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Steuern & Recht
22. Dezember 2020
Darf sich der Versicherungsmakler „unabhängig“ nennen?

Darf sich der Versicherungsmakler „unabhängig“ nennen?

Versicherungsvermittler bezeichnen sich gerne als „unabhängig“. Doch nicht jeder ist dazu berechtigt. Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht, erklärt, wer mit seiner Unabhängigkeit werben darf, welche Rolle die Courtage dabei spielt und warum grundsätzlich Zurückhaltung beim Werben mit der „Unabhängigkeit“ geboten ist.

Versicherungsmakler haben die Angewohnheit, sich im Internet mit dem Claim „unabhängig“ oder „Unabhängigkeit“ oder so ähnlich zu schmücken bzw. sich selbst so zu bewerben. Dahinter stecken natürlich entsprechende Rechtsfragen, die noch nicht geklärt sind, zum Beispiel ob dieser Claim eine wettbewerbsverzerrende Handlung darstellt. Doch genauso geht es dabei um Abgrenzungsfragen, nämlich: Darf der Versicherungsvertreter das dann auch? Dieser Artikel soll Aufschluss darüber geben.

Dürfen Versicherungsvertreter denn mit „Unabhängigkeit“ werben?

Das LG Hamburg hatte sich jüngst mit zwei Fällen zu genau dieser Rechtsfrage zu befassen. Hierbei ging es um die konkrete Frage, ob Versicherungsvertreter – in diesem Fall Mehrfirmenvertreter/Mehrfachagenten im Sinne des § 34d Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 2. Alternative GewO – mit den Claims „unabhängiger Versicherungsagent“ und „unabhängige Beratung“ werben dürfen (LG Hamburg vom 25.05.2020, Az.: 327 O 445/19).

In einem weiteren Rechtsstreit vor dem LG Hamburg ging es um die Frage, ob ein Finanzvertrieb, der eine gewerberechtliche Erlaubnis für die Vermittlung von Versicherungen als Mehrfirmenvertreter im Sinne des § 34d Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 2. Alternative GewO besitzt, mit dem Claim „Unabhängigkeit aus Prinzip“ werben darf (LG Hamburg vom 27.09.2018, Az.: 315 O 418/17).

In beiden Wettbewerbsprozessen ist ein Urteil gegen die Mehrfirmenvertreter ergangen mit dem entsprechend beantragten Verbot, weiterhin mit dem Claim „Unabhängigkeit“ zu werben. Die Gerichte führten aus, dass bei Werbung mit dem Claim „Unabhängigkeit“ Verbrauchern bzw. Versicherten falsche Informationen zur Verfügung gestellt und sie damit in die Irre geführt (§ 5 Abs. 1 UWG) würden. Danach handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Diese Werbung ist jedoch in den vorgenannten Verwendungsformen unzulässig, da Versicherungsvertreter – gleich ob Einfirmenvertreter und/oder Mehrfirmenvertreter – nach der gesetzlichen Definition des § 59 Abs. 2 VVG ausschließlich und nur im Auftrag der Versicherungsgesellschaften tätig sind: „Versicherungsvertreter im Sinn dieses Gesetzes ist, wer von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen“ (§ 59 Abs. 2 VVG). Auch findet nach § 70 VVG bei Versicherungsvertretern eine Wissenszurechnung auf den Versicherer statt, was auch die rechtliche Sondersituation bei Versicherungsvertretern verdeutlicht.

Nach den vorgenannten Entscheidungen des Landgerichts Hamburg steht damit zur Überzeugung des Gerichts fest, in wessen rechtlichem „Lager“ Versicherungsvertreter nun einmal stehen. Damit ist auch die Frage beantwortet, ob Versicherungsvertreter mit Unabhängigkeit werblich auftreten dürfen.

Darf nun der Versicherungs­makler mit Unabhängigkeit werben?

