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2. Oktober 2023
BU: „Corona hat Fragilität von Gesundheit bewusster gemacht“

BU: „Corona hat Fragilität von Gesundheit bewusster gemacht“

Das Geschäft rund um Berufsunfähigkeitsversicherungen boomt und der Wettbewerb der Versicherer nimmt zu. Worauf kommt es bei der Beratung an und welches Vorgehen ist das beste? Im Interview berichten Dr. Berndt Schlemann und Felix Czekalla aus ihrem Arbeitsalltag.

Interview mit Dr. jur. Berndt Schlemann, Geschäftsführer, und Felix Czekalla, Finanzberater bei der Dr. Schlemann unabhängige Finanzberatung GmbH & Co. KG
Herr Dr. Schlemann, wie läuft das BU-Geschäft aktuell?

Dr. Berndt Schlemann Wir werden fast schon überflutet mit Buchungen. Vermutlich hat Corona die Fragilität von Gesundheit bewusster gemacht. Mit bis zu acht Kundenterminen am Tag sind die Kalender unserer Berater rappelvoll. Deshalb suchen wir unter schlemann.com/stellenanzeigen dringend gute Finanzberater.

Sie sind spezialisiert auf Akademiker. Ist es für Sie einfacher, BU-Versicherungsschutz für Ihre Kunden zu bekommen?

Felix Czekalla Der Wettbewerb der Versicherer um Akademiker hat in den letzten Jahren zugenommen. Neue BU-Abschlüsse mit besseren Leistungen sind teilweise sogar günstiger als ältere Verträge. Von „einfacher“ würde ich nicht sprechen. Akademiker sind anspruchsvolle Kunden und brauchen höhere Berufsunfähigkeitsrenten. Da schaut der Risikoprüfer genauer hin und verlangt zusätzlich eine ärztliche Untersuchung. Ein guter BU-Berater muss sich bei dieser Klientel deshalb nicht nur mit beruflichen Besonderheiten wie zum Beispiel Versorgungswerken bei Kammerberufen auskennen und Berufsunfähigkeitstarife überblicken, sondern auch Gesundheitsexperte sein.

Nutzen Sie die (dennoch) anonyme Risikoanfragen?

BS Die meisten Vorerkrankungen schätzen wir selbst ganz gut ein. Unsere erfahrenen Berater könnten meines Erachtens auch bei Versicherungen als Risikoprüfer anfangen. Risikoprüfungstools und unsere interne Know-how-Datenbank „SchleWiki“ helfen dabei.

Zusätzlich klärt unsere eigene Gesellschaftsärztin komplexere medi­zinische Fragen bei Antragstellung, Risiko- und Leistungsprüfung. Bei Bedarf verhandelt sie auf Augen­höhe mit Risikoprüfern und Versicherungsärzten kundenfreundliche Lösungen.

Anonyme Risikovoranfragen nutzen wir nur sehr gezielt in unklaren Fällen und nicht wahllos bei X Versicherern. Risikoprüfer wissen zu schätzen, dass wir mit ihrer knappen Zeit behutsam umgehen. Unsere Voranfragen werden bei positivem Ergebnis meistens auch zu Anträgen. Nicht zuletzt durch unser Umsatzvolumen profitieren wir und unsere Kunden deshalb von „Premiumservice“ mit festen Ansprechpartnern und schnellen Reaktionszeiten.

Ist ein möglicher Eintrag ins Hinweis- und Informationssystem der deutschen Versicherungswirtschaft (HIS) eigentlich der einzige Grund, Risikoanfragen erst mal anonym zu stellen?

BS HIS ist Geschichte. Die meisten für Akademiker relevanten Gesellschaften nehmen dort nicht mehr teil. Risikoprüfer treffen ihre Entscheidungen außerdem unabhängig von der Einschätzung anderer Gesellschaften.

Versicherer, mit denen wir intensiver zusammenarbeiten, gehen mit Risikovoranfragen ganz korrekt um. Auch ohne Anonymisierung werden sie nach drei Monaten „vergessen“ und gelöscht. Ein fachlicher Grund für Anonymität kann eine kritische Vorerkrankung sein, die einen Monat später nicht mehr anzugeben wäre.

Der wichtigste Grund für Anonymität ist Datenschutz, der bei uns sehr großgeschrieben wird – darüber habe ich promoviert. Zur Datenminimierung nach Art. 5 DSGVO übermitteln wir sensible Gesundheitsdaten unserer Kunden nur personalisiert, wenn das zwingend nötig ist.

Wie gehen Sie in der Beratung vor?

FC Wenn Sie nach „Beratung Berufsunfähigkeit: In vier Schritten zu Ihrer BU“ googeln, finden Sie eine genaue Beschreibung. Unsere Online-Beratung nutzen Kunden in ganz Deutschland. Wir gehen strukturiert in vier Schritten vor. Gerade Akademiker wissen das zu schätzen.

Schritt 1 – Vorbereitung: Vor dem Erstgespräch bereiten unsere Kunden ihre Gesundheitshistorie mit unserer Unterstützung sorgfältig vor. Nach Prüfung der Versicherbarkeit haben wir im Termin schon eine klare Gesprächsgrundlage.

