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14. Dezember 2017
Bedingungsvielfalt und neue Klauseln in der D&O-Versicherung

Bedingungsvielfalt und neue Klauseln in der D&O-Versicherung

Wie kaum ein anderes Produkt ist die D&O-Versicherung durch eine ständige Fortent­wicklung der Bedingungen gekennzeichnet. Ihr Deckungsumfang wurde in den letzten Jahren stark erweitert. Welche Rechtsfragen mit der Entwicklung neuer Klauseln auftreten, zeigt sich oft erst im Schadenfall, sagt Dr. Tanja Schramm, Partner bei Clyde & Co (Deutschland) LLP.

Die D&O-Versicherung, also die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Organen und leitenden Angestellten, hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich an Bekanntheit und Bedeutung gewonnen. Seit der Einführung dieser Versicherung in Deutschland in den 1990er-Jahren hat sich nicht nur schadenseitig viel getan. Wie kaum ein anderes Produkt ist die D&O-Versicherung durch eine ständige Fortentwicklung der Bedingungen gekennzeichnet. Ihr Deckungsumfang wurde in den letzten Jahren sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht stark erweitert. Dies klingt aus Sicht der Versicherungsnehmer erst einmal positiv. Wenn es da nicht das eine oder andere „aber“ gäbe. Mit der Entwicklung neuer Klauseln sind naturgemäß auch Risiken verbunden. Vielfach zeigt sich erst im Schadenfall, wie gut die eine oder andere neue innovative Klausel funktioniert und welche Rechtsfragen sie aufwirft.

Ein Dauerbrenner in aktuellen Diskussionen ist die Vielzahl der Deckungserweiterungen (z. B. Klauseln zur Ausweitung der Rechtsschutzelemente, Organisationsrechtsschutz, Eigenschadendeckungen). Kritiker betonen, dass die D&O-Versicherung zu einem „Rundum-sorglos-Paket“ geworden und es an der Zeit ist, die Uhr zurückzudrehen. Um die langen Kataloge von zusätzlichen Deckungsbausteinen, die sich in den letzten Jahren in die Bedingungen „eingeschlichen“ haben, soll es im nachfolgenden Beitrag nicht gehen. Im Fokus stehen andere Regelungen, die es sich lohnt, ebenfalls zu hinterfragen.

Zeitlicher Umfang und Subsidiarität

Eine Besonderheit der D&O-Versicherung ist das sogenannte „Claims-made-Prinzip“, also der Eintritt des Versicherungsfalls durch die Anspruchserhebung. Mit anderen Worten kommt eine Deckung von vornherein nur dann in Betracht, wenn die Inanspruchnahme der versicherten Person auf Schadenersatz während der Vertragsdauer oder innerhalb einer etwaig vereinbarten Nachmeldefrist erfolgt. Die Nachmeldefristen, die naturgemäß eine Deckungserweiterung darstellen, betrugen früher standardmäßig zwischen ein und drei Jahren. Vielfach wurde zudem geregelt, dass eine Nachmeldefrist unter anderem im Fall einer Anschlussdeckung nicht entstehen sollte. Heute sind Nachmeldefristen von bis zu zehn Jahren keine Seltenheit mehr, die nur in Fällen von zum Beispiel Prämienverzug, Übernahme der Versicherungsnehmerin oder Verschmelzung nicht entstehen sollen. Dies führt bei der Umdeckung eines D&O-Versicherungsvertrags von einem auf den anderen Versicherer vielfach zu Subsidiaritätsfragen.

Die Abgrenzung zwischen den Versicherungsverträgen einzelner Jahre wird dann noch komplexer, wenn an einem gelayerten Versicherungsprogramm mehrere Versicherer beteiligt sind und über die Jahre hinweg Versicherer ausscheiden oder ihre Beteiligungen innerhalb der einzelnen Layer ändern. Hier sind Makler und Versicherer bei der Bedingungsgestaltung gleichermaßen gefordert. Unabhängig hiervon ist eine Rückbesinnung auf den ursprünglichen Zweck der Nachmeldefristen und eine zeitliche Eindämmung solcher Fristen wünschenswert. Alles andere läuft dem Geist des Claims-made-Prinzips zuwider.

