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20. August 2019
Betreuungspflichten des Maklers umfassen auch Vorversicherungen

Betreuungspflichten des Maklers umfassen auch Vorversicherungen

Betreuungspflichten von Versicherungsmaklern betreffen nicht nur selbst vermittelte Verträge. Auch Vorversicherer sind zu berücksichtigen, wie eine Entscheidung des OLG Düsseldorf deutlich macht. Angelika Römhild, Rechtsanwältin des BVK, erläutert das Urteil und seine Folgen für Makler – und gibt abschließend Tipps für die Tagesarbeit.

Von Angelika Römhild, Rechtsanwältin des Bundes­verband Deutscher Versicherungskaufleute e. V. (BVK)

Versicherungsmakler sollten eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf (Urteil vom 13.07.2018, Az.: I-4 U 47/17) kennen, weil hier die Reichweite der Maklerpflichten in die Vergangenheit thematisiert wird: Betreuungspflichten betreffen nicht nur selbst vermittelte Verträge. Ein den Versicherungsnehmer betreuender Versicherungsmakler muss bei einer Schadenmeldung auch prüfen, ob möglicherweise ein Vorversicherer eintrittspflichtig ist, und zwar auch dann, wenn der Vorversicherungsvertrag nicht durch den Makler vermittelt worden war.

Vorgeschichte: Makler deckt Betriebshaftpflicht um

Im vorliegenden Fall hatte ein Architekt die beklagte Versicherungsmaklerin auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Kläger war mit der Planung und Überwachung eines Dachausbaus eines Wohnhauses beauftragt. Der damit befasste Handwerker musste wegen Feuchtigkeitsproblemen nachbessern. Nachdem der Handwerker in Insolvenz gefallen war, wurde der Architekt vom Hausbesitzer auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Vor Gericht wurde schließlich ein Vergleich geschlossen, wonach sich der Architekt zur Zahlung von 6.000,00 Euro verpflichtete. Vor der Beauftragung der beklagten Versicherungsmaklerin war der Kläger bei der V. Allgemeine Versicherung AG betriebshaftpflichtversichert. Diese Versicherung wurde seitens der Beklagten umgedeckt.

Im Jahr 2012 meldete der Kläger seinen Schadensersatzanspruch telefonisch bei der Maklerin. Diese übersandte ihm ein Schadenanzeigeformular, das er am 20.02.2012 an die Beklagte zurückschickte. Der Versicherer bat mit E-Mail vom 12.03.2012, den Schaden bei der V. Allgemeine Versicherung AG zu melden. Am 14.03.2012 übersandte die Maklerin die Schadensanzeige an die V. Allgemeine Versicherung AG.

Unverzügliche Meldung fehlt

Der Versicherer lehnte jegliche Deckung ab, da aufgrund Fristablaufs von fünf Jahren seit Vertragsende kein Versicherungsschutz bestehe. Argumentiert wurde damit, dass die Maklerin nach Erhalt des Schreibens den Schaden nicht unverzüglich gemeldet habe. Das OLG befürwortete den Schadensersatzanspruch gegen die Versicherungsmaklerin. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte ihre Pflicht zur Betreuung des Klägers aus dem Maklervertrag verletzt hat, indem Sie den Schaden nach der telefonischen Schadenmeldung des Klägers am 03.02.2012 und Übersendung der schriftlichen Schadenanzeige vom 20.02.2012 nicht unverzüglich bei der V. Allgemeine Versicherung AG meldete oder zumindest dem Kläger mitteilte, dass er selbst eine entsprechende Meldung vornehmen müsste.

Das Gericht nahm in seiner Begründung Bezug auf das Sachwalterurteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 22.05.1985, Az.: IVa ZR 190/83). Es hob hervor, dass die Beklagte als Versicherungsmaklerin mit der Abwicklung von Schadenfällen gegenüber Versicherern vertraut ist. Sie sei deshalb auch besonders sachkundig im Hinblick auf den Inhalt der Versicherungsbedingungen, die hingegen dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht in vergleichbarer Weise geläufig sind.

Makler muss Erklärungen prüfen

Das Oberlandesgericht nahm weiterhin Bezug auf die Regelung in § 11 Nr. 2 AVB, die im Rahmen der vermittelten Berufshaftpflichtversicherung vereinbart worden war, wonach die Beklagte berechtigt ist, Anzeigen, Willenserklärungen und Zahlungen des Versicherungsnehmers entgegenzunehmen, und verpflichtet ist, sie unverzüglich an den Versicherer weiterzuleiten.

Auch wenn diese Regelung zunächst lediglich im Rahmen des Versicherungsvertrags vereinbart worden ist, ergeben sich aus ihr im Rückschluss auch Verpflichtungen hinsichtlich des Maklerverhältnisses zwischen den Parteien. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann dem entnehmen, dass der Beklagte nicht nur hinsichtlich der Vermittlung und des Abschlusses des Vertrags sowie der Zahlung der Beiträge sein Ansprechpartner ist, sondern auch im Rahmen der Schadenabwicklung. Daraus folgen dann entsprechende Betreuungspflichten des Maklers, die sich nicht allein in der bloßen Weiterleitung von Anzeigen und Willenserklärungen als eine Art Poststelle erschöpfen. Vielmehr muss der Makler von den Anzeigen und Willenserklärungen auch inhaltlich Kenntnis nehmen und sie daraufhin prüfen, ob sie den von ihm zu schützenden Interessen des Versicherungsnehmers auch tatsächlich gerecht werden.

