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9. Oktober 2023
BU: Was bedeutet der Wegfall gefahrerhöhender Umstände?

BU: Was bedeutet der Wegfall gefahrerhöhender Umstände?

Bei der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsversicherung können Versicherer Risikozuschläge wegen gefahrerhöhender Umstände verlangen. Rechtsexperte Björn Thorben M. Jöhnke erläutert in seiner regelmäßig erscheinenden BU-Kolumne, unter welchen Voraussetzungen der Versicherer diese Risikozuschläge wieder aus dem Vertrag nehmen muss.

Artikel von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Nach § 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) hat der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Ob auch ungefragte Angaben zu machen sind, kann in diesem Text nachgelesen werden. Werden gefahrerhöhende Umstände vom Versicherten im Versicherungsantrag jedoch nicht angegeben, wird dadurch die vorvertragliche Anzeigepflicht des Antragstellers verletzt und dem Versicherer stehen im Einzelfall möglicherweise Gestaltungsrechte wie zum Beispiel Rücktritt (hier), Kündigung (hier), Anfechtung (hier), Vertragsanpassung (hier) zu.

Hat der Versicherte jedoch wahrheitsgemäße Angaben gemacht und hat der Versicherer daraufhin einen Risikozuschlag erhoben, stellt sich die Frage, ob auch ein Anspruch des Versicherten auf „Herausnahme“ dieses Zuschlags aus dem Versicherungsvertrag besteht. Ist dieses der Fall, würde dieses auch zu einer entsprechenden Prämienreduzierung führen. Mit dieser rechtlichen Fragestellung möchte sich dieser Artikel befassen.

Voraussetzungen der Prämienreduzierung

Fallen Gefahrumstände während der Vertragslaufzeit dauerhaft weg, so entspricht die vom Versicherer übernommene Gefahr nicht mehr der vom Versicherten zu zahlenden Prämie. In diesen Fällen besteht nach § 41 Satz 1 VVG das Recht, vom Versicherer die angemessene Herabsetzung der Prämie zu verlangen. Diese Bestimmung findet im Übrigen auch auf die Krankenversicherung Anwendung.

Voraussetzung für das Verlangen einer Prämienherabsetzung ist, dass gerade wegen bestimmter gefahrerhöhender Umstände überhaupt eine höhere Prämie vereinbart wurde. Diese dem Versicherten bekannten Umstände müssen Grund dafür gewesen sein, dass der Versicherer dem Versicherten eine höhere als die Regelprämie abverlangte. Nicht erforderlich ist, dass der Risikozuschlag aus dem Versicherungsschein ersichtlich ist oder die Prämienkalkulation dem Versicherten offengelegt wurde. Eine interne Kalkulation reicht aus, ist aber auch erforderlich. Diese für den Risikozuschlag ursächlichen gefahrerhöhenden Umstände müssen dauerhaft weggefallen oder bedeutungslos geworden sein. Es genügt nicht, wenn zwar ein gefahrerhöhender Umstand entfallen ist, insgesamt aber der Gefahrstand wegen hinzugekommener anderer gefahrerhöhender Umstände gleichgeblieben ist. Dabei kommt es auf die der Prämienanpassung zugrunde liegende subjektive Einschätzung des Versicherers an. Macht der Versicherte irrtümlich falsche Angaben über risikorelevante Umstände, so befindet er sich in einer vergleichbaren Lage, wie wenn ein solcher Umstand nach Vertragsschluss wegfällt.

Gestaltungsrecht des Versicherten

Unter diesen Voraussetzungen kann der Versicherte eine Prämienherabsetzung verlangen. Ihm wird insoweit ein unbefristetes und formfrei auszuübendes Gestaltungsrecht eingeräumt. Es wirkt ab Zugang des Herabsetzungsverlangens beim Versicherer, also nur für die Zukunft. Die Rückzahlung von zuvor zu viel gezahlten Prämienanteilen ist ausgeschlossen. Fällt aber der Zugang des Herabsetzungsverlangens in eine laufende Versicherungsperiode für die der Versicherte im Voraus gezahlt hat, so kann er die auf die Zeit nach dem Zugang entfallenden zu viel gezahlten Prämienanteile gemäß § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurückfordern.