Schritt 2 – Erstgespräch: Unsere Kunden sind meist gut vorinformiert und haben sich auf unserer Website, die einem BU-Lexikon gleicht, eingelesen. Im etwa zweistündigen Beratungsgespräch müssen wir deshalb nur selten Überzeugungsarbeit zur Notwendigkeit einer BU leisten. Nach Kennenlernen und Bedarfsanalyse besprechen wir vor allem die richtige Rentenhöhe und vergleichen passende Tarife. Danach sind unsere Kunden „entscheidungsreif“ und denken noch einmal in Ruhe nach.

Schritt 3 – Abschlusstermin: Im zweiten Termin nach etwa einer Woche besprechen wir Fragen. Unsere Kunden entscheiden sich in der Regel für leistungsstarke Tarife – nach unserer Auto-Analogie auf Mercedes- oder VW-Niveau. Zur Umsetzung bereiten wir Antrag, Dokumentation und Maklerauftrag zur digitalen Signatur vor. Eventuell folgen weitere Themen wie private Krankenversicherung, Geldanlage oder Sachversicherungen.

Schritt 4 – Policierung und laufende Betreuung: Wir prüfen sorgfältig, ob Anträge korrekt policiert werden. Berater und Innendienst stehen unseren Kunden weiter für Fragen, Vertragsanpassungen und jährliche Finanzchecks zur Verfügung. Unsere meist jungen Kunden haben noch viele finanzrelevante Ereignisse wie Karriere, Heirat, Geburt, Kauf einer Immobilie etc. vor sich. Selbstverständlich können sie dabei auf unsere Unterstützung zählen.

Immer wieder gibt es Sonderaktionen der Versicherer mit reduzierten Gesundheitsfragen. Ist das eine gute Sache für die Interessenten? Und warum geht das nicht immer?

BS Sonderaktionen sind immer positiv für Kunden, die nur so eine Berufsunfähigkeitsversicherung erhalten. Dabei darf die Tarifqualität nicht zu kurz kommen. Wir bewerten auch, ob Aktionen uns plausibel erscheinen. Kauft der Versicherer sich schlechte Risiken ein, oder erschließt er sich eine attraktive Zielgruppe ohne vorhersehbare Negativselektion? Plan B sind BU-Alternativen wie Grundfähigkeitsversicherung oder Dread-Disease-Versicherung.

Auf Fragen nach psychischen Erkrankungen, Krebs oder Rückenbeschwerden, die für über 60% der BU-Fälle verantwortlich sind, verzichtet kaum ein Versicherer. Hier scheitern auch Sonderaktionen.

Sie arbeiten auch damit?

BS Natürlich. Manchen Akademikern können wir sogar exklusive Sonderaktionen anbieten, die es nur bei uns gibt.

Wie läuft es aktuell generell mit den Versicherern – zunächst beim Antrag?

FC Wir arbeiten 100% digital, von Unterschrift, Einreichen des Antrags bis zur Policierung. Über Professional Works von DEMV klappt das inzwischen recht gut. Nur wenige Gesellschaften nerven uns immer noch mit Papierpost.

Und in der Leistungsregulierung?

FC Gute Nachrichten: Wenn mit unserer Hilfe bei Antragstellung alles richtig gemacht wurde, kommt es bei „guten“ Versicherern fast nie zum Prozess, sofern wirklich 50% Berufsunfähigkeit vorliegt. Unsere Kunden mussten ihre BU, soweit wir wissen, noch nie einklagen. Der von uns in Leistungsfällen empfohlene Versicherungsberater kommt auf eine Prozessquote von nur 0,45%.

Arbeiten Sie auch mit Nettotarifen?

FC Grundsätzlich bieten wir auch Nettotarife gegen Honorar an. Beim Thema BU ist das für Kunden allerdings häufig unattraktiv. Wer nicht versicherbar ist, müsste trotzdem ein Honorar zahlen. Bei einer Vermittlung gegen Courtage tragen wir dieses Risiko. Manchmal wechseln Kunden später in „bessere“ neue Tarife und müssten dann erneut zahlen. Die Auswahl an „guten“ Nettotarifen ist leider auch überschaubar.

Mit dem Blick nach vorne: Was würden Sie denn gerne in der BU-Versicherung für Fortschritte oder Innovationen sehen?

BS Wir wünschen uns, dass Ver­sicherer mutiger und schneller auf Veränderungen im Markt reagieren. Gehälter steigen, Lebensplanungen verlaufen nicht immer geradlinig, Berufsbilder verändern sich.

Die sogenannten „Annahmerichtlinien“ hinken dem Leben teilweise leider deutlich hinterher, beispielsweise bei der Grenze, ab der eine ärztliche Untersuchung nötig ist, oder bei der Höhe der versicherbaren Berufsunfähigkeitsrente. Inzwischen müsste sich herumgesprochen haben, dass kaum ein Arzt oder Rechtsanwalt eine BU-Rente vom Versorgungswerk erhält. Trotzdem können Kammer­berufe häufig nicht ihr volles Nettoeinkommen versichern, weil diese Renten hälftig abgezogen werden.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 09/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Dr. jur. Berndt Schlemann und Felix Czekalla, Dr. Schlemann unabhängige Finanzberatung GmbH & Co. KG

 
Ein Interview mit
Dr. jur. Berndt Schlemann
Felix Czekalla