Prüfpflicht unabhängig von Vermittlung

Das Gericht hat folgende Punkte in seiner Urteilsbegründung besonders hervorgehoben: Nach der Rechtsprechung des BGH gehört es zu den Aufgaben des Maklers, den Versicherungsnehmer im Schadenfall sachkundig zu beraten, für sachgerechte Schadenanzeigen zu sorgen und bei der Schadenregulierung die Interessen des Versicherungsnehmers wahrzunehmen. Laut BGH ist es unerheblich, ob die konkrete Versicherung vom Makler vermittelt wurde (Urteil vom 14.01.2016, Az.: I ZR 107/14).

Ferner hat die beklagte Versicherungsmaklerin laut dem Gerichtsurteil ihre Maklerpflichten verletzt, da sie die schriftliche Schadenanzeige vom 20.02.2012 nicht unverzüglich an den Vorversicherer übersandt hat, sondern erst mit Schreiben von 14.03.2012, damit also erst mehr als drei Wochen später. Auch hätte die Versicherungsmaklerin laut dem Gericht die Schadenanzeige vorsorglich unverzüglich auch an die V. Allgemeine Versicherung AG senden oder zumindest dem Kläger mitteilen müssen, dass er selbst unverzüglich seine Versicherung informieren müsste.

Der Versicherungsschutz ist im vorliegenden Fall entfallen, weil der Verstoß erst später als fünf Jahre nach Ablauf des Versicherungsvertrags mit der V. Allgemeine Versicherung AG gemeldet wurde. Bei der 5-Jahres-Frist handelt es sich um eine risikobegrenzende Ausschlussfrist. Allerdings ist hinsichtlich der Versäumung der Ausschlussfrist ein Entschuldigungsbeweis möglich. In dem Fall müsste der Verstoß aber nach entsprechender Kenntniserlangung seitens des Versicherungsnehmers unverzüglich nachgemeldet werden. Vorliegend erfolgte die Schadenanzeige vom 14.03.2012 aber gerade nicht mehr unverzüglich.

Kein Verschulden des Versicherungsnehmers

Das Gericht betont weiter, dass ein eigenes Verschulden des klagenden Architekten nicht festgestellt werden kann. Der Kläger konnte aufgrund der Betreuungspflichten der Versicherungsmaklerin davon ausgehen, dass sie ihn über sämtliche erforderlichen von ihm zu ergreifenden Maßnahmen in Kenntnis setzen wird. Dass sich der Kläger darauf verlassen hat, ist nicht gegen die erforderliche Sorgfalt. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die beklagte Versicherungsmaklerin sich ihm gegenüber als besonders fachkundig ausgegeben und gerade auch mit der Betreuung bei der Schadenabwicklung geworben hat. Der Kläger durfte dabei auch darauf vertrauen, dass ihm die Versicherungsmaklerin rechtzeitig die für die Schadenabwicklung erforderlichen Fragen stellen und als seine Sachwalterin tätig werden würde.

Dieses Vertrauen in die Maklerin durfte der Kläger auch dann haben, wenn ihm bewusst gewesen sein sollte, dass für den Versicherungsfall die Vorversicherung zuständig war, da er gerade angesichts der von der Beklagten angepriesenen Leistungen im Zusammenhang mit Schadenfällen nach einem Wechsel des Versicherers davon ausgehen durfte, dass sich die beklagte Maklerin um diese Angelegenheit vollumfänglich kümmern wird.

Tipps für die Tagesarbeit
  • Der betreuende Versicherungsmakler muss bei einer Schadenmeldung auch prüfen, ob möglicherweise ein Vorversicherer eintrittspflichtig ist.
  • Dies gilt auch dann, wenn der Vorversicherungsvertrag nicht durch den Versicherungsmakler vermittelt worden war. Das heißt für die Betreuungspflicht ist nicht nur selbst vermitteltes Geschäft relevant.
  • Gegebenenfalls hat der Versicherungsmakler seinen Kunden zumindest darauf hinzuweisen, dass eine unverzügliche Schadenanzeige auch dem Vorversicherer gegenüber erforderlich ist.
  • Die Arbeitsabläufe im Maklerunternehmen müssen so organisiert sein, dass diese Erfordernisse durch die einzelnen Arbeitsschritte gewährleistet werden.
  • Ein Makler fungiert für seine Kunden nicht nur als eine Art „Poststelle“. Die Anzeigen und Willenserklärungen, die ihm zugehen, muss er nicht nur formal wahrnehmen, sondern auch inhaltlich zur Kenntnis nehmen und darauf prüfen, ob sie den von ihm zu schützenden Interessen des Versicherungsnehmers gerecht werden.
  • Maklerinnen und Makler sollten sich bewusst machen, dass ihre Kunden ein sehr weitreichendes Vertrauen in ihre Fürsorge bei der Betreuung haben dürfen. Ein Makler muss „sich kümmern“.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 08/2019, Seite 126f und in unserem ePaper.

Bild: © stokkete – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Angelika Römhild