Rechte und Pflichten des Versicherers

Der Versicherer ist in diesem Zusammenhang nicht verpflichtet, der Prämienkalkulation statt der eigenen Risikoeinschätzung, die dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende ärztliche Risikobeurteilung zugrunde zu legen. Vielmehr sind die Grundsätze, von denen sich der Versicherer bei der Risikoprüfung leiten lässt, maßgebend. Er ist also berechtigt, seine Prämienkalkulation auf eigenen Erfahrungswerten aufzubauen. Diese Prämienkalkulation ist dem Versicherten jedoch in der Regel unbekannt. Daher trifft den Versicherer eine besondere Substantiierungspflicht, wenn er sich gegen das Herabsetzungsverlangen wehrt. Der Versicherte kann verlangen, dass die Prämie „angemessen“ herabgesetzt wird. Wenn aber ein ausdrücklicher und bezifferter Risikozuschlag vereinbart wurde und genau diese Gefahr entfallen ist, muss dieser Zuschlag schlicht wegfallen. § 41 VVG ist eine halbzwingende Vorschrift, es kann also nur zugunsten des Versicherten davon abgewichen werden, nicht zulasten.

Häufig kennt der Versicherte dieses Recht nicht. Es trifft den Versicherer daher die Pflicht aus § 6 Abs. 4 VVG, den Versicherten auf die Möglichkeit der Rechte aus § 41 VVG hinzuweisen, wenn ihm der Wegfall der Gefahrumstände erkennbar ist. Verletzt er seine Beratungspflicht, so ist er dem Versicherten nach § 6 Abs. 5 VVG schadensersatzpflichtig. Zu beachten ist jedoch, dass dies nicht gilt, wenn der Vertrag von einem Versicherungsmakler vermittelt wird, § 6 Abs. 6 VVG.

Wen trifft die Beweislast?

Für den Wegfall gefahrerhöhender Umstände bzw. für seinen Irrtum über solche Umstände trifft den Versicherten die Beweislast. Er muss beweisen, dass wegen eben dieser Umstände eine höhere Prämie vereinbart wurde. Ist der Prämienzuschlag nicht im Antrag oder im Versicherungsschein exakt beziffert, sondern ergibt er sich aus einer rein internen Kalkulation des Versicherers, so trifft den Versicherer eine sekundäre Darlegungslast. Er muss substantiiert darlegen, wie sich seine ursprüngliche Prämienberechnung zusammensetzt. Schließlich trifft den Versicherten auch die Beweislast hinsichtlich des Zugangs seines Änderungsverlangens und dessen Zeitpunkt.

Fazit und Hinweise für die Praxis

Eine Prämienherabsetzung kann in vielen Fällen geboten sein. Denn liegt tatsächlich ein Risikofortfall vor, ist ein diesbezüglicher Versicherungsschutz mit erhöhter Prämie möglicherweise obsolet geworden. Versicherte müssen jedoch mittels ärztlicher Befunde beweisen, dass ein potenziell erhöhtes Risiko insgesamt nicht mehr besteht und dass zukünftig irgendwelche Folgen der damaligen Erkrankung nicht zu erwarten sind. Versicherte kennen ihre Rechte häufig nicht. Versicherungsvermittler sollten ihre Kunden daher über ihre Rechte entsprechend aufklären.

Bild: © Studio_East – stock.adobe.com; © Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Marco Krieter … am 05. Dezember 2023 - 11:06

Gem. § 176 VVG sind die §§ 150 -170 VVG auch auf die BU anzuwenden. In § 158 Abs. 3 VVG heißt es, dass § 41 VVG mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass eine Herabsetzung der Prämie nur wegen einer solchen Minderung der Gefahrumstände verlangt werden kann, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrminderung angesehen werden soll.

Fehlt es an einer solchen ausdrücklichen Vereinbarung, besteht m.E. kein genereller Anspruch auf Prämienminderung nach § 41 VVG. Dies ist in der Literatur umstritten, teilweise wird dort durchaus vertreten, dass auch in diesen Fällen ein Anspruch aus § 41 VVG bestünde, teilweise wird dagegen argumentiert. Ich denke, dass sollte erwähnt werden.

Kollegiale Grüße,

Marco Krieter

Versicherungs- und Rentenberater

Bochum