschlechterung der Solvenz beobachtet.

ESG-Risiken werden teilweise noch gering geschätzt

Erstmals wurde auch geprüft, inwiefern sich die Gesellschaften zu ihren ESG-Risiken im Kapitalanlagebereich äußern. Ergebnis: 30 der 78 Gesellschaften nehmen hierzu keinen Bezug, darunter die Allianz, die ERGO, HUK-COBURG, die R+V oder auch der VOLKSWOHL BUND. „Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Thema für die CSR-Berichterstattung, sondern auch für die Solvenzeinschätzung. Das scheint noch nicht bei allen Gesellschaften angekommen zu sein“, moniert Dr. Carsten Zielke, Geschäftsführer der Zielke Research Consult GmbH. Außerdem sieht Zielke den langjährigen Trend zu immer transparenteren Berichten gestoppt, insbesondere weil große Anbieter bei den Bemühungen nachließen. Dort hat die Transparenz an der einen oder anderen Stelle deutlich abgenommen, wohingegen viele kleinere Gesellschaften in ihren SFCR-Berichten sehr transparent kommunizierten. „Das ist erfreulich“, lobt Kleinlein.

Auswirkungen der Zinswende

Abschließend wurden im Rahmen des BdV-Pressegesprächs die Auswirkungen der steigenden Zinsen auf die Lebensversicherer diskutiert. Der BdV erwartet hier, dass sich die Auswirkungen durch die jetzt wieder steigenden Zinsen allerdings erst in vielen Jahren als Überschussbeteiligung bei den Kunden bemerkbar machen werden. Kurzfristig helfe die Zinswende den Solvenzquoten der Lebensversicherer aber, weil die Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen stärker abgezinst werden könnten als bisher. Allerdings: Besonders die Unternehmen, die viel in Staatsanleihen investiert hätten, würden durch die deutschen Anforderungen nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) Schwierigkeiten bekommen, ist man sich beim BdV sicher. Denn sie kämen in der Regel zwar besser durch Zeiten niedriger Zinsen, könnten dann aber bei steigenden Zinsen nur geringe Überschüsse realisieren und weitergeben. Und eine massive Stornierungswelle seitens der Versicherten erwarten weder Kleinlein noch Zielke. Allerdings bestehe die Gefahr vermehrter Beitragsfreistellungen, gibt Kleinlein zu bedenken.

Die vollständige BdV-Analyse steht hier zum Download bereit. (as)

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