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16. März 2020
COVID-19: Das droht nun an den deutschen Immobilienmärkten

COVID-19: Das droht nun an den deutschen Immobilienmärkten

Die Immobilienexperten von Savills haben sich mit den möglichen Auswirkungen von COVID-19 auf die deutschen Immobilienmärkte beschäftigt. Dabei haben sie neben den kurzfristigen Auswirkungen auch die mittel- bis langfristigen Folgen analysiert.

Die Coronavirus-Pandemie hat das öffentliche Leben fest im Griff. Zweifellos wird das Virus auch an den deutschen Immobilienmärkten seine Spuren hinterlassen. Davon sind die Experten von Savills überzeugt. Erste Auswirkungen seien bereits zu beobachten, zum Beispiel in Form verschobener Transaktionen. Angesichts der Trägheit der Märkte und der geringen Datendichte erwartet Savills aber, dass die meisten Folgen erst langsam und mit einer zum Teil erheblichen zeitlichen Verzögerung sichtbar werden.

Kurzfristige Auswirkungen

Am frühesten und nach jetzigem Stand der Dinge auch am stärksten betroffen ist der Hotelsektor. Die Auslastungsquoten sind vor allem an Messestandorten deutlich rückläufig. Angesichts der in den meisten Bundesländern erlassenen Verbote von Veranstaltungen ab einer gewissen Teilnehmerzahl erscheine eine baldige Erholung unwahrscheinlich. Zwar könne es nach überstandener Coronakrise zu einem gewissen Nachholeffekt kommen, trotzdem dürften selbst bei „mildem“ Verlauf erhebliche Umsatzeinbußen und ohne staatliche Unterstützung auch Insolvenzen zu erwarten sein.

Einzelhandel ebenfalls betroffen

Das gleiche gilt laut Savills für den Einzelhandel, vor allem in touristischen Lagen. Ebenfalls starke Umsatzeinbußen erwarten die Experten bei Geschäften und gastronomischen Einrichtungen in Bahnhöfen und Flughäfen. Auch flexible Workspaces dürften bereits eine geringere Auslastung aufweisen, vor allem in Bezug auf ihre Veranstaltungsräume. Mit einem existenzbedrohenden Ausmaß rechnet Savills aber erst bei deutlich steigender Zahl der Infizierten und einem länger anhaltenden Pandemieverlauf.

Auch Immobilieneigentümer spüren die Folgen

Immobilieneigentümer spüren die Entwicklungen im Falle umsatzgebundener Mieten bzw. Pachten unmittelbar. Darüber hinaus sei mit Mietreduzierungs- bzw. Stundungsgesuchen besonders betroffener Nutzer zu rechnen. An den Vermietungsmärkten gehen die Experten nutzungsartenübergreifend davon aus, dass Anmietungsentscheidungen wegen der Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung sowie bestehender Reisebeschränkungen teilweise vertagt werden. Messbar niederschlagen werde sich das aber wohl erst in den Umsatzzahlen für das zweite Quartal. Auch am Investmentmarkt dürften sich Transaktionen aufgrund eventueller Reisebeschränkungen der Vertragspartner sowie erhöhter Unsicherheit verzögern.

Mittelfristige Auswirkungen

Für den weiteren Jahresverlauf stellt Savills vor allem zwei Szenarien in Aussicht. Im günstigeren Szenario erreicht die Zahl der weltweit Infizierten in den kommenden Wochen ihren Gipfel, um dann abzuflachen. Für die Konjunktur ergäbe sich dann ein U-Verlauf, das heißt ein rasches Einbrechen der wirtschaftlichen Aktivität, gefolgt von einer kurzen Talsohle und einer zügigen Erholung inklusive Nachholeffekten. In diesem Fall wären die Auswirkungen auf die deutschen Immobilienmärkte begrenzt. Zudem würden die kurzfristigen Effekte für einige Zeit Bestand haben, aber im Wesentlichen temporärer Natur sein. Gleichwohl rechnet Savills auch in diesem Szenario mit einem etwas höheren Mietausfallrisiko über alle gewerblichen Nutzungsarten hinweg, vor allem in den besonders betroffenen Segmenten.

