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20. Oktober 2023
Digitale Tools im Vertrieb: AI or die?
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Digitale Tools im Vertrieb: AI or die?

Durch generative KI wie ChatGPT steht auch der Vertrieb vor enormen Veränderungen. Flexperto, spezialisiert auf digitale Kundenkommunikation im Versicherungsvertrieb, hat sich hierüber bereits Gedanken gemacht und Experimente gestartet. Welche digitalen Tools kann der Vertrieb mit ChatGPT & Co. erwarten?

Ein Artikel von Moritz Delbrück, CEO von Flexperto.com

Der typische Inhaber einer Versicherungsagentur in Deutschland ist Mitte 50 und hat in seinem Berufsleben schon so manche technische Veränderung mitgemacht: Kommunikation über E-Mail und online statt Brief und Fax. Kunden informieren sich im Internet über Vergleichsangebote und Zufriedenheit anderer Kunden mit dem Berater oder Versicherer. Kunden führen Gespräche über Video und buchen ihre Termine lieber online, schicken Dokumente oder Schäden via WhatsApp, anstatt in die Geschäftsstelle zu kommen.

Und jetzt steht eine Entwicklung bevor, die nicht nur den Kanal der digitalen Kommunikation betrifft, sondern vor allem die Inhalte: Die künstliche Intelligenz erstellt Texte, Bilder und Videos, sie führt ganze Kundenkonversationen, sie analysiert Datenmengen schneller und besser als jeder Mensch. Generative künstliche Intelligenz (GenAI) wie zum Beispiel ChatGPT ist marktreif geworden und wird in den nächsten Jahren in nahezu alle Produkte und Prozesse integriert werden. Wie könnte das praktisch aussehen? Hilft die Technik, Qualität und Effizienz im Vertrieb weiter zu erhöhen?

Gesprächsvorbereitung

Gibt ein Kunde bereits VOR dem Beratungsgespräch Informationen über den Anlass des Termins und schickt ggf. auch Dokumente mit – ob über Sprachnachricht, E-Mail oder Messenger ist egal –, so kann die AI diese Daten erfassen, mit dem gesamten Produktangebot der Versicherer und Ratingagenturen sowie dem Customer Relation­ship Management (CRM) abgleichen und das Beratungsgespräch entsprechend vorbereiten. Dies alles ist auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden abgestimmt, aktuelle Rabattaktionen berücksichtigend und mit einer individuellen Meeting-Agenda für die individuellen Bedürfnisse, Sorgen und Wünsche des Kunden und inklusive der besten Argumente.

Damit erhält der Vermittler nicht nur eine hervorragende Gesprächsvorbereitung, er entlastet auch seine Innendienstkräfte, die die von der Technik vorbereiteten Dokumente nur noch überprüfen, sie aber nicht mehr selbst erstellen müssen.

Gesprächsdurchführung

So wie moderne Autos den Fahrer bereits heute während des Fahrens unterstützen, so wird die Technik den Berater sehr bald auch schon während des Beratungs­gesprächs unterstützen können. Geben Kunde und Berater der Technik ihr Einverständnis zum Zuhören beim Beratungs­gespräch, so kann die Technologie wertvolle Einblicke in effektive Gesprächsführung und Kunden­zufriedenheit liefern.

Man stelle sich vor, ein Berater wird während eines Gesprächs live durch eine KI unterstützt. Die KI hört nicht nur passiv zu, sondern unterstützt auch aktiv, wenn sie Abweichungen vom Gesprächsleitfaden oder Verbesserungspotenziale erkennt. Sie kann den Berater an wichtige Punkte erinnern, sei es das Hervorheben von Produktvorteilen, den Hinweis „bitte weniger Fremdwörter benutzen und langsamer sprechen“ oder das erneute Nennen des Kundennamens, um eine persönlichere Atmosphäre zu erzeugen.

Im Grunde wird die Technologie zum automatischen Assistenten, der sicherstellt, dass menschliche Berater sich in ihren Kundengesprächen ganz auf den Kunden konzentrieren, ein deutlich breiteres Produktspektrum bei hoher Qualität abdecken können und dabei weniger Arbeitszeit mit Dokumentation verbringen müssen.

Gesprächsauswertung

Auf Basis des aufgezeichneten und transkribierten Gesprächs kann die Technik nun sowohl eine interne Zusammenfassung des Gespräches für den Vertrieb als auch einen ersten Entwurf des Beratungsprotokolls erstellen. Vor allem aber kann so sichergestellt werden, dass vertriebsrelevante Informationen wie Stammdaten und Sales-Trigger automatisch erfasst und in das Aufgabenmanagement oder den Kalender für Wiedervorlagen eingestellt werden. Die finale Freigabe dieser Daten muss auch weiterhin vom Vertriebler erfolgen, denn die Technik erstellt nur einen möglichst hochwertigen Entwurf zur Vorbereitung, nicht das endgültige Dokument.

So wird der Arbeitsprozess beschleunigt und die Gefahr für Fehler reduziert, die bei sich wiederholenden, monotonen Aufgaben entstehen können. Die KI ersetzt den Berater nicht, sie dient als unterstützendes Werkzeug, um die Arbeit effizienter und angenehmer zu machen. Die Technik sorgt für Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit, der Mensch für die Qualität und Empathie. Den Kunden dürfte es gefallen – und den für technische Innovationen offenen Vertrieblern auch.

Keine Zukunftsmusik

All diese angeführten Beispiele sind keine Science-Fiction mehr. Sie sind technisch bereits heute möglich und werden von Firmen wie Flexperto auf internen Systemen bereits getestet. Die Frage ist wie so oft beim technischen Fortschritt nicht, ob sie zum Einsatz kommen wird, sondern wann.

Es gibt bei GenAI sehr berechtigte Bedenken und Fragen, die offen diskutiert und für die Regulierungsmechanismen festgelegt werden sollten, zum Beispiel beim Datenschutz, bei der IT-Sicherheit, beim Berufsbild allgemein und auch in ethischer Hinsicht. Hierfür sollte eine offene Debatte geführt werden, die Vor- und Nachteile adressiert und proaktiv Regeln findet, anstatt abzuwarten, bis Technologieführer aus den USA und Asien Fakten schaffen.

Unabhängig davon aber, wer die Regeln macht und wann: Die Zukunft des Versicherungsvertriebs wird durch eine immer engere Verzahnung von Mensch und Technik geprägt sein. Diejenigen, die bereit und willens sind, sich anzupassen und zu lernen, werden nicht nur überleben, sondern von den enormen Produktivitätsschüben profitieren und sehr viel mehr Geschäft produzieren können.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 10/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Klattisak – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Moritz Delbrück