Abwehrdeckung und Anwaltswahl

Von der D&O-Versicherung sind – wie von jeder Haftpflichtversicherung – die Abwehr unbegründeter Schadenersatzansprüche und die Freistellung von begründeten Ansprüchen umfasst. In Bezug auf die Anspruchsabwehr war früher vielfach geregelt, dass sich die versicherten Personen bei der Auswahl des Rechtsanwalts mit dem Versicherer abzustimmen hatten. Seit vielen Jahren sind solche Klauseln Regelungen gewichen, wonach der versicherten Person ein freies Anwaltswahlrecht und dem D&O-Versicherer nur in Einzelfällen ein Widerspruchsrecht zusteht. Die freie Anwaltswahl liegt nicht immer im Interesse der versicherten Personen. Denn sie können vielfach nur schwer einschätzen, welcher Rechtsanwalt bzw. welche Kanzlei langjährige Erfahrungen im Bereich der Managerhaftung hat und damit geeignet ist, sie bei der Anspruchsabwehr zu unterstützen. Die Vorschläge von D&O-Versicherern zur Anwaltswahl sind regelmäßig wertvoll und ein in den Bedingungen verankertes Mitspracherecht des Versicherers hat seine Daseinsberechtigung.

Ausschluss wegen wissentlicher Pflichtverletzungen

Der Katalog der Deckungsausschlüsse ist in den letzten Jahren stark geschrumpft. Einen Standardausschluss stellt nach wie vor der Ausschluss wegen wissentlicher Pflichtverletzungen dar. Im Zusammenhang mit diesem Ausschluss ist regelmäßig bestimmt, dass der D&O-Versicherer Abwehr­kosten zu erstatten hat, solange die wissentliche Pflichtverletzung nicht feststeht. Früher war damit ein Rückforderungsrecht des Versicherers in dem Fall des Feststehens einer wissentlichen Pflichtverletzung verbunden.

Aktuell enthalten viele D&O-Wordings einen Verzicht auf die Rückforderung der Abwehrkosten. Dies ist nicht interessengerecht. Soll ein Manager im Fall einer wissentlichen Pflichtverletzung tatsächlich privilegiert sein und die Versicherungssumme zulasten anderer versicherter Personen dauerhaft abschmelzen? Es sollte bei dem früher regelmäßig vereinbarten Rückforderungsrecht des D&O- Versicherers bleiben. Die Frage, wie werthaltig ein Rückforderungsanspruch ist, steht auf einem anderen Blatt und kann letztlich nur im Einzelfall beantwortet werden.

BGH-Urteil zum Verwender­begriff: Wer haftet?

In einigen D&O-Wordings finden sich Klauseln, wonach der Versicherer als Verwender der Bedingungen gelten soll und Zweifel bei der Auslegung zu seinen Lasten gehen. Hintergrund solcher Regelungen sind oft Bedingungswerke, die von Maklern entworfen wurden. Einige große Maklerhäuser arbeiten mit selbst entworfenen Klauseln oder auch ganzen D&O-Wordings, die in die Versicherungsverträge einbezogen werden. Dies führt zu der Frage, wer für die Angemessenheit und Wirksamkeit solcher Bedingungen die Verantwortung trägt: der Versicherer, der Makler oder gar beide?

Mit dieser Thematik hatte sich der Bundesgerichtshof bereits vor einigen Jahren befasst. Der BGH betonte in einer Entscheidung vom 22.09.2009, dass der Makler treuhänderischer Sachwalter des Versicherungsnehmers ist und der beklagte D&O-Versicherer folgerichtig nicht Verwender der auf Veranlassung des Maklers in den Vertrag einbezogenen Bedingungen war. Die Maklerbedingungen konnten damit auch nicht zulasten des D&O-Versicherers der AGB-Kontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB unterzogen werden. Hieran ändert auch eine Klausel nichts, wonach der Versicherer als Verwender der Bedingungen anzusehen ist. Solche Regelungen sind rechtlich regelmäßig unwirksam.

Gesteigertes Haftungsrisiko für Makler

Soweit ersichtlich, hatte das Urteil des Bundesgerichtshofs bislang keine großen Auswirkungen auf die Marktpraxis. In viele Versicherungsverträge werden weiterhin entweder ganze Bedingungswerke oder einzelne Klauseln einbezogen, die aus der Feder von Maklerhäusern stammen. Hiermit ist ein gesteigertes Haftungsrisiko für Makler verbunden. Klauseln, wonach der Versicherer als Verwender anzusehen ist, sollten konsequenterweise gestrichen werden.

Die Liste zu den Klauseln, die bei der Bedingungsgestaltung hinterfragt werden sollten, ließe sich leicht erweitern. Es bleibt abzuwarten, ob sich der Trend zu immer neuen Deckungserweiterungen fortsetzt oder an der einen oder anderen Stelle vielleicht doch zu älteren Regelungen zurückgekehrt wird.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 12/2017, Seite 132 f.

 
 
Ein Artikel von
Dr. Tanja Schramm