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16. Juli 2020
Covid-19-Krise: Debakel und Chance für Versicherer

Covid-19-Krise: Debakel und Chance für Versicherer

Die Versicherer haben während der Corona-Pandemie bei den deutschen Verbrauchern laut einer Studie von Guidewire noch weiter an Ansehen verloren. Die Krise eröffnet der Branche aber auch Chancen. So hat sie das Bewusstsein für bestimmte Risiken geschärft. Zudem stellen viele Verbraucher ihre Beziehung zu Versicherern und zum benötigten Versicherungsschutz auf den Prüfstand.

Die Auswirkungen der Covid-19-Krise haben das Image der Versicherungsbranche negativ verändert. Das geht aus einer europäischen Studie von Guidewire Software unter 3.000 Verbrauchern hervor. Demnach haben Versicherungen durch die Covid-19-Krise an Kundenvertrauen verloren. Der Studie zufolge, hatten knapp 23% der deutschen Verbraucher bereits vor der Krise eine negative Meinung über Versicherer. Das Verhalten der Versicherer während der Krise hat bei weiteren 21% der deutschen Verbraucher zu einer negativen Einschätzung geführt, weil die Versicherungsunternehmen in ihren Augen in der Krise nicht genug für Menschen in Not getan haben. Im Gegenzug haben Versicherungen bei lediglich 11% der Verbraucher während der Krise an Reputation gewonnen.

Verbraucher nehmen Leistungen kritischer unter die Lupe

Das Auftreten erhöhter Risiken während der Zeit der Kontaktbeschränkungen, zum Beispiel im Hinblick auf Reisen, Arbeitsplatzsicherheit und gesundheitliche Gefahren, hat laut der Guidewire-Umfrage das Kundenverhalten gegenüber Versicherungen nachhaltig verändert. Jeder dritte Befragte in Deutschland will die Leistungen von Versicherungen zukünftig genauer prüfen. Fast jeder zweite deutsche Verbraucher gab zudem an, die Versicherungsleistungen ohnehin schon sehr sorgfältig zu prüfen. Guidewire sieht in den Zahlen einen Beleg dafür, dass die Covid-19-Krise in Deutschland dazu geführt hat, dass in Zukunft mehr Verbraucher die Leistungen ihrer Versicherer kritisch unter die Lupe nehmen werden.

„Notwendig, aber unbequem“

Insgesamt pflegen die Deutschen eine nüchterne Beziehung zu Versicherungen. Jeder Dritte bezeichnet Versicherungen als „notwendig, aber unbequem“. 16,5% sehen in ihnen Unternehmen, die überteuerte Produkte verkaufen und Schäden nur widerwillig bezahlen. Guidewire sieht darin eine Chance für die Versicherungsindustrie. Diese müsse die Kundenerfahrung optimieren. Der Schlüssel dazu liege in der Fokussierung auf eine „Omni-Channel“- Ansprache, mit der Versicherer plattformübergreifend auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen können. Für Versicherer gilt es den Studienautoren zufolge, sich noch stärker und agiler auf sich verändernde Rahmenbedingungen und die Anforderungen der Versicherungsnehmer einzustellen und passgenaue Versicherungslösungen zu entwickeln.

Corona verändert die Kundenbedürfnisse

Darüber hinaus hat die Krise das Bewusstsein der Verbraucher für Versicherungsrisiken geschärft. Gefragt nach Risiken, die sie aufgrund der Erfahrung aus der Krise in Zukunft gerne stärker absichern würden, nennt jeder dritte Befragte in Deutschland an erster Stelle Reiseannullierungen. Ebenfalls jeder dritte deutsche Verbraucher will sich daher wegen Covid-19 stärker mit Reiserücktrittsversicherungen auseinandersetzen. Weitere Risiken, die seit Beginn der Corona-Krise vermehrt im Fokus der Verbraucher stehen, sind Krankheit, Arbeitsplatzverlust sowie Zahlungssicherung.

Lücke zwischen Bewusstsein und bisheriger Absicherung

Für eine Absicherung gegen Online-Identitätsdiebstahl sind 12% der deutschen Verbraucher offener geworden. Guidewire zufolge besteht aber eine Lücke zwischen Risikobewusstsein und bisheriger Absicherung. So geben 86% der Befragten in Deutschland an, dass ihnen die Sicherheit ihrer Online-Identität „sehr wichtig“ oder „wichtig“ ist. Tatsächlich besitzen hingegen nur 6% der Befragten in Deutschland eine solche Versicherung. Hier und bei den anderen Risiken, die infolge der Krise ansteigen, biete sich den Versicherern die Chance, Kunden dabei zu unterstützen, Lücken in der Absicherung zu schließen.

Große Chance für die Versicherer

„Die Belastungen der letzten Monate haben eindeutig dazu geführt, dass viele Verbraucher ihre Beziehung zu ihrem Versicherer und den von ihnen benötigten Versicherungsschutz auf den Prüfstand stellen“, kommentiert René Schoenauer, Director Product Marketing EMEA bei Guidewire Software, die Zahlen. Die Pandemie habe die Menschen für gesteigerte Risiken, denen sie ausgesetzt sind, sensibilisiert. „Für die Versicherer liegt hier eine große Chance – vorausgesetzt, sie schaffen es, sich schnell auf die veränderten Kundenbedürfnisse einzustellen“, meint Schoenauer. Insgesamt ist Guidewire optimistisch, dass der Schock des erzwungenen Wandels für die gesamte Branche ein Katalysator für die Transformation sein wird.

Wahl des Versicherers und Bezugsquelle

Gute Ausgangschancen haben traditionelle Versicherer. Rund zwei Drittel der Befragten glauben, dass klassische Anbieter den besten Kundenservice im Verkaufsprozess und auch im Schadenfall bieten werden. Die jüngere Generation zwischen 16 und 24 Jahren bringt verstärkt auch Tech-Giganten wie Apple und großen Einzelhandelsunternehmen Vertrauen entgegen. Auch bei den bevorzugten Vertriebswegen gibt es Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Insgesamt schließen 57% die Versicherungen am liebsten direkt beim Versicherer ab. In der Altersgruppe 55+ beträgt der Anteil sogar 65%. Die einzige wirkliche Konkurrenz stellen laut Guidewire Vergleichswebsites dar, über die fast jeder Fünfte seine letzte Versicherung abgeschlossen hat. In der Altersgruppe zwischen 35 und 45 Jahren war es sogar mehr als jeder Vierte. (mh)

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