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30. September 2019
Die Digitalisierung gelingt nur mit starken Partnern

Die Digitalisierung gelingt nur mit starken Partnern

Die Versicherungsbranche steht vor massiven Umbrüchen. Wie können die Konzerne den Wandel überstehen und für sich nutzen? Adcubum-CEO Emanuele Diquattro gibt seine Einschätzung und erklärt in drei Thesen, wie die traditionsreiche Assekuranz sich neu erfinden kann.

Es gibt kaum einen Dienstleistungsbereich, der von der Digitalisierung so stark betroffen ist, wie die Versicherungsbranche. Gleichzeitig hinken die Unternehmen den Ansprüchen des Marktes hinterher, wie eine aktuelle Umfrage von Adcubum belegt: Denn für 60% der Bundesbürger hat die Assekuranz den Sprung in das digitale und mobile Zeitalter noch nicht geschafft. Erschwert wird die Situation dadurch, dass die Kundenloyalität abnimmt. Das sind Ergebnisse der Studie „Digitale Versicherung 2019“, für die mehr als 1.000 Bundesbürger bevölkerungsrepräsentativ befragt wurden. Aber wie können die Unternehmen sich neu positionieren, und was will der Kunde der Zukunft?

Offene Systeme für ein eigenes Ökosystem

Der Kunde wird anspruchsvoller und erwartet eine Lösung, die auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Statt aus Standard-Versicherungsprodukten auszuwählen, will er Gestaltungsspielraum. Für den Versicherer heißt das: Er muss sich flexibler aufstellen, seine Systeme öffnen, Schnittstellen konfigurieren und wie ein Dirigent verschiedene Services zu einem harmonischen Gesamtbild zusammenzufügen. Er kreiert ein „Ökosystem“, in dem der Versicherungsnehmer abgeholt wird und sich geborgen fühlt – auch wenn sich die persönlichen Lebensumstände ändern sollten. Inbegriff dieses neuen Kunden ist die Generation Y, die bereits mit der Digitalisierung groß geworden ist und sich anschickt, die wichtigste Konsumentengruppe zu werden. Sie sind von den großen Online-Anbietern konditioniert worden und stellen nun konkrete Forderungen an die ehemals behäbige Assekuranz: Die Kommunikation soll schnell, einfach und digital erfolgen, das Angebot einen Rundum-Schutz bieten. In der Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen zum Beispiel können sich 57% vorstellen, eine Versicherung auch bei einem Autohersteller abzuschließen. 54% würden dies auch bei einem Stromanbieter tun.

Die Versicherer müssen sich auf die neue Konkurrenz branchenferner Konzerne einstellen. Das erfordert ein Umdenken und die Bereitschaft dazu, sich intern wie extern stärker zu vernetzten. Aber der Aufbruch in die digitale Welt ist von traditionell geprägten Unternehmen allein nicht zu stemmen. Starre Strukturen und hierarchisches Denken stehen dem Wandel im Weg. Die Lösung heißt: Coopetition. Denn die neuen InsurTechs drängen eh auf den Markt. Warum also nicht eine Partnerschaft anstreben mit den technologiegetriebenen Mitbewerbern? Sie sind Spezialisten für Zukunftsthemen wie Blockchain, Künstliche Intelligenz (KI) oder das Internet der Dinge (IoT). Gemeinsam können Innovationen entwickelt werden, um das Angebotsportfolio zukunftssicher umzugestalten. Neben der geschäftlichen Expansion dienen die InsurTechs den Versicherern auch als Inkubator, um die eigene Transformation voranzubringen und agil zu werden. Wie viel positiver die Start-ups wahrgenommen werden, ist in der Studie „Digitale Versicherung 2019“ ebenfalls herausgearbeitet worden: 69% der Befragten gaben an, dass die jungen Internet-Unternehmen viel kundenorientierter denken als die klassischen Versicherungskonzerne.

Fazit 1: Versicherer brauchen Partner für einen erfolgreichen Aufbruch in die digitale Welt.

Vorausschauende Systeme, die den Kunden verstehen

Die individualisierte Zielkunden-Werbung allein reicht nicht mehr aus. Der Kunde will ein zugeschnittenes Angebot, das sich auch neuen Lebenssituationen anpasst. Dieser Erwartungshaltung, die zukünftige Eventualitäten mit einschließt, müssen Versicherer gerecht werden und gleichzeitig die eigene Profitabilität im Auge behalten. Mit klassischen Arbeitsprozessen ist das nicht zu schaffen. Einen Ausweg bietet der Einsatz von Künstlicher Intelligenz mit Systemen, die autonom lernen und handeln. Das System muss also proaktiv, vorausschauend und individuell bestehenden Kunden bedürfnisgerechte und einzigartige Lösungen anbieten. Dieses Thema der zukunftsgerichteten Produkterstellung wird eine der großen Herausforderungen für die Versicherer – und kann nur durch das Ausschöpfen aller technologischen Möglichkeiten erreicht werden.

Fazit 2: Der Versicherer passt sich dem Kunden an – und nicht der Kunde dem Versicherer.

Freiraum schaffen durch schlanke Strukturen und Prozesse

Prozesseffizienz wird die Versicherungswirtschaft in den kommenden Jahren noch stärker beschäftigen. Die Unternehmen stehen auf mehreren Ebenen unter Druck, weil der Kunde eine einfache, unkomplizierte, rasche und damit auch digitale Abwicklung seiner Anliegen wünscht. Dies kann nur über einen hohen Automatisierungsgrad und eine effiziente Organisation erreicht werden. Positiver Nebeneffekt: Die modernen Technologien beeinflussen die Bindung zum Kunden positiv, indem die Zufriedenheits- und Zustimmungsraten steigen. Zudem senkt der Versicherer durch schlanke und effiziente Prozesse die Kosten und schafft Freiraum für persönlichen Kundenservice oder Innovationen. Damit erfüllt die Versicherungsbranche die hochgesteckten Hoffnungen des Marktes: Denn 80% der Deutschen erwarten niedrigere Versicherungsprämien, wenn die Unternehmen Aufgaben zunehmend auf intelligente Maschinen und Roboter übertragen. Und 78% gehen laut der Studie „Digitale Versicherung 2019“ von einer rascheren Bearbeitung bei Verträgen und Schadenregulierungen aus. Diese Prozesseffizienz kann zunehmend auch zwischen Maschinen über die Unternehmensgrenzen hinweg über weite Strecken automatisiert ablaufen. Robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA) und IoT ermöglichen den Versicherern vielfältige Einsatzmöglichkeiten, um den Kunden einen höheren Komfort in der Abwicklung von Anliegen anbieten zu können.

Fazit 3: Die Versicherer müssen schneller werden.

Über den Autor

Emanuele Diquattro hat 2019 den CEO-Posten bei Adcubum übernommen, einem Schweizer Hersteller von Standardsoftware für die internationale Assekuranz. Von 2012 bis 2018 gehörte Emanuele Diquattro der Geschäftsleitung der Sanitas Krankenversicherung an und hat von 2012 bis 2015 das Departement „Business Engineering & ICT“ geleitet. Von April 2015 bis Ende 2017 war er als Leiter Vertrieb und Marketing und Stellvertreter des CEO der Sanitas Krankenversicherung tätig.

Bild: © fotohansel – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Emanuele Diquattro