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Steuern & Recht
23. April 2021
D&O-Marktverhärtung als Chance für Makler

D&O-Marktverhärtung als Chance für Makler

Die vergangenen Monate haben den Bereich der D&O-Versicherung massiv verändert. Versicherungsmakler und Kunden finden sich in einem harten Markt wieder. Makler sollten die Situation aktiv angehen. Rechtlich ist das sowieso gefordert, sagt Karin Baumeier, LL.M., Inhaberin der Kanzlei Baumeier.

Aktuell nutzen Versicherer die angespannte wirtschaftliche Lage der Versicherungsnehmer infolge der Corona-Pandemie zur Sanierung ihrer D&O-Sparte. Versicherungsnehmer und Makler werden mit kräftigen Prämien­erhöhungen, radikalen Kapazitätsreduzierungen und schmerzhaften Deckungseinschränkungen konfrontiert.

Diese Marktverhärtung stellt Makler vor große Herausforderungen. Sie werden gezwungen, sich nach Alternativen umzuschauen, um adäquaten Versicherungsschutz für ihre Kunden zu erhalten bzw. fortzuführen. Doch sie sollten in dieser Situation auch ihre große Chance sehen: Sie müssen über den Tellerrand schauen und können sich so – vielleicht zum ersten Mal – einen umfassenden D&O-Marktüberblick verschaffen.

Vor allem bei kleinen und mittelständischen Maklerhäusern mit Kunden meist ohne Auslandsrisiken sind in den letzten Jahren unter anderem für die D&O-Sparte zwei Verhaltensweisen aufgefallen: zum einen die Beschränkung von D&O-Ausschreibungen von Anfang an auf nur wenige Versicherer und zum anderen die über Jahre unveränderte Verlängerung bestehender D&O-Verträge ohne Anpassung der Deckungssumme oder Umstellung auf aktuelle, verbesserte Bedingungen. Damit machen sich Makler bei Übernahmeangeboten von Wett­bewerbern angreifbar und setzen sich zudem erheblichen Haftungsgefahren aus.

Beschränkung der Marktuntersuchung auf wenige Versicherer

Makler sind nach § 60 Abs. 1 Satz 1 VVG grundsätzlich verpflichtet, sich eine „hinreichende Beratungsgrundlage“ zu verschaffen. Dies gilt nicht für Großrisiken, §§ 65, 210 Abs. 2 VVG.

§ 60 Abs. 1 Satz 2 VVG regelt eine Ausnahme und erlaubt im „Einzelfall“ die Beschränkung der Beratungsgrundlage. Unter diese Regelung fallen nur solche Makler, denen der Marktüberblick fehlt und die nicht in der Lage sind, sich diesen zu verschaffen. Das gilt zum Beispiel für den „Zahnversicherungs-Makler“, jedoch gerade nicht für den Industrie- und Gewerbemakler. Von Letzteren kann erwartet werden, dass sie unter anderem die D&O-Markt­situation kennen. Daher bleiben sie zur Vornahme einer umfassenden Marktanalyse verpflichtet.

Die fehlende Kooperations­bereitschaft oder die Angebotsverweigerung von Versicherern sind sachliche Gründe, diese für zukünftige Anfragen vergleichbarer Kunden nicht mehr zu berücksichtigen. Das gilt jedoch nur für eine bestimmte Zeit. Der Marktzugang ist daher in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Auch die Begründung, die Einschränkung in der D&O-Sparte sei üblich oder man könne sich wegen der Intransparenz des Marktes keinen Marktüberblick verschaffen, stellt keine Rechtfertigung dar.

Selbst die Versicherer- und Produktauswahl von Maklerpools oder von D&O-Spezialmaklern sind kein Ersatz für eine eigene Marktuntersuchung. Makler bleiben verpflichtet, die Grundlage von Marktuntersuchungen anderer zu hinterfragen und sich gegebenenfalls ergänzende Informationen zu verschaffen. Das gilt auch für Spezialmakler, sodass sie gleichsam verpflichtet sind, regelmäßig eine umfassende Marktanalyse durchzuführen. Erst auf dieser Grundlage darf eine Vorauswahl der Versicherer zur Vereinbarung von Exklusivprodukten getroffen werden. Im Gegensatz dazu dürfen sich Maklerpools aus geschäftspolitischen oder wirtschaftlichen Gründen von Anfang an auf ein begrenztes Angebot konzentrieren.

