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12. Oktober 2023
Elementarschadenversicherung: „Bloße Pflicht genügt nicht“
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Elementarschadenversicherung: „Bloße Pflicht genügt nicht“

Die Deutsche Aktuarvereinigung e. V. hat Leitlinien zum Thema Elementarschadenpflichtversicherung herausgebracht. Darin macht sie darauf aufmerksam, dass eine reine Pflichtversicherung nicht ausreichen wird und stellt weitere Vorschläge zur Diskussion, z. B. den Wegfall der Versicherungssteuer.

Da durch den Klimawandel Elementarschadengefahren immer häufiger auftreten und auch intensiver ausfallen, wird aktuell intensiv über eine Elementarschadenpflichtversicherung diskutiert. Dazu hat die Deutsche Aktuarvereinigung e. V. (DAV) nun Leitlinien für die Diskussion rund um das Thema veröffentlicht.

„Eine bloße Pflichtversicherung genügt in jedem Falle nicht“

„Wenn Großschadenereignisse wie die durch das Tief ‚Bernd‘ hervorgerufene Flutkatastrophe im Ahrtal durch den Klimawandel gehäuft auftreten und jedes dieser Ereignisse den Kapitalstock in beträchtlicher Weise abgräbt, laufen wir Gefahr, dass Elementarschäden in Zukunft unversicherbar werden und sich erste Versicherungsunternehmen aus diesem Markt zurückziehen“, sagt Dr. Matthias Land, Vorstand und Vorsitzender des Ausschusses Schadenversicherung der DAV. In den USA sei das heute schon der Fall. Die Versicherungswirtschaft verfüge zur Schadenbewältigung nämlich nur über eine begrenzte Menge an Kapital. „Fakt ist“, so Land weiter, „dass die Klimakrise die Wahrscheinlichkeit für Katastrophen wie die im Ahrtal steigen lässt und dass wir als Gesellschaft selbstverständlich den Verlust an Menschenleben, aber auch die Kosten so klein wie möglich halten müssen. Eine bloße Pflichtversicherung genügt in jedem Falle nicht.“ Nur eine konzertierte Lösung aus Prävention, privater Versicherungswirtschaft und Kumulschadendeckung für den Katastrophenfall könne ausreichend zur dauerhaften Versicherbarkeit von Elementarschäden beitragen.

Präventionsmaßnahmen notwendig

Die DAV weist außerdem darauf hin, dass grundsätzlich und unabhängig vom Versicherungsstatus der Bevölkerung auch generelle Präventionsmaßnahmen gefragt sind. Die Neubesiedlung in gefährdeten und hochgefährdeten Gebieten muss demnach reguliert werden, daher sieht die Vereinigung stärkere staatliche Vorgaben beim Bau als unabdingbar an. Darüber hinaus sprechen sie sich dafür aus, dass staatliche Präventionsmaßnahmen aufrechterhalten und verbessert werden, etwa der Ausbau von Deichen, Abwassersystemen und Frühwarnsystemen. Auch die Förderung individueller Präventionsleistungen der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Unternehmen spiele eine Rolle. Dazu braucht es laut der DAV Information und gegebenenfalls Subvention von baulichen Veränderungen bzw. deren Wartung.

Wegfall der Versicherungssteuer

Der DAV-Vorsitzende Dr. Max Happacher ergänzt einen Aspekt, der bisher kaum thematisiert wurde, jedoch ebenfalls relevant ist: „Ein Wegfall der Versicherungssteuer hat seine Vorbilder etwa in der Kranken-, Renten- oder Lebensversicherung. Damit sorgt man bei Kunden im Falle einer freiwilligen Variante für einen Anreiz zum Abschluss. Gerade bei einer Pflichtversicherung ist ein Wegfall aber schon aus Akzeptanzgründen geboten. Denn die Steuer verteuert eine Versicherung erheblich. Ich sehe es kritisch, dass der Staat zusätzliche Einnahmen durch eine Pflichtlösung generiert.“

Versicherungspflicht bei Aufnahme eines Kredites

Auch den Schutz von Dritten spricht Happacher an: „Dazu zählen insbesondere kreditgebende Banken. Eine ebenfalls denkbare Alternative zu einer allgemeinen Pflichtversicherung ist die der Versicherungspflicht bei Aufnahme eines Kredites (Baufinanzierung) zur Absicherung der Ausfallrisiken, denen die Bank bei einem Totalverlust ausgesetzt wäre. Dafür wäre eine entsprechende Gesetzesänderung notwendig.“ Dies stelle der DAV zufolge einen geringfügigeren Eingriff dar als eine allgemeine Pflichtversicherung.

„Wichtig, dass Preis dem Risiko angemessen ist“

Ihre Aufgabe in der generellen Ausgestaltung einer Versicherung gegen Elementarschäden sieht die DAV im Hinweisen auf mathematische Zusammenhänge. Happacher hatte in einem früheren Pressegespräch bereits darauf verwiesen, dass eine aktuariell saubere Kalkulation immer mit einem risikogerechten Preis verbunden ist. Nun fügt er hinzu: „Egal, wie man die Elementarschadenversicherung ausgestaltet: Es ist wichtig, dass der Preis dem Risiko angemessen ist. In der Höhe und hinsichtlich seiner geografischen Differenzierung.“

Höhere Selbstbehalte

Prämien in der Elementarschadenversicherung liegen bei einem Einfamilienhaus aktuell in den meisten Fällen im niedrigen dreistelligen Bereich pro Jahr. In besonderen Risikolagen kann eine Prämie aber auch ein Vielfaches dessen betragen. Sollte im Falle einer Pflichtlösung oder auch generell ein gedeckelter Preis für Hochrisikolagen in Betracht kommen, müssten die Prämien insgesamt steigen, heißt es von der DAV. Das hätte wiederum einen Preisanstieg für alle anderen Versicherten zur Folge. So würden Gebäude in Risikogebieten subventioniert und solche in unkritischen Lagen bestraft. Die DAV macht daher auch auf die Möglichkeit höherer Selbstbehalte aufmerksam, um hohen Prämien zu begegnen.

Kumulschadenabsicherung

Ein weiterer Punkt ist noch, dass Elementarschäden häufig kumuliert, also gehäuft, in einem Gebiet auftreten und dabei in der Regel außergewöhnlich hohe Kosten verursachen. Für Versicherer bedeutet das ein kapitalintensives Risiko. Sollte es eine Pflichtversicherung geben, die folglich auch Versicherungsunternehmen zu Vertragsabschlüssen zwingt, bräuchte es der DAV gemäß zusätzliche Instrumente, um den katastrophalen Kumulfall für die Versicherer beherrschbar zu machen. Dazu meint Happacher: „Eine sogenannte Kumulschadenabsicherung, z. B. durch Rückversicherer, die Kapitalmärkte (sogenannte Cat-Bonds) oder ein staatlich organisiertes Pooling, käme dann zum Tragen, wenn ein ganzes Gebiet mit zahlreichen, großen Schäden betroffen wäre und eine zu definierende Schadensummenhöhe überschritten würde.“ (lg)

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