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19. Februar 2024
BU: Ist ein Verschweigen von Kopfschmerzen grob fahrlässig?
BU: Ist ein Verschweigen von Kopfschmerzen grob fahrlässig?

BU: Ist ein Verschweigen von Kopfschmerzen grob fahrlässig?

Ein BU-Versicherer fragt im Antrag nach Kopfschmerzen mit einer „Häufigkeit von mehr als 2 x pro Monat“. Der Versicherungsnehmer verschweigt indes ausgeheilte Kopfschmerzen über einen Zeitraum von etwa zwei Monaten. Hat der Versicherer das Recht, den Vertrag zu kündigen?

In der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) treten oftmals rechtliche Auseinandersetzungen zwischen dem Versichertem und seinem Versicherer auf. Ein Grund dafür kann der Rücktritt des Versicherers vom Versicherungsvertrag sein. Doch wann ist ein Rücktritt durch den Versicherer gerechtfertigt und in welchen Fällen nicht? Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig (OLG) zeigt einmal mehr, dass es dabei vor allem auf die Fragen im BU-Versicherungsantrag ankommt.

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Was war geschehen?

Im vorgelegten Sachverhalt hatte die Klägerin in einem Versicherungsantrag folgende Frage mit „Nein“ beantwortet:

„Bestehen oder bestanden bei Ihnen in den letzten 5 Jahren Erkrankungen, Gesundheits- oder Funktionsstörungen, aufgrund derer Sie in Behandlung waren (z. B. bei Ärzten, Heilpraktikern, Psychologen/Psychotherapeuten) bzw. Medikamente (mehr als 1x wöchentlich) einnehmen mussten, wegen: […]

6.9. Kopfschmerzen (Schmerzdauer > 5 Stunden täglich, Häufigkeit > 2 x pro Monat) oder Migräne“ [...]

Und tatsächlich hatte die Klägerin in dem vom BU-Versicherer erfragten Zeitraum einen Unfall, aufgrund dessen sie über einen Zeitraum von etwa zwei Monaten Kopfschmerzen hatte. Einige Jahre später wurde die Klägerin berufsunfähig und stellte einen Leistungsantrag beim Versicherer. Diese erkannte die Leistung zwar an, erklärte aber unter anderem wegen der Kopfschmerzen nach dem Unfall den Rücktritt vom Versicherungsvertrag. Damit war die BU-Versicherte nicht einverstanden und ging gerichtlich gegen den Rücktritt vom Vertrag des Versicherers vor.

Grobe Fahrlässigkeit war nicht zu erkennen

Die Richter am OLG gaben im vorgelegten Fall der Klägerin recht. Zwar handelte es sich nach Auffassung des Gerichts bei den vermeintlich verschwiegenen Rückenbeschwerden tatsächlich um die unfallbedingten Nackenschmerzen. Allerdings bedurften diese keiner weiteren Behandlung, heilten folgenlos aus und waren laut dem OLG als „Bagatelle“ nicht anzeigepflichtig. 

Die Kopfschmerzen waren hingegen zwar gefahrerheblich und hätten grundsätzlich angezeigt werden müssen. Allerdings vermochte das OLG bei der Klägerin keine „grob fahrlässige Anzeigepflichtverletzung“ zu erkennen. Es argumentierte nämlich, dass aufgrund der oben wiedergegebenen Frage nach Kopfschmerzen über mehr als fünf Stunden täglich und einer Häufigkeit von mehr als zwei Mal im Monat durchaus der Eindruck entstehen konnte, dass nur chronisch wiederkehrende Kopfschmerzen gemeint sind. Soweit die Klägerin aufgrund dieses Verständnisses der Frage die Kopfschmerzen nicht angegeben hat, war das aus Sicht des OLG jedenfalls nicht grob fahrlässig

Versicherer stand auch kein Rücktrittsrecht zu

Die Folge war, dass der Rücktritt durch den BU-Versicherer wegen § 19 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) scheiterte. Denn nach dieser Klausel ist ein Rücktritt ausgeschlossen, wenn die Anzeigepflicht nur leicht fahrlässig verletzt wurde.

Aber auch bei einem grob fahrlässigen Verschweigen der Kopfschmerzen wäre der Rücktritt in diesem Fall nach § 19 Abs. 4 VVG unwirksam gewesen, so das OLG. Nach dieser Klausel ist ein Rücktritt nämlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Anzeigepflicht zwar grob fahrlässig verletzt wurde, aber der Versicherer den Versicherungsvertrag auch in Kenntnis der verschwiegenen Kopfschmerzen abgeschlossen hätte. Der BU-Versicherer hätte den Versicherungsvertrag auch in Kenntnis der Kopfschmerzen mit einem Risikozuschlag abgeschlossen. Damit hätte er auch bei einem grob fahrlässigen Verhalten der Kläger nur eine Vertragsanpassungs-, aber kein Rücktrittsrecht gehabt.

Schlussfolgerung des Urteils für Versicherungsmakler

„Dieses Urteil zeigt einmal mehr, dass auch bei einem Rücktritt die Interessen von Versicherungsnehmern erfolgreich durchgesetzt werden können“, kommentiert Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing, Fachanwalt für Versicherungsrecht bei der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte. „Allerdings müssen dafür immer auch die Fragen im Versicherungsantrag genau geprüft werden.“ (as)

OLG Schleswig, Urteil vom 08.01.2024 – Az. 16 U 107/22

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