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8. Juli 2022
Berichten Sie über Ihre Haltung zur Nachhaltigkeit!

Berichten Sie über Ihre Haltung zur Nachhaltigkeit!

Vermittlerbetriebe, die ihre Nachhaltigkeitsbemühungen kommunizieren wollen, bekommen beim BVK die Möglichkeit, ihre Nachhaltigkeitsstrategie zu veröffentlichen. Teilnehmende Vermittlerbetriebe erhalten dafür ein Siegel.

Ein Fachbeitrag von Stefan Frigger, Geschäftsführer bei der BVK-Dienstleistungsgesellschaft mbH

Viele Vermittler nehmen aktuell Nachhaltigkeitsthemen als Gegenstand von Normen und Zwang wahr. Der Grund: ein völlig misslungenes erstes Date! Mit der EU-Transparenzverordnung ist vor etwas mehr als einem Jahr seitens der europäischen Regulierer viel Schaden angerichtet worden. Durch die aus jedem zeitlichen Bezugsrahmen gefallene Vorschrift wurde der Begriff der „Nachhaltigkeit“ für große Teile der Branche ohne Not negativ aufgeladen, was im Vorfeld der Abfragepflicht der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden voraussichtlich ab August 2022 noch größer zu werden droht.

Dabei eröffnet sich bei einem zweiten Blick eine für interessierte Vermittler chancenreiche Welt, die zudem die dringend notwendige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft unterstützt. Die Annäherung an die Thematik muss dabei zwei Sichtweisen streng voneinander trennen: Die Grundidee des Konzepts der „Nachhaltigkeit“ und der „Nachhaltigen Entwicklung“ einerseits und andererseits die regulatorische Umsetzung politischer Aktionspläne. Letztere führen zwar den Begriff, nicht aber die eigentliche Bedeutung des Konzepts im Titel.

Durch die vielfältigen Informations- und Qualifizierungsangebote gilt die Interpretation von „Nachhaltigkeit“ als Ausdruck einer allgemeinen Wertehaltung als etabliert. Der „nachhaltige“ Umgang mit knappen Ressourcen ist ursprünglich als Gegenpol zu einer „nachlässigen“ Grundhaltung unstrittig Gegenstand von Naturwissenschaften und Ethik, nicht juristischer Regulierung. Die Grundaussage einer Wertehaltung mit dem Ziel eines jederzeit harmonischen Gleichklangs ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte findet in den „Zielen für nachhaltige Entwicklung“ eine Leitlinie nachhaltigen Handelns. Diese Ziele wurden von den Vereinten Nationen formuliert und von den Mitgliedsstaaten anerkannt, sodass auch hier ein etablierter Startpunkt existiert.

Rahmenbedingungen der Maklerpositionierung

Zu einem Gegenstand politischen Planens und Agierens mit den üblichen Normierungs- und Regulierungsfolgen wurde Nachhaltigkeit erst deshalb, weil sich die für die Sicherung der Lebensgrundlagen notwendige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ohne Eingriff und Steuerung nicht im notwendigen Umfang vollzieht. Zur Finanzierung dieser gewaltigen Aufgabe werden Regulierungspakete geschnürt, die unter anderem die Lenkung der Finanzströme in solche Anlagen zum Ziel haben, die den größten Beitrag zur Transformation leisten. Der Rest folgt einer verlässlichen Logik: Welche Anlagen dies sein sollen, muss definiert werden (Taxonomie), wie die Finanzströme gelenkt werden sollen („sustainable finance action plan“), ob und welche Anreize gesetzt werden sollen und wie darüber informiert und kommuniziert werden soll.

Für den Maklerbetrieb lautet die Pflicht weiterhin, vorgabengerecht zu arbeiten. Die Kür besteht in der Positionierung durch wahrnehm­bare Kommunikation der eigenen Wertehaltung zur Nachhaltigkeit und der daraus resultierenden Umsetzung im Vermittleralltag.

Vermittler in der Poleposition

Die Chancen für solche Vermittler, die sich Nachhaltigkeitsaspekten ohne Vorbehalte öffnen, sind enorm. Durch ihre Beratungs- und Vermittlungstätigkeit in allen Fragen der Vorsorge, Anlage und Risikoabsicherung nehmen sie per se eine mächtige Position bei der Lenkung der Finanzströme in nachhaltige Anlagen ein. Altersvorsorgeberatung kann als Entsprechung der Forderung nach Generationen­gerechtigkeit, eine der Kernforderungen der nachhaltigen Entwicklungsziele, argumentiert werden, andere Sparten mit geeigneten Produkten und Lösungen können ebenfalls auf die UN-Ziele gespiegelt werden.

