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10. Mai 2019
Bringt Solvency II die kleineren Versicherer in Gefahr?

Bringt Solvency II die kleineren Versicherer in Gefahr?

Kritiker von Solvency II bemängeln die Benachteiligung von kleineren Versicherern aufgrund überproportional gestiegener Verwaltungskosten durch das Aufsichtsregime. Vor diesem Hintergrund hatte die FDP-Bundestagsfraktion eine Kleine Anfrage gestellt. In ihrer Antwort kann die Bundesregierung die Kritik nicht bestätigen. Auch die Versicherungsaufsicht hält dagegen.

In ihrem aktuellen Jahresbericht vertritt die BaFin die Auffassung, die Fortschritte durch das Aufsichtsregime Solvency II überstiegen drei Jahre nach dessen Inkrafttreten im Januar 2016 die Bremseffekte, die ihm unterstellt würden. Kritiker bemängeln unter anderem, dass es zu aufwendig sei, den Berichtspflichten nachzukommen oder dass kleinere Versicherer benachteiligt würden. Der Kritik wolle er Positives entgegenhalten, kommentiert Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht bei der BaFIn: „Die Gesamtheit der aus dem Solvency and Financial Condition Report (SFCR), dem Regular Supervisory Reporting (RSR) sowie dem Own Risk and Solvency Assessment (ORSA) bestehenden Berichtspflichten zwingt Versicherungsunternehmen dazu, sich mit den wesentlichen Merkmalen ihres Schaffens auseinanderzusetzen – mit ihren Kunden, ihrer Governance und ihrem Risikoprofil.“

FDP: Wettbewerbsnachteil für kleinere Versicherungsunternehmen

Die erfolgte Solvency-II-Umsetzung hat laut einer GDV-Untersuchung jedoch zu deutlich höheren Kosten bei der Einführung und im laufenden Betrieb bei Versicherungen geführt. „Bei kleineren Versicherungsunternehmen steigen die Verwaltungskosten überproportional“, meint dazu Stefan Schumacher, Vorstand der vigo Krankenversicherung VVaG. Die Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, Bettina Stark-Watzinger, kommentiert: „Der Wettbewerb lebt von der Vielfalt, nicht von der Dominanz einiger großer Unternehmen. In Deutschland gibt es viele kleinere Versicherungsunternehmen, teilweise mehr als hundert Jahre alt, die regional oder segmentspezifisch sehr erfolgreich sind, aber mit der EU-Regulierung und der noch weitergehenden nationalen Umsetzung einen Wettbewerbsnachteil erleiden. Hier besteht seitens der Politik Handlungsbedarf.“

Vor diesem Hintergrund hat die FDP-Bundestagsfraktion Mitte April eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, welche Konsequenzen die mit Blick auf das Berichtswesen komplexe und aufwendige Regulierung insbesondere für kleinere und mittlere Versicherungsunternehmen zur Folge habe (Bundestagsdrucksache 19/8974).

Bundesregierung: Verwaltungskostenquote kleiner und mittelgroßer Versicherungsunternehmen nur bei 9%

Aus der nun vorliegenden Antwort der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 19/9576) geht hervor, dass sich die Verwaltungskosten für die von der BaFin beaufsichtigten kleinen und mittelgroßen Versicherungsunternehmen (deren Kapitalanlagevolumen unter 1 Mrd. Euro liegt und deren jährliche Bruttobeitragseinnahme je nach betriebener Sparte weniger als 150 Mio. Euro oder 2000 Mio. Euro beträgt) von 6,323 Mrd. Euro im Jahr 2008 auf 5,325 Mrd. Euro im Jahr 2017 verringert haben. Im Jahr 2017 hätten die Verwaltungskosten der gesamten Versicherungsbranche gut 11% der verdienten Beiträge ausgemacht, bei den kleinen und mittelgroßen Versicherungsunternehmen habe die Quote dagegen nur knapp 9% betragen, führt die Bundesregierung in ihrer Antwort weiter aus, weshalb die Vermutung, dass vor allem kleine und mittelgroße Versicherungsunternehmen von hohen Verwaltungskosten betroffen seien, nicht bestätigt werden könne.

Die kleinen und mittelgroßen Versicherungsunternehmen haben laut Bundesregierung die Umstellung auf Solvency II insgesamt gut gemeistert. Der Proportionalitätsgrundsatz habe dazu beigetragen, dass diese Unternehmen mit ihren Ressourcen alle Anforderungen erfüllen und ihre Geschäftstätigkeit fortführen könnten. Allerdings sollte aus Sicht der Bundesregierung die europäische Regulierung weiterentwickelt werden, um insbesondere kleinen Versicherungsunternehmen mit einfachem Risikoprofil besser Rechnung zu tragen. Gelegenheit dazu bestünde im Zuge des Solvency-II-Reviews 2020. (ad)

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