Beschränkungen der Versichererauswahl

Regelmäßige Beschränkungen der Versichererauswahl im Rahmen des Neuabschlusses stellen eine erhebliche Pflichtverletzung dar, was zwei gravierende Folgen nach sich ziehen kann: Sie kann zum einen eine Schadensersatzpflicht des Maklers gegenüber dem Versicherungsnehmer nach § 63 VVG begründen. Zum anderen droht nach §§ 48 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in Verbindung mit § 34d Abs. 5 Satz 1 Ziffer 1 GewO bei regelmäßigen Verstößen der Entzug der Gewerbeerlaubnis wegen fehlender „Zuverlässigkeit“.

Die Einschränkung der Versichererauswahl in Form einer Vorauswahl könnte zulässig sein. Diese Vorauswahl müsste dann selbst das Ergebnis einer regelmäßigen, umfassenden Marktanalyse sein, bei der eine „hinreichende“ Zahl an Versicherern und Versicherungsverträgen berücksichtigt wurde. Es spricht vieles dafür, dass aufgrund der Schnelllebigkeit des D&O-Marktes Makler verpflichtet sein können, jedes Jahr eine umfassende Marktuntersuchung durchzuführen.

Was unter „hinreichend“ zu verstehen ist, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Hinzu kommt, dass die D&O-Sparte bekanntermaßen sehr undurchsichtig ist. Obwohl es die D&O-Versicherung seit etwa 35 Jahren in Deutschland gibt, ist die Zahl aller Anbieter auf dem deutschen Markt unklar und ständigen Veränderungen ausgesetzt.

Für 2021 können rund 30 D&O-Versicherer gezählt werden. Offizielle Angaben fehlen. Hinzu kommt, dass die Versicherungsgesellschaften ihre internen Richt­linien der Pandemie entsprechend „verschärft“ haben, für welches Risiko unter welchen Bedingungen zu welchen Konditionen ein Angebot gemacht wird oder nicht. Um sich gemäß § 60 VVG einen umfassenden Marktüberblick zu verschaffen, spricht vieles dafür, nahezu alle D&O-Anbieter auf dem deutschen Markt in einer Ausschreibung zu berücksichtigen und zu prüfen, ob der Kunde in das „Beuteschema“ passt. Im Anschluss sind die Vor- und Nachteile der erhaltenen Angebote in einer ausführlichen De­ck­ungsanalyse für den Kunden maßgeschneidert zusammenzufassen und es ist eine begründete Empfehlung abzugeben.

Keine aktive Betreuung von D&O-Verträgen

Makler haben als treuhänderähnliche Sachwalter des Kunden umfassende Betreuungspflichten nach Vertragsschluss. DerD&O-Versicherungsschutz ist abhängig von Gesetzesänderungen und Gerichtsurteilen, die vor allem die Haftung von Unternehmensleitern betreffen. Erfolgt bei Bestandsverträgen keine zeitnahe Anpassung auf die Veränderungen in der Haftungslandschaft von Organen, entstehen Deckungslücken. Erhält der Kunde wegen einer solchen Deckungs­lücke in einem Versicherungsfall keinen Versicherungsschutz, die durch eine entsprechende Anpassung hätte geschlossen werden können, besteht nach § 280 BGB die Gefahr einer weiteren Schadensersatzpflicht.

Fazit

Makler sollten die Marktverhärtung nutzen, um alte Gewohnheiten zu ändern. Nur wer bei Ausschreibungen möglichst alle D&O-­Anbieter auf dem deutschen Markt berücksichtigt, erhält einen umfassenden Marktüberblick. Dieser kann dann auch für die aktive Bestands­betreuung genutzt werden. Mit diesem Wissensvorsprung können Makler beim Kunden glänzen und sich zugleich vor Übernahmeangeboten der Konkurrenz schützen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2021, Seite 102 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Fokussiert – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Karin Baumeier, LL.M.