Vermittler nehmen aufgrund ihres Geschäftsmodells per se eine Poleposition beim Thema Nachhaltigkeit, insbesondere beim Faktor „S“, ein. Aus diesem Grund sieht der Berufsverband für Versicherungskaufleute e. V. (BVK) eine entsprechende offensive und Impact-orientierte Strategie als berufspolitische Selbstverständlichkeit.

 

Berichten Sie über Ihre Haltung zur Nachhaltigkeit!

 

Da konkrete Praxishilfen für den Vermittleralltag zu den Leistungen gehören, wurde der Berichtsstandard „Nachhaltiger Vermittlerbetrieb“ entwickelt.

Positionierung: Tue Gutes und rede darüber!

Vermittlerbetriebe, die ihr Engagement in Form einer öffentlich einsehbaren Nachhaltigkeitsstrategie oder eines Nachhaltigkeitsberichts dokumentieren wollen, können dies unter https://nachhaltiger-vermittlerbetrieb.de tun und das kalenderjährlich zu erneuernde Siegel verliehen bekommen (siehe Bild oben). Auf Anfrage werden ein beschreibbares Word-Template und Formulierungshilfen bereitgestellt, darüber hinaus gibt es individuelle Coaching-Angebote.

Der Berichtsstandard wurde unter Annahme folgender Thesen entwickelt:

Freiwilligkeit und Überzeugung

Nur derjenige, der aus einer intrinsisch motivierten Grundüberzeugung heraus authentisch gegenüber der Öffentlichkeit, den Kunden und anderen Stakeholdern auftreten kann, kann Wettbewerbsvorteile erlangen und einen Beitrag zur Verfolgung der Ziele für nachhaltige Entwicklung leisten.

Selbsterklärung statt Zertifizierung

Normen führen häufig zum „Normen-Limbo“: Trifft das auf mich zu? Habe ich eine Übergangsfrist? Kann ich das umgehen? Ist die Nichterfüllung strafbewehrt? Der Versuch, menschliches Verhalten durch Zertifizierung und Normen beurteilen und lenken zu können, hat nur selten zum gewünschten Ergebnis geführt. So können Normen zur Verhinderung von Greenwashing auch zu mehr Greenwashing führen. Der Berichtsstandard des BVK gibt ausreichend Raum für die Darstellung von umfassenden Anerkennungen (z. B. Gemeinwohlzertifizierung) oder von Einzelaspekten (z. B. die Ermittlung des CO2-Abdrucks des Vermittlerbetriebes), der Standard selbst versteht sich nicht als Zertifikat. Das Siegel weist lediglich nach, dass nach dem Standard berichtet wird.

Respekt vor der Individualität nachhaltiger Wertehaltung und Handlung

Jeder Vermittlerbetrieb ist in seiner Gesamtheit einmalig. Das gilt auch für die Wertehaltungen des Inhabers, seiner Mitarbeiter und der wesentlichen Stakeholder. Diese Individualität darzustellen, braucht freien Raum. Der Berichtsstandard sieht zwar zwölf Kriterien vor, die Darstellung von Zielen, Strategie und Maßnahmen bleibt aber frei von Vorgaben.

Orientierung an ESG-Kriterien und UN Sustainable Development Goals (SDG)

Der Grundaufbau orientiert sich an vorhandenen Berichtsstandards – vor allem dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex. Diese sind in ihrem vollen Umfang nicht auf Vermittlerbetriebe anwendbar, weshalb hier zwölf Kriterien in vier Kategorien genannt werden. Im einzelnen handelt es sich dabei um:

  • Kategorie „Strategie“

Nachhaltigkeitsstrategie, Wesentlichkeit und Wertschöpfung

  • Kategorie „Unternehmensführung“

Prozesse und Regeln, Nachhaltige Führung und Stakeholder

  • Kategorie „Umwelt“

Ressourcen und Emissionen, Ressourcenmanagement und Umwelt-Engagement

  • Kategorie „Soziales“

Menschen- und Arbeitnehmerrechte, Gemeinwesen und Solidarität und Compliance

Weitere Informationen und die Plattform zum Upload der schriftlichen Nachhaltigkeitsstrategien finden Sie hier.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 06/2022 und in unserem ePaper.

Bild: © Coloures-Pic – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Stefan Frigger