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25. Januar 2024
BU: Wann ist eine Erkrankung dauerhaft?

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BU: Wann ist eine Erkrankung dauerhaft?

In der Regel gilt eine Person als berufsunfähig, wenn sie ihren Beruf dauerhaft nicht mehr hälftig ausüben kann. Viele Bedingungswerke der Versicherer verstehen unter Dauerhaftigkeit eine Krankheit von mindestens sechs Monaten. Das OLG Dresden befasste sich mit einem Fall, in dem dies nicht geregelt war.

Ein Beitrag von Dr. Arnd Böhmer, LL.M., Rechtsanwalt bei der Kanzlei Voigt Rechtsanwalts GmbH

Seit der Bundesgerichtshof (BGH) vor vielen Jahren zu der Erkenntnis gelangte, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer gar nicht in der Lage ist, Versicherungsbedingungen wie Gesetze auszulegen, gilt der Satz in Stein gemeißelt: „Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann.“ Wie schwer es sogar Obergerichten fällt, dieses Postulat umzusetzen zeigt ein Fall, den das Oberlandesgericht (OLG) Dresden (Beschluss vom 12.10.2022, Az. 4 U 673/22) zu entscheiden hatte.

Was war geschehen?

Was war passiert: Die Klägerin unterhielt eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Hier war es aber so, dass sich die Definition des Versicherungsfalles ganz erheblich von den am Markt etablierten Bedingungswerken unterschied.

In § 15 des Bedingungswerkes stand: „Als berufsunfähig ist derjenige anzusehen, der durch körperliche Gebrechen oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte unfähig ist, eine seiner Vorbildung und seiner bisherigen Tätigkeit entsprechenden Beschäftigung auszuüben.“

Die Klägerin erkrankte an Brustkrebs. Sie wurde operiert, bestahlt und war vom 13.12.2017 bis zum 23.09.2018 durchgehend arbeitsunfähig. In Anbetracht der Diagnose darf wohl unterstellt werden, dass die Klägerin in dem zuvor skizzierten Zeitfenster auch nicht in der Lage war, ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Kundenberaterin oder einer Vergleichstätigkeit in einem mindestens halbschichtigen Umfang nachzugehen.

Die verklagte Versicherung sah sich aus mehreren Gründen als leistungsfrei an. Im Kern argumentierte sie aber, dass die gesundheitlichen Einschränkungen nicht dauerhaft vorgelegen hätten. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass es darauf nicht ankomme, da das Bedingungswerk keine Dauerhaftigkeit fordere. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Nun musste sich das OLG mit den Argumenten befassen.

So bewertete das OLG das Bedingungswerk

Zunächst räumten die Richter ein, dass Brustkrebs eine schwere Erkrankung sei. Es stelle sich aber die Frage, ob diese Erkrankung zu dauerhaften Leistungseinschränkungen führe. Dies sei unter Berücksichtigung des oben genannten Grundsatzes zu ermitteln, wonach es auf das Verständnispotenzial eines verständig lesenden, aber versicherungsrechtlich nicht vorgebildeten Versicherungsnehmers ankomme. Das Gericht räumte ein, dass in dem zugrunde liegenden Bedingungswerk nichts über die leistungsauslösende Dauer der Berufsunfähigkeit stehe. Das sei aber auch entbehrlich, da sich das Erfordernis der Dauerhaftigkeit sowohl aus der gesetzlichen Definition der Berufsunfähigkeit als auch aus dem Versorgungscharakter der BU, die typischerweise gegen dauerhafte Einkommenseinbußen absichern will, ergebe. Überprüfen wir beide Argumente.

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Seite 2 Bewertung des Beschlusses

 
Ein Artikel von
Dr. Arnd Böhmer