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29. Oktober 2020
Digitalisierung und Corona: Vom goldenen Zeitalter der Versicherungswirtschaft

Digitalisierung und Corona: Vom goldenen Zeitalter der Versicherungswirtschaft

Auch bei der DKM digital.persönlich darf die traditionelle Entscheiderrunde nicht fehlen. Unter der bewährten Moderation von Marc Surminski diskutierten Patrick Dahmen, Rainer M. Jacobus, Nils Reich und Andreas Wimmer über die BSV-Thematik, Empowerment der Makler, das goldene Zeitalter der Versicherungsbranche und darüber, was die Versicherer von Amazon und Co. lernen können.

Die deutschen Versicherer sind in der digitalen Welt angekommen. Big Data, KI und Ökosysteme sind die Themen der Stunde. Sparten- und Silodenken war gestern, der Kunde rückt ins Zentrum des Handelns. Die Versicherungswirtschaft geht auf junge Verbraucher zu, präsentiert sich als Wegbegleiter von Innovationen und passt ihre Vertriebskanäle an – dann kommt die Corona-Pandemie und hält plötzlich ganz andere, extremere Herausforderungen bereit. Sind die deutschen Versicherer diesen Herausforderungen gewachsen? Wie resistent und zukunftssicher sind sie, da sie zudem ja mit Niedrigzinsen und Regulierung weitere große Aufgaben zu bewältigen haben? Welche Zukunft hat der Versicherungsvertrieb, wenn die traditionelle persönliche Beratung erschwert ist und sich die Digitalisierung der Branche so erheblich beschleunigt? Werden digitale Kanäle und branchenfremde Plattformen künftig das Geschäft dominieren?

Rund um diese brandaktuellen Fragestellungen drehte sich die Diskussion der Entscheiderrunde bei der DKM digital.persönlich. Im RTL-Sendestudio in Köln trafen sich unter der Moderation von Marc Surminski (Chefredakteur Zeitschrift für Versicherungswesen) Patrick Dahmen (Vorstandsmitglied bei der Talanx AG), Rainer M. Jacobus (Vorstandsvorsitzender der IDEAL Versicherungsgruppe), Nils Reich (Mitglied des Vorstands der AXA Konzern AG) und Andreas Wimmer (Vorstandsvorsitzender der Allianz Lebensversicherungs-AG).

Branche ist bisher gut durch die Krise gekommen

Gleich zu Beginn der Diskussion war man sich in der Runde einig, dass die Versicherungsbranche bisher doch relativ gut durch die Krise gekommen sei. Man habe gezeigt, dass die einzelnen Versicherungsunternehmen für Finanzstabilität und Stärke stünden, man habe es schnell und problemlos geschafft, den Betrieb auf Home-Office umzustellen und habe die bestehenden Kundenanliegen gut aufnehmen und weiterverarbeiten können. Andreas Wimmer verband seine Worte zu dieser Thematik mit einem Dank an alle beteiligten internen und externen Mitarbeiter sowie Vertriebspartner. Einigkeit herrschte in der Runde auch darüber, dass zahlenmäßig die einzelnen Segmente sehr unterschiedlich von der neuen Situation betroffen seien. Vom Lebensversicherungsbereich auf Planniveau war ebenso die Rede wie vom unter Druck geratenen Neugeschäft, besonders im Privatkundenbereich Sach.

BSV und das Vertrauensverhältnis

Im Anschluss an diese Eröffnung sprach Moderator Surminski das Vertrauensverhältnis zur Versicherungsbranche an, dass durch die aktuellen Entwicklungen rund um die Betriebsschließungsversicherung in den Fokus geraten ist. Laut Nils Reich sei es wichtig gewesen, dass die Versicherungsbranche im Rahmen dieser immensen, existenziellen Herausforderungen mit vielen Hilfsmaßnahmen habe aufwarten und individuell auf Kundenbedürfnisse habe eingehen können. Noch nie zuvor habe er so viele positive Kundenrückmeldungen bekommen, so Reich. Dennoch stehe die Reputation unter Druck, die BSV-Diskussion sorge für Unsicherheit. Allerdings würden hier auch viele unterschiedliche Dinge über einen Kamm geschert. Letzteres bestätigte auch Rainer M. Jacobus mit Blick auf die Politik: In der Außenwirkung der Versicherungswirtschaft unterschieden die Politiker nicht zwischen den einzelnen Versicherungssparten und vielleicht seien einzelne Bedingungswerke ja auch unbewusst relativ unklar formuliert worden. Die Versicherer täten gut daran, ihre BSV-Verträge upzudaten und soweit wie möglich an die aktuelle Situation anzupassen, meinten jedenfalls sowohl Jacobus als auch Reich. Allerdings könne aber auch nicht verlangt werden, dass die BSV eine Pandemiesituation auflöse.

Man könne den Maklern und Kunden Unterstützung anbieten, aber keine Pandemie generell absichern, bekräftigte auch Patrick Dahmen, der die Makler ermutigte, zur Orientierung das Verhalten der einzelnen Versicherer in den Anfangsmonaten der Corona-Krise zu betrachten und als Richtschnur heranzuziehen.

