18.000 … das war vor etwa zwei Wochen noch die Marke, auf die man schaute, die Hürde, die es für den Deutschen Aktienindex (Dax) zu überwinden galt. Am 13.03. schaffte er es dann letztlich – für manch einen vielleicht sogar schneller als gedacht. Ausruhen tut sich der Dax aber noch lange nicht, eher das Gegenteil ist der Fall: Er legt regelmäßig (teilweise hat man schon das Gefühl Tag für Tag) eins drauf und schlägt seinen eigenen Rekord. Am Dienstagmittag knackte er die 18.400 – neuer Höchststand zum Entstehungszeitpunkt dieses Artikels: 18.411 Punkte.
Woran liegts? Sind es immer noch die Hoffnungen auf bevorstehende Zinssenkungen oder steckt noch mehr dahinter? Und wie hoch sollte man die Erwartungen für den Frankfurter Performance-Index der deutschen Wirtschaft für dieses Jahr noch setzen? Die Experten von der DWS, Flossbach von Storch und DJE stehen auf Nachfrage von AssCompact Rede und Antwort.
Zinssenkungen – und was noch?
Mit kleinen Pausen zieht sich die Aktienrallye nun schon eine ganze Weile hin – streng genommen sind die derzeitigen Kursverläufe eine Fortsetzung der Jahresendrallye vom November und Dezember 2023. Damals verwiesen viele Experten noch auf erwarteten Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank Fed, die die starken Kursgewinne angetrieben hätten. Mittlerweile sei die Sachlage jedoch eine etwas andere, so sind sich die drei Experten einig.
Sabrina Reeh, DWS-Fondsmanagerin für deutsche Aktien, nennt neben den Zinssenkungen nämlich auch die derzeitige generelle Exportstärke der deutschen Schwergewichte: „Die 40 Dax-Unternehmen sind global tätig und erwirtschaften etwa 80% ihres Umsatzes im Ausland, wo es derzeit konjunkturell einfach besser läuft als am Heimatmarkt“, so Reeh. Die „geldpolitische Wende“ liefere aber dennoch Impulse. Die DWS selbst rechne mit Zinssenkungen der Fed und der EZB im Juni. „Dies dürfte positive Effekte auf die Investitionsfreudigkeit der Unternehmen haben, die sich dann günstiger am Kreditmarkt refinanzieren könnten.“ Auch sieht Reeh die Lohnentwicklung positiv: „Die sinkende Inflationsrate sorgt mittlerweile für ein deutliches Plus bei den Reallöhnen. Diese Entwicklung könnte sich positiv auf den Konsum und in der Folge auch auf die Umsätze und Gewinne der Unternehmen auswirken.“
Starke internationale Wirtschaft
Ulrich Kaffarnik, Vorstandsmitglied beim oberbayerischen Vermögensverwalter DJE, sieht ebenfalls in der konjunkturellen Stärke im Ausland einen wichtigen Grund für den Aufwind am Dax. Die Zinssenkungsfantasie habe sicherlich damit zu tun, doch es gelte „zu konstatieren, dass sich die Erwartungen an Leitzinssenkungen in den letzten Wochen deutlich zurückgebildet haben“, so Kaffarnik, der bei DJE den Bereich Fondsmanagement und Handel verantwortet. „So rechneten die Marktteilnehmer Ende 2023 noch mit sechs Zinsschritten zu je 25 Basispunkten der Fed für das laufende Kalenderjahr. Mittlerweile glaubt man nur noch an drei Zinsreduzierungen. Das gleiche gilt auch für die EZB.“
Philipp Vorndran, Partner bei Flossbach von Storch, verweist ebenso darauf, bei den Zinssenkungserwartungen Vorsicht walten zu lassen „Wir sind, unabhängig vom Dax, etwas zurückhaltender, was die Erwartungen an die Zinssenkungen der Notenbanken betrifft. Gut möglich, dass die Zinsen nicht so schnell fallen werden, wie viele derzeit denken. Insofern würden wir empfehlen, die Aktienmarktentwicklung der vergangenen Monate gedanklich nicht einfach so fortzuschreiben. Rücksetzer sind durchaus möglich, auch deutlichere Rücksetzer.“
Apropos Rücksetzer und Zinsen: Sabrina Reeh von der DWS gibt in diesem Zusammenhang noch zu bedenken, dass es auch sein könne, dass der Markt länger auf die Zinswende warten muss – nämlich, wenn die Inflation nicht wie erwartet sinken sollte. Das würde dann folglich auf die Marktstimmung drücken.
Wie geht es weiter?
Der Blick in die Glaskugel ist grundsätzlich von viel Nebel geprägt, der sich erst mit dem Voranschreiten des Faktors Zeit lichtet. Doch worauf sollte man achten und was erwarten die Experten? Die DWS rechnet ihrerseits dieses Jahr mit 18.700 Punkten am Dax – dieses Ergebnis scheint gar nicht mehr so weit weg. Doch Reeh nennt neben dem oben genannten Inflationsrisiko auch geopolitische Risiken als möglicher Grund für Volatilität an den Märkten.
Dem schließt sich auch DJE-Experte Ulrich Kaffarnik an, der auf die mögliche Wiederwahl von Donald Trump in den USA hinweist. Diese könnte nämlich schärfere Töne gegenüber europäischen Firmen (bspw. höhere Zölle oder Protektionismus) nach sich ziehen. Für ihn scheint der Dax zumindest kurzfristig unter markttechnischen Betrachtungen überkauft, was eine Konsolidierungsperiode wahrscheinlich mache. „Auch unter saisonalen Aspekten könnte es ab Mai Gegenwind geben. Die Antwort auf die Frage nach neuen Höchstständen wird dann von der Höhe einer etwaigen Kurskorrektur und den weiteren Konjunktur- und Gewinnperspektiven bestimmt werden.“
Zu viel Fokus auf dem Dax?
Rekordstimmung am Dax … doch wie sinnvoll ist es eigentlich, sich auf diesen einen deutschen Index mit 40 Unternehmen zu konzentrieren? Philipp Vorndran von Flossbach von Storch plädiert in seiner Einschätzung gegenüber AssCompact klar für den kühlen Kopf – und vor allem für Realismus bei der Betrachtung der Marktentwicklung: „Ich kann allen Anlegern nur raten: Löst euch von dieser Index-Denke und gebt nicht allzu viel auf Punktprognosen. Die Wahrheit ist, ich habe keine Ahnung, wo der Dax an Jahresende stehen wird“, so die erfrischend ehrliche Aussage des Marktexperten. „Ich kann lediglich sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, ihn in zehn Jahren höher zu notieren als heute, vergleichsweise hoch ist, zumal er ein ‚Performance-Index‘ ist. Darüber hinaus ist der Dax ein denkbar ungeeignetes, weil unbedeutendes Börsenbarometer.“
Tatsache sei nämlich, dass der Dax nur einen „winzig kleinen Anteil“ des globalen Aktienmarktes ausmache. Anleger sollten jedoch global denken, in globalen Unternehmen. „Kurzum: Sie sollten über den Tellerrand hinausschauen.“ (mki)
Bild: © Ilya Nikolaevic – stock.adobe.com
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können