Licht und Schatten liegen oft nah beieinander, eine Medaille hat immer zwei Seiten und auch die Klinge eines fachmännisch geschmiedeten Schwertes ist oft zweischneidig. Man könnte meinen, dass Dualität ein häufig auftretendes Phänomen in unserer Welt ist.
Trotzdem stellt sich beim einen oder anderen vielleicht etwas Verwunderung oder Staunen ein, wenn der Blick erst auf die aktuelle und prognostizierte deutsche Wirtschaftsentwicklung und direkt danach auf die Kursentwicklung des Deutschen Aktienindex (Dax) – und eigentlich auch der Aktienindizes aus dem Rest der Welt – fällt. Denn viel mehr Spielraum für gegensätzliche Entwicklung gibt es da wohl nicht. Auf der einen Seite steht neben diversen Rezessionserwartungen die Prognose der Bundesregierung für das deutsche Bruttoinlandsprodukt, die besagt, dass das BIP im Jahr 2024 lediglich um 0,2% im Vergleich zum Vorjahr wachsen wird, und auf der anderen Seite wiederum fährt der Dax am Dienstagvormittag mit über 17.500 Punkten nicht seinen ersten Rekord im Februar ein. Woran liegt das? Mathias Beil, Leiter Privatkontor der Hamburger Privatbank Sutor Bank, versucht in einem aktuellen Marktkommentar, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Schlechte Wirtschaftsdaten
Zum einen lasse sich die so starke Entwicklung des Dax mit der starken internationalen Ausrichtung der darin vertretenen großen deutschen Firmen erklären, so Beil. Entscheidender sei jedoch, dass die Börsen auf Hilfe der Notenbanken setzen würden – und die Unternehmen sich nicht auf diese Hilfestellung verlassen wollen.
Auch aufgrund der zurückgeschraubten Konjunkturerwartungen drohe Deutschland nun endgültig in eine Rezession zu fallen. Davor warne die inverse Zinsstruktur schon lange, so Beil. Auch würden die Unternehmen die Wirtschaft eher schwächer einschätzen, da der Einkaufsmanagerindex in Deutschland überraschend um 0,9 auf 46,1 Punkte gefallen ist. Die Unternehmen würden daher „folgerichtig“ reagieren und strategische Kurskorrekturen ankündigen. Mercedes-Benz nimmt die selbst gesetzten Elektroziele zurück, BASF baut in Deutschland zahlreiche Stellen ab und Bayer schrumpft die Dividende auf ein Minimum und bietet Mitarbeitern großzügige Abfindungen an, wenn sie das Unternehmen verlassen. MTU Aero Engines bereitet die Aktionäre auf magere Jahre vor und senkt die Dividende, da langwierige Inspektionen an schadhaften Triebwerken Zeit und Geld kosten. „Die Unternehmen handeln so, wie vorsichtige Kaufleute es angesichts der unsicheren Daten tun: zurückhaltend“, sagt Mathias Beil. „Dazu kommen noch die recht hohen Lohnabschlüsse, die ebenfalls für Druck sorgen.“ Dies sei eine Gemengelage, die eher schwächere Börsenkurse erwarten lassen würde.
Neue Börsenrekorde
Doch die Börse sieht dies alles etwas anders. Nicht nur erklimmt der Dax neue Hochs, auch der japanische Nikkei-Index erreicht ein neues Allzeithoch und überwindet die alten Hochs, die vor 30 Jahren erreicht wurden. Die US-Börsen laufen auch weiter auf Hochtouren. Ein Garant dafür ist der Hype um die künstliche Intelligenz, so Beil. Der US-Tech-Gigant Nvidia habe mit den Geschäftszahlen die Märkte „elektrisiert“. Am vergangenen Mittwoch legte die Aktie nachbörslich zweistellig zu und bestätigte dies auch am Donnerstag an den Märkten. Damit hat einer der „glorreichen Sieben“ in diesem Jahr bereits 56% zugelegt. Für Beil ist die Richtung damit aber „eher nicht“ klar. Denn ein „Lieblingskind“ aus dem Bereich Cybersecurity, die Firma Palo Alto Networks, habe die hohen Erwartungen nicht erfüllt und stattdessen in kurzer Zeit 30% verloren.
Dennoch bleiben die Börsen optimistisch und vertrauen auf die Kraft der Notenbanken. Es werde in den nächsten Wochen darauf ankommen, wie schnell die Zinshoffnungen durch die Notenbanken erfüllt werden, sagt der Sutor-Experte. „Bleibt diese Erwartung unerfüllt, werden wir Korrekturen an den Börsen sehen.“ Diese könnten durchaus kräftig ausfallen, seien dann aber die Basis für ein positives Börsenjahr 2024. Denn dann würden Börsen und Unternehmen wieder in dieselbe Richtung schauen. (mki)
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