Ein Gastbeitrag von Andreas Löffler, Director bei WTW
Im Versicherungsvertrieb prallen häufig zwei Interessen aufeinander: Auf der einen Seite stehen die Vermittler, die möglichst viele Policen verkaufen möchten. Beim Versicherer steht diesen der Fachbereich (Produktgeber und Aktuariat) gegenüber, der auf Wirtschaftlichkeit, Profitabilität und langfristige Stabilität der Versicherungsbestände achten muss. Dieser Zielkonflikt ist nicht neu, spitzt sich im aktuellen Marktumfeld jedoch weiter zu und gipfelt immer wieder im Spagat zwischen Absatzdruck und Profitabilität.
Quantität vs. Profitabilität
Vertriebseinheiten werden primär an Neugeschäftszahlen und Prämieneinnahmen gemessen. Der Fokus liegt dabei auf Quantität: mehr Policen, mehr Kunden, mehr Umsatz. Gerade in wettbewerbsintensiven Märkten wie der Kfz-Versicherung oder dem digitalen Direktvertrieb zählt oft nur, wie viele Verträge monatlich abgeschlossen werden – nicht immer, ob diese auch wirklich profitabel sind.
Profitabilität hingegen misst sich an langfristigen Kennzahlen, etwa der Combined Ratio (Schaden-Kosten-Quote). Ein starkes Neugeschäft nützt wenig, wenn diese dauerhaft über 100% liegt. Für ein profitorientiertes Management zählen deshalb andere Faktoren: ein auf Rentabilität ausgerichtetes Underwriting, eine angemessene Prämienkalkulation und ein – auch langfristig gesunder – Risiko-Mix.
Echtzeitdaten als Entscheidungshilfe im Vertrieb
Moderne Tools können beide Welten zusammenführen und den Vertrieb dabei unterstützen, „ertragreiches“ Geschäft zu identifizieren. So bieten moderne Technologien die große Chance, den Zielkonflikt zwischen schnellem Vertrieb und sorgfältigem Risikomanagement abzumildern. Pricing Tools, die mit Echtzeitdaten, KI-gestützter Risikoeinschätzung oder automatisiertem Pricing arbeiten, helfen Kfz-Versicherern, sowohl Risikoselektion als auch Profitabilität über den Vertrieb zu optimieren.
So kann etwa die Pricing-Plattform Radar Live Tarife in Echtzeit in den Verkauf bzw. in die Produktion überführen. Sie stellt weitere relevante Informationen bereit, zum Beispiel Cross-Selling-Potenziale, alternative Selbstbehalte oder Produktvariationen. Dies eröffnet eine neue Welt bei der Gestaltung des Verkaufsgesprächs und hilft dem Vertrieb, bessere Entscheidungen direkt im Kundengespräch zu treffen.
Die Software, die bereits in vielen Häusern auch im deutschsprachigen Markt im Einsatz ist, greift auf hinterlegte individuelle Szenarioanalysen zurück und liefert daraus passgenaue Handlungsempfehlungen. Sie unterstützt den Vertrieb nicht nur durch Informationen zu geeigneten Produktkombinationen für den individuellen Kunden, sondern empfiehlt auch Rabatte in einem wirtschaftlich geeigneten Rahmen.
In wenigen Schritten zum individuellen Angebot
Im ersten Schritt des Verkaufsgesprächs erfasst die Software alle relevanten Kundendaten, etwa Alter, Wohnort sowie spezifische Produktdetails. Sie reichert diese Daten mittels Informationen aus externen Quellen an und antwortet mit einer individuellen und aktuellen Tarifberechnung. Dabei berücksichtigt sie tagesaktuell sämtliche relevanten Komponenten, beispielsweise potenzielle Wettbewerberprämien und die sinnvollsten Produktkonfigurationen für den individuellen Kunden. Sie liefert auch eine technische Einschätzung des Risikos in Form eines technischen Preises sowie der relevanten Tarifprämie bis hin zu einem maximal sinnvollen Rabatt und der Angabe der Abschlusswahrscheinlichkeit des Kunden bei Gewährung dieses Rabatts.
Innerhalb von Millisekunden steht somit ein passgenaues Angebot zur Verfügung. Der Kunde erhält dieses Angebot transparent und verständlich präsentiert – sei es direkt im persönlichen Gespräch oder über die Website eines Anbieters. Dem Vertrieb werden zudem Selbstbehaltmöglichkeiten, Zusatzprodukte oder Cross- und Up-Selling-Möglichkeiten dynamisch vorgeschlagen.
Vermittler bestätigen im Einsatz der Pricing-Plattform: Im Gegensatz zu herkömmlichen Rabattsystemen über Kontingente o. Ä. liegt der durchschnittliche Verkaufspreis höher als zuvor – und dies bei gleicher oder gar höherer Abschlussquote.
Digitale Pricing-Systeme: Profitabel für alle
Von modernen Pricing-Lösungen profitieren somit alle Seiten: Kunden sind in aller Regel zufriedener, da sie eine maßgeschneiderte Deckung erhalten, Vermittler erhöhen ihre Provision, da sie weniger Rabatt einsetzen müssen, um zum Abschluss zu kommen, und Versicherer freuen sich über profitables Geschäft. Zusätzlich entlasten derlei Lösungen den Vertriebsmitarbeiter auch mental. Denn anstatt nach Gefühl oder Verkaufsdruck zu entscheiden, kann er sich zusätzlich auf eine objektive Risikoeinschätzung stützen – das stärkt auch die Haftungssicherheit.
Ergänzend zu diesen Vorteilen verbessert sich auch das Verständnis zwischen Vertrieb und dem Fachbereich, da beide Seiten ihre Entscheidung nun auf Basis derselben Daten und Modelle treffen. Eine Einheitlichkeit, die für den gemeinsamen Erfolg unerlässlich ist.
Heute handeln, um morgen wettbewerbsfähig zu sein
Eine Prämie zu berechnen, die für den Kunden attraktiv und für den Versicherer profitabel ist, ist ein entscheidender Faktor im Underwriting. Wer aber bereits im Sommer 2025 die Informationen für die Beitragsanpassung zum Januar 2026 an seine IT geben muss, kann dem Marktdruck auf Dauer nicht standhalten. Verbesserungen in der Prognose des Kundenverhaltens, konsequentes Profitabilität-Monitoring und Investitionen in agilere Prozesse und IT-Strukturen sind die Erfolgsfaktoren, um die Kfz-Sparte wieder dauerhaft auf Ertragskurs zu bringen.
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