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23. Januar 2023
Captives: „Das Geschäft bleibt dem Erstversicherungsmarkt fern“

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Captives: „Das Geschäft bleibt dem Erstversicherungsmarkt fern“

Erstaunlich ist es doch, dass Erstversicherer nun ihren Platz in Captive-Bestrebungen suchen und alternativen Risikotransfers zur Seite stehen wollen. Wie beurteilen Sie das?

SR Grundsätzlich ist mehr Eigentragung an sich kein Problem und für Unternehmen, die von ihrem eigenen Risikomanagement überzeugt sind, ein probates Mittel. Der Weg zu einer Captive ist über Machbarkeitsstudien und eine Gründungsphase mit allen regulatorischen Aspekten lang und nicht ganz einfach zu gehen. Daher ist ein Wettbewerb in Beratungs- und späteren Serviceleistungen durchaus willkommen.

Aber den Erstversicherern sollte klar sein, dass der Weg zu einer Captive für den Versicherungsnehmer eine langfristige und strategische Entscheidung sein kann. Ist ein solches Eigentragungsmodell umgesetzt, wird es nicht mehr so schnell gekippt werden und das Geschäft bleibt dem Erstversicherungsmarkt fern.

Also, lieber einen alternativen Risikotransfer zu begleiten als eine „klassische“ Cyberpolice anzubieten, ist nicht die Lösung?

SR Das wäre eine katastrophale Entwicklung, denn nur ein Teil der versicherungsnehmenden Wirtschaft ist überhaupt in der Lage, Captives ins Leben zu rufen. Das ist kein übliches Instrument für den Mittelstand. Aufseiten der KMU sehen wir zwar einen noch funktionierenden Markt, aber der Mittelstand, der für eine Captive zu klein ist, steht vor dem Problem der künstlichen Kapazitätenverknappung, das er entweder gar nicht oder nur zu außergewöhnlich hohen Preisen bei einem hohen administrativen Aufwand lösen kann.

Was erwarten Sie denn von Versicherern und auch Versicherungsmaklern in dieser Situation?

SR Wir wünschen uns von der Versicherungswirtschaft mehr partnerschaftliche Dialoge, was eine frühzeitige, kompetente Kommunikation erfordert. So gelangen wir zu einem gegenseitigen Verständnis, um kreative Lösungen für die Risiko­finanzierung zu entwickeln und umzusetzen. Ein Risikodialog oder auch die Ergebnisse daraus müssen nicht erst ein paar Tage vor dem Fristende zur Vertragskündigung stattfinden bzw. kommuniziert werden. Gelingt es den Versicherern jedoch nicht, den Versicherungsnehmer von Risiken in seinen Büchern angemessen zu entlasten, wird dies auf Dauer die Cyberversicherung als Risikofinanzierungsmittel insgesamt infrage stellen.

Wie ist dann Ihr Ausblick auf das „Cyberjahr“ 2023?

HT Wohl und Wehe der Cyberversicherung werden nicht zuletzt von der Flexibilität der Cyber-Erstversicherer abhängen. Ob es langfristig bei der gewohnten Cyber­police aktueller Prägung bleiben wird, ist fraglich. Wenn nach der Prognose des Branchenverbands Bitkom e. V. vom 31.08.2022 die Professionalität digitaler Angriffsvektoren weiterhin zunehmen wird, droht den Versicherungsnehmern spätestens im Herbst 2023 Ungemach. Dann steht die Erneuerung der meisten Verträge an.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 01/2023, S. 42 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Stefan Rosenowski und Holger Tittko, GVNW

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Ein Interview mit
Stefan Rosenowski
Holger Tittko