Versicherungswirtschaft mit Volkswirtschaft eng verknüpft

Konkret nach der Zukunft, sprich nach dem Jahr 2021 gefragt, betonte Andreas Wimmer, dass die Versicherungswirtschaft letztendlich immer an der Volkswirtschaft hänge und dass man daher zunächst einmal das 4. Quartal 2020 abwarten müsse. Rainer M. Jacobus bekräftigte, dass diese größte Rezession seit dem zweiten Weltkrieg nicht spurlos an der Volkswirtschaft vorbei gehen werde und dass drei bis vier schwierige Jahre bevorstünden. In dieser Situation lägen aber genauso viele Chancen wie Risiken. Denn sowohl Wimmer als auch Jacobus und Dahmen wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Kunden gerade jetzt erlebt hätten, wie wichtig die persönliche Absicherung sei und dementsprechend ihr Bedürfnis nach richtiger und guter Absicherung enorm angestiegen sei. Wenn die Branche hier ihre Stärken ausspiele und verlässliche, leistungsstarke Lösungen liefern könne, dann gebe es eine positive Perspektive für das Lebengeschäft, so Dahmen. Und Reich ergänzte, dass man, wenn man gemeinsam mit den Vertriebspartnern die richtigen Kundenkontakte habe, auch in der Sachversicherung große Potenziale lägen.

So verändert die Digitalisierung den Vertrieb

Wie die Digitalisierung und die damit verbundenen Erfahrungen den Vertrieb verändere wollte Moderator Marc Surminski im Anschluss von den Diskussionsteilnehmern der DKM-Entscheiderrunde wissen. Patrick Dahmen sprach von einer deutlichen Beschleunigung und davon, dass sämtliche Prozesse zwischen Unternehmen, Maklern und Kunden digitalisiert werden müssten, genauso wie man die Produkte digitalisierungsbereit machen, also ihre Komplexität reduzieren und dafür ihre Transparenz erhöhen müsse. Gleichzeitig sei Videoberatung angesagt und es gelte, gemeinsam mit den Maklern und Mehrfachagenten zu eruieren, welche weiteren Kontaktmöglichkeiten zum Kunden es noch gebe („Empowerment der Makler für mehr und neues Geschäft“). Auf Surminskis Nachfrage, ob bzw. wie denn die Vermittler mitzögen, betonte Andreas Wimmer, dass die zukünftige Welt nicht plötzlich nur noch digital sein, sondern es Mischformen geben werde. Die Vermittler hätten darin die spannende Aufgabe, die Prozessketten – beispielsweise in der bAV – mitzudesignen, da auch der persönliche Kontakt an vielen Stellen sehr wichtig bleibe. Die Veränderungen müssten aber gemeinsam angegangen werden. Rainer M. Jacobus ergänzte: Als unumstößlich geltende Geschäftsprozesse seien plötzlich auf den Prüfstand gestellt und durch Neues ersetzt worden. Versicherer, die dies nicht weitertragen und weiterentwickeln könnten, werden aus seiner Sicht Schwierigkeiten bekommen. Und auch Vermittler ohne digitale Exzellenz werden wohl vom Markt verschwinden.

Als Moderator Surminski beim Stichwort „digitale Exzellenz“ Amazon, Google und Co. ansprach, entgegnete Jacobus, dass die Innovationskraft der Versicherungsbranche nicht kleingeredet sondern selbstbewusst vertreten werden sollte und verwies dabei auf die Fähigkeiten die in den vergangenen Monaten in Sachen Home-Office für die Mitarbeiter und individuelles Eingehen auf Kundenbedürfnisse geleistet worden sei. Ob denn die Versicherer auch mit der gerade durch Amazon und Google veränderte bzw. gestiegene Anspruchshaltung der Kunden mithalten könnten, wollte Surminski dann wissen. Daraufhin sprach Nils Reich vom bevorstehenden „goldenen Zeitalter der Versicherungsbranche“, in dem neue Absicherungsmöglichkeiten entstünden. Jetzt hieße es, Wandlungsfähigkeit an den Tag zu legen und gemeinsam mit den Vertriebspartnern und Kunden zu experimentieren, dann sei viel möglich.

Patrick Dahmen ergänzte, dass man als Branche von Amazon und Co. den Blick und das Denken vom Kunden und Vertriebspartner her erlernen könne. Man müsse aber die persönliche Kompetenz, die eindeutig die Stärke der Versicherungsbranche sei, mit der digitalen, kundenzentrierten Herangehensweise verbinden und eine Kombination dieser beiden Welten schaffen. Denn den empathischen Zugang über den persönlichen Kontakt könnten Amazon und Co. nicht bieten. Auch Mittelständler seien hier – etwa aufgrund der Kosten – nicht im Nachteil, denn auch sie hätten ja die entsprechende Kundenschnittstelle, den Vermittler, fügte Rainer M. Jacobus an. Dieser sei bei komplexeren Produkten dringend vonnöten. Außerdem könne die Versicherungsbranche Regulatorik, die ja nicht per se sinnlos sei, sondern auch schütze. Andreas Wimmer beschloss diesen Diskussionspunkt mit dem Hinweis, dass man sich branchenintern keine Sorgen zu machen brauche, dass nur eine Plattform das komplette Geschäft wegnehme. Die eigentliche Herausforderung sei es, dafür zu kämpfen, dass die Lebensversicherung Bestandteil des Vorsorge-Säulenmodells werde und zu zeigen, warum es integrierte Prozessketten brauche.

Motivation und Ermutigung zum Schluss

Die abschließende Botschaft der Diskussionsteilnehmer an die Vermittler fiel durchweg positiv und ermutigend aus. Patrick Dahmen sprach an, dass die Menschen gerade jetzt wichtige Orientierung von Fachleuten wie Maklern bräuchten. Die HDI unterstütze die Makler gerne dabei. Nils Reich bekräftigte nochmals, dass die Versicherungsbranche in diesen Zeiten unheimlich wichtig sei und gemeinsam gute Dinge erreicht werden könnten. Andreas Wimmer bediente sich zum Abschluss des motivierenden Zitats, dass es gute Gründe für Pessimismus aber noch bessere Gründe für Optimismus gebe und Rainer M. Jacobus beschränkte sich in seiner Schlussbotschaft auf ein ebenso kurzes wie gehaltvolles „Fürchtet Euch nicht!“ (ad)

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