Die Frage, ob Versicherungsmakler mit „Unabhängigkeit“ werben dürfen, ist nicht ganz so einfach zu beantworten. Dabei ist zu insistieren, dass im Gegensatz zu dem Versicherungsvertreter rechtlich genau die umgekehrte Situation bezüglich der Stellung des Auftraggebers und der Wissenszurechnung vorliegt. Der Versicherungsmakler steht rechtlich im Lager des Versicherungsnehmers und ist dessen Sachwalter (BGH vom 22.05.1985, Az.: IVa ZR 190/83). Was diese rechtliche Stellung des Versicherungsmaklers jedenfalls angeht, dürfte eine Unabhängigkeit schon mal zu bejahen sein. Ebenso spricht das OLG Oldenburg in seinen Urteilsgründen, dass Versicherungsmakler in Ansehung der Sachwalterstellung unabhängig seien (OLG Oldenburg vom 13.01.1999, Az.: 2 U 246/98). Doch diese rechtliche Stellung des Maklers könnte durch eine gesellschaftsrechtliche Fremdbeteiligung konterkariert werden.

Unabhängigkeit des Maklers durch Fremdbeteiligung gestört?

Das OLG München nahm die Abhängigkeit eines Maklers an, bei dem ein Versicherer die Mehrheit der Anteile an dem Maklerunternehmen hielt. Das OLG sah die Werbung des Maklers mit „neutral und unabhängig“ als irreführend an, da diese werblichen Aussagen dazu geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise über die Beteiligungsverhältnisse zu täuschen. Es bestehe damit die potenzielle Gefahr, dass sich der beklagte Versicherungsmakler nicht nur von den Interessen der Kunden, sondern auch von denen des Versicherers leiten lasse. Die Werbung eines Versicherungsmaklers, der über diese Abhängigkeit täusche, erhöhe damit seine Attraktivität, so das Gericht (OLG München vom 16.1.2020, Az.: 29 U 1834/18).

Auch das LG Hannover untersagte einem Finanzvertrieb – jedoch mit Zulassung als Mehrfirmenvertreter – mit dem Claim „Ihr unabhängiger Finanzoptimierer“ zu werben (LG Hannover vom 30.06.2009, Az.: 18 O 193/08). Das LG Hannover begründete das Urteil damit, dass aus wirtschaftlicher Sicht ein Versicherer als beherrschendes Unternehmen an dem Vermittler beteiligt war und somit Einfluss auf den Finanzvertrieb nehmen könnte.

Zusammenfassend ist damit jedenfalls festzustellen, dass eine Fremdbeteiligung den „Unabhängigkeitsstatus“ des Versicherungsmaklers konterkarieren kann.

Wird die Unabhängigkeit des Maklers durch eine finanzielle Abhängigkeit gestört?

Es gibt jedoch auch Meinungen, die sagen, dass ein Versicherungsmakler nicht unabhängig sein könne. Denn wird nach dem Courtagemodell beraten, so wird der Makler vom Versicherer „bezahlt“. Dieses könnte den Makler verleiten denjenigen Versicherer für den Kunden auszuwählen, der den höchsten Courtagesatz hat. Eine ähnliche Diskussion gibt es bei Poolanbindungen. Auch hier gibt es Meinungen, die diese Verbindung als Abhängigkeit des Maklers verstehen.

Diesen Meinungen ist nicht zu folgen. Denn zum einen würde kein Makler einen Versicherer aufgrund seines Courtagesatzes empfehlen und sich damit in eine mögliche Haftung gegenüber den Kunden begeben. Zum anderen ist und bleibt der Makler nun mal der Sachwalter und steht rechtlich im Lager des Versicherungsnehmers. Der Makler haftet schließlich auch für seine Beratung. Solange keine beherrschende Fremdbeteiligung an dem Versicherungsmakler besteht, dürfte der „Unabhängigkeit des Versicherungsmaklers“ nichts im Wege stehen. Jedoch ist anzumerken, dass es hierzu keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt. Bis dahin sollte der Begriff „Unabhängigkeit“ bewusst und sorgsam eingesetzt werden.

Bild: © Gajus – stock.adobe.com

Den Text lesen Sie auch in AssCompact 12/2020, Seite 108 f., und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Björn Thorben M. Jöhnke