Ein Artikel von Norman Wirth, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte
Vor Fehlern sind auch Anlageberater nicht gefeit. Wie in anderen Berufen gilt der Grundsatz: Wo gehobelt wird, fallen auch Späne. Allerdings wirken sich Pflichtverstöße gegenüber dem Kunden für Anlageberater häufig signifikanter aus als in anderen Berufen. In der Regel führt der Pflichtverstoß dazu, dass der Berater den gesamten Verlust des Anlegers zu ersetzen hat, ohne dass es darauf ankommt, ob dieser Verlust auf der Pflichtverletzung beruht oder aus anderen Gründen eingetreten ist. Dabei gibt es bestimmte Pflichtverletzungen, die in der anwaltlichen Beratung immer wieder auftreten. Diesen typischen Beratungsfehlern widmet sich der Beitrag und gibt Tipps, wie sie sich vermeiden lassen.
1. In der Beratungsdokumentation werden sich widersprechende Anlageziele dokumentiert.
Der Anlageberater ist verpflichtet, den Anleger anlegergerecht zu beraten. Dabei muss sich seine Beratung an den Wünschen und Anlagezielen des Anlegers orientieren. Wenn der Anleger beispielsweise als Anlageziel zunächst eine sichere Altersvorsorge nennt, sich während der Beratung jedoch herausstellt, dass ihm die damit zu erzielende Rendite zu gering ist und er später im Interesse einer höheren Rendite auch bereit ist, ein größeres Risiko einzugehen, ist es wichtig, dass auch der Wechsel der Anlageziele dokumentiert wird. Der Beratungsdokumentation muss sich entnehmen lassen, dass der Anleger das ursprünglich genannte Anlageziel (sichere Altersvorsorge) aufgegeben hat und eine höhere Rendite erzielen möchte. Anderenfalls kann der Anleger eine Falschberatung darauf stützen, dass die Empfehlung einer Anlage mit Verlustrisiken nicht zu dem zuerst genannten Anlageziel der sicheren Altersvorsorge passt. Wenn die Änderung der Anlageziele nicht dokumentiert ist, spricht die Beratungsdokumentation in diesen Fällen für eine fehlerhafte Beratung.
Praxistipp
Wenn der Anleger sich widersprechende Anlageziele nennt, z. B. eine sichere Altersvorsorge und eine hohe Rendite, ist er darauf hinzuweisen, dass beide sich ausschließen und eine Empfehlung nicht möglich ist. Dieser Hinweis sollte auch im Beratungsprotokoll dokumentiert werden. Die in der Beratungsdokumentation genannten Anlageziele müssen immer der empfohlenen Anlage entsprechen.
2. Der Prospekt wird nicht oder nicht rechtzeitig übergeben.
Der Prospekt ist faktisch das wichtigste Instrument, um eine Haftung zu vermeiden. Nach der Rechtsprechung genügt der Berater seiner Pflicht zur Risikoaufklärung durch bloße Überlassung des Prospektes, sofern dort die Risiken der Anlage zutreffend beschrieben werden (was heutzutage fast immer der Fall ist). Dies gilt aber nur, wenn der Prospekt dem Anleger so rechtzeitig übergeben wird, dass er vor der Zeichnung noch zur Kenntnis genommen werden kann. Eine unterlassene oder verspätete Prospektübergabe führt zwar nicht automatisch zu einer Haftung, jedoch wird das Haftungsrisiko erheblich erhöht. Denn dann muss der Berater mündlich über alle wesentlichen Risiken aufklären. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich später im Prozess herausstellt, dass zumindest ein Risiko verschwiegen wurde (dies genügt im Regelfall für eine volle Haftung), ist naturgemäß sehr hoch. Dieses Problem stellt sich hingegen nicht, wenn der Anleger den Prospekt rechtzeitig erhalten hat, weil dort in der Regel alle Risiken beschrieben sind. Der Gefahr, dass der Berater bei seinen mündlichen Ausführungen ein Risiko vergisst, wird so begegnet.
Praxistipp
Der Berater sollte es sich zur goldenen Regel machen, dass die Zeichnung nie am Tag der Prospektübergabe erfolgt, sondern auf einen späteren Termin vertagt wird. Zwischen beiden Terminen sollte ein Zeitraum von ein bis zwei Wochen liegen, je nach Komplexität der Anlage und Umfang des Prospektes. Von übereilten Abschlüssen ist dringend abzuraten.