Geringere Flächenumsätze und Transaktionsvolumina

Die Risikoprämien bei den Renditen würden auch in diesem Szenario vermutlich zunächst auf einem etwas höheren Niveau als zuletzt verharren. Die temporäre Unsicherheit dürfte sich zudem negativ auf die Verfügbarkeit von Fremdkapital auswirken. Dadurch, dass bereits jetzt Abschlüsse an den Investment- und Vermietungsmärkten verschoben werden und sich somit das gesamte Transaktionsgeschehen nach hinten verschiebt, geht Savills für das laufende Jahr von geringeren Flächenumsätzen und Transaktionsvolumina aus.

Szenario 2: Weltweite Rezession

Im zweiten, ungünstigeren Szenario steigt die Zahl der Infizierten auch in den nächsten Monaten an und erreicht erst in der zweiten Jahreshälfte ihren Gipfel. Eine weltweite Rezession wäre dann kaum zu vermeiden. Für die Immobilienmärkte würde dies in allen Segmenten voraussichtlich deutlich sinkende Nachfrage, Flächenumsätze und Mieten sowie steigende Leerstände bedeuten. Auch die Nachfrage an den Wohnungsmärkten wäre in diesem Szenario wegen steigender Arbeitslosigkeit bzw. sinkender Einkommen negativ betroffen. Am Investmentmarkt würden die Transaktionsvolumina sinken, weil erhöhte Risikoaversion auf steigende Marktrisiken träfe und Fremdkapital nur noch eingeschränkt zur Verfügung stünde. Die rückläufige Nachfrage träfe auf steigende Verkaufsbereitschaft und die Anfangsrenditen würden steigen.

Langfristige Auswirkungen

Die Corona-Krise könnte Folgen weit über ihr Ende hinaus haben – wann auch immer sie überstanden sein wird. Bereits jetzt beeinflusst sie das Verhalten von Menschen und je länger sie das tut, desto wahrscheinlicher werden aus diesen Verhaltensweisen Gewohnheiten, die die Pandemie überdauern.

Beschleuniger des digitalen Wandels

Savills geht davon aus, dass die Pandemie in vielerlei Hinsicht jenen Wandel beschleunigen könnte, den die Digitalisierung in den letzten Jahren bereits eingeleitet hat. Viele der digitalen Technologien haben die Menschen in die Lage versetzt, Interaktionen online durchzuführen, die davor nicht ohne menschlichen Kontakt auskamen. Das Coronavirus zwingt die Menschen nun dazu, diese Möglichkeiten (intensiver) zu nutzen. Das erhöhe den Anreiz, auf menschlichen Kontakt zugunsten der Online-Interaktion zu verzichten. Insofern könnte das Coronavirus als Digitalisierungsbeschleuniger wirken und auch an den Immobilienmärkten Prozesse geradezu „vorspulen“, die bislang langsam abliefen.

Von dieser Entwicklung wäre auch der Einzelhandel betroffen. So ist laut Savills mit einer Umsatzverschiebung vom stationären zum digitalen Einzelhandel zu rechnen. Schneller als bislang zu erwarten war, könnte der Flächenbedarf stationärer Einzelhändler sinken. An alternativen Nutzungen wird es nicht mangeln – daran dürfte auch Corona nichts ändern.

Boom flexibler Arbeitsplätze

Eine alternative Nutzung könnten, mehr als ohnehin schon, Flexible Workspaces werden. Die Corona-Krise beschere derzeit jedenfalls das womöglich umfangreichste Home-Office-Experiment der Geschichte. Zwar könnten Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber dieses Experiment anschließend für gescheitert erklären. Savills hält es allerdings für wahrscheinlicher, dass damit durchaus auch überraschend positive Erfahrungen gesammelt werden. Da sich zugleich jedoch die wenigsten Wohnungen als ideale Arbeitsumgebung erweisen dürften, rücken wohnortnahe Flexible Workspaces noch stärker in den Fokus.

Rechenzentren rücken in den Investorenfokus

In diesem Zuge dürften auch Videokonferenzen und andere webbasierte Werkzeuge der Zusammenarbeit stark an Bedeutung gewinnen. Zusammen mit Online-Shopping, E-Learning, E-Gaming und so weiter treibt dies den Datenverkehr in neue Höhen und könnte Rechenzentren auf die Landkarte institutioneller Investoren katapultieren. Die Erkenntnisse über die Gefahren, die mit globalen Lieferketten verbunden sind, könnten abschließend dazu führen, dass wieder mehr Produktionskapazitäten in Deutschland angesiedelt werden – und damit zu einem stark steigenden Bedarf an Lagerflächen. (mh)

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