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7. Dezember 2017
Die Gesundheitsversorgung wird sich dramatisch verändern

Die Gesundheitsversorgung wird sich dramatisch verändern

Dr. Thorsten Pilgrim, Geschäftsführer der CareLutions GmbH, an der die Süddeutsche Krankenversicherung a.G. (SDK) und die Debeka als Gesellschafter beteiligt sind, wirft einen Blick in die Zukunft der deutschen Gesundheitsversorgung. Wo stehen wir heute, was kommt auf uns zu und was sind die Erwartungen der PKV-Kunden?

Wo stehen wir heute im deutschen Gesundheitswesen?

Deutschland ist Weltmeister – bei künstlichen Hüftgelenken, Rückenoperationen, der Aufdehnung von Herzkranzgefäßen und zahlreichen anderen Prozeduren. Dies führt zu hohen Gesundheitsausgaben. Die OECD errechnete für das Jahr 2015 Gesundheitskosten in Deutschland von 4.003 Euro pro Kopf und Jahr. Zum Vergleich: Länder wie Frankreich (3.142 Euro), Italien (2.476 Euro) oder Polen (1.259 Euro) schneiden deutlich günstiger ab.

Für diese hohen Kosten bekommt Deutschland aber nur eine leicht unterdurchschnittliche Lebenserwartung von 81,2 Jahren gemäß OECD 2014. Andere Länder wie Frankreich (82,8 J.), Italien (83,2 J.) oder Großbritannien (81,4 J.) kommen auf höhere Werte.

Die OECD hat zudem errechnet, dass die gesunde Lebenserwartung in Deutschland nur 57,3 Jahre beträgt. Das heißt, im Alter von 57,3 Jahren haben 50% der Deutschen mindestens eine schwere chronische Krankheit. Der EU-Durchschnitt ist da mit 60,7 Jahren bereits deutlich höher. Länder wie Frankreich (63,4 Jahre), Italien (64,5 Jahre) oder gar die Schweiz (81,7 gesunde Lebensjahre) weisen zum Teil viel höhere Werte aus.

Warum ist Gesundheit ein Wachstumsmarkt?

Die Kostensituation im deutschen Gesundheitswesen wird im Wesentlichen von drei großen Trends bestimmt:

1. Demografie: Deutlich mehr ältere Menschen – dies wird solidarisch finanzierte Systeme unter enormen Druck setzen.

2. Chroniker: Deutlich mehr Menschen mit chronischen Krankheiten – die zunehmend älteren Menschen sterben aufgrund der guten medizinischen Versorgung zwar nicht mehr so rasch, können aber auch nicht geheilt werden.

3. Fortschritt: Deutlich mehr medizinische Möglichkeiten (personalisierte Medizin, Gen- und Immuntherapien usw.) – lassen die Kosten der Zukunft ansteigen.

Welche Veränderungen wird dies zur Folge haben?

Zu diesen wirtschaftlichen Entwicklungen kommen noch andere Faktoren hinzu, die die Veränderung in den nächsten Jahren wesentlich bestimmen werden:

Versorgungslücken: Die Lücken in der medizinischen Versorgung werden zwangsläufig zunehmen (Überalterung der Ärzteschaft, Finanzierungsprobleme der Kliniken usw.)

Gesellschaft: „Chronisch krank ist das neue arbeitslos.“ – gesundheitsbewusstes Verhalten wird zunehmend zu einem Statussymbol.

Digitalisierung: Verändert alles – auch Gesundheit (wenngleich das deutsche Gesundheitswesen hier bisher noch sehr rückständig ist).

Was erwarten (Neu)kunden in dieser Situation von ihrer PKV?

Kostenkontrolle: Über ein wirksames Leistungsmanagement (in dem es nicht um Rationierung, sondern um Vermeidung durch verbesserte Unterstützung der Versicherten geht) müssen Beitragssteigerungen reduziert oder sogar verhindert werden.

Mehrwerte: Die digitalisierte Medizin und deren neuartiges Interventionsspektrum kann hier ein hervorragender Ansatz sein.

Gesundheitsinvestition: Eine frühzeitig erkannte und ganzheitlich begleitete Erkrankung (wie zum Beispiel Depression, Diabetes, Rückenschmerz) zeigt langfristig einen deutlich günstigeren Kostenverlauf. Somit wird es sich auch aus Sicht der PKV lohnen, früh in ihren Versicherten zu investieren.

Zusatzangebote: Schließlich ist unter zunehmendem Kostendruck (und schwindenden Einnahmemöglichkeiten) der GKV zu erwarten, dass Teilleistungen sukzessive aus dem Leistungskatalog der GKV ausgegliedert werden. Dies bietet der PKV neue Abschlusschancen und macht die Entwicklung neuer Produktlösungen für Zusatzversicherungen sinnvoll und erforderlich.

Fazit

Der typische Deutsche der Zukunft wird alt, krank und einsam sein. Darauf deuten alle Daten hin. Innovative Leistungsanbieter in diesem Markt müssen daher Angebote bieten, die individueller, patientenorientierter und digitaler sind (inklusive der damit verbundenen Vernetzung).

Dies bedeutet eine große Chance für die deutsche Krankenversicherung insbesondere in den Bereichen

  • Pflege(versicherung)
  • Zusatzversicherungen inklusive betriebliche Krankenzusatzversicherung
  • aber auch in der Krankenvollversicherung (und Beitragsabsicherung)

Die Süddeutsche Krankenversicherung stellt sich der strategischen Herausforderung, indem sie sich konsequent zum Gesundheitsspezialisten entwickelt. Hierfür wurden sowohl interne Maßnahmen umgesetzt wie auch mit der CareLutions GmbH ein Unternehmen mitbegründet, das neuartige digitale Gesundheitsdienstleistungen für die Versicherten der SDK (und darüber hinaus) anbieten kann. Seit April 2017 sind die ersten dieser Ansätze bereits ausgerollt und das Angebot wird Monat für Monat ausgeweitet und weiterentwickelt.

Um die Chancen der PKV der Zukunft zu nutzen, muss sich die PKV weiterentwickeln – vielleicht sogar neu erfinden (wie man an Aktivitäten wie Ottonova sieht). Die Verbesserung von Prozessen (zum Beispiel via Dunkelverarbeitung), Marketing und Tarifen ist ein Thema – entscheidend wird sein, dass sich die PKV zum Gesundheitspartner ihrer Versicherten entwickelt und auch von diesem als Gesundheitspartner akzeptiert wird. Dies kann nur über umfassende, neuartige Angebote und Mehrwerte für den Versicherten gelingen, wie sie die SDK jetzt für ihre Versicherten umsetzt.

 
Ein Artikel von
Dr. Thorsten Pilgrim