In einem Urteil vom 23.11.2022 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass sich in Deutschland befindliche Immobilien dann steuerfrei vermacht werden können, wenn der Erblasser dem Begünstigten die Immobilie durch ausländisches Vermächtnis zuwendet. Voraussetzung dabei ist, dass weder der Erblasser noch der Begünstigte Deutsche sind und beide im Ausland leben.
In dem Fall, der dem Urteil zugrunde liegt, hatte eine Erblasserin bis zu ihrem Tod im Jahr 2013 in der Schweiz gewohnt. Sie vermachte ihrer in den USA lebenden Nichte, der Klägerin, eine Immobilie in München. 2014 wurde das Vermächtnis erfüllt und die Klägerin wurde als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Das Finanzamt verlangte daraufhin Erbschaftsteuer für den Immobilienerwerb. Die Klägerin war jedoch der Ansicht, dass sie aufgrund ihres Wohnsitzes im Ausland und ihrer dadurch nur beschränkten Steuerpflicht in Deutschland keine Steuer schuldig sei.
BFH identifiziert Gesetzeslücke
Der BFH bestätigte die Rechtsauffassung der Vermächtnisnehmerin. Wendet ein im Ausland lebender Erblasser einer ebenfalls im Ausland lebenden Person durch Vermächtnis inländischen Grundbesitz zu, muss der ausländische Begünstigte hierauf keine deutsche Erbschaftsteuer zahlen, entschieden die Richter. Anders als deutsche Staatsangehörige und Personen mit Wohnsitz in Deutschland sind ausländische Erben nur in beschränktem Umfang steuerpflichtig. Sie zahlen Erbschaftsteuer nur für den Eigentumserwerb an bestimmten gesetzlich definierten Vermögenswerten, darunter grundsätzlich inländische Immobilien. Werden sie jedoch im Testament des Erblassers durch Vermächtnis mit solchen Immobilien bedacht, bleibt dies ausnahmsweise steuerfrei. Insofern besteht eine Gesetzeslücke. Der Grund dafür ist, dass beim Vermächtnis der Begünstigte nicht die Immobilie selbst, sondern nur einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dieser Immobilie erwirbt. Die Eigentumsumschreibung muss separat im Anschluss erfolgen und bedarf der notariellen Beurkundung.
Anders verhält es sich jedoch, wenn ausländische Erben im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge inländischen Grundbesitz erhalten. Denn dann geht das Eigentum an der inländischen Immobilie direkt mit dem Tod des ausländischen Erblassers auf den ebenfalls ausländischen Erben über. In dem Fall fällt deutsche Erbschaftsteuer an.
Legales Gestaltungsmodell
Infolge des Urteils kann der steuerfreie Erwerb inländischer Immobilien durch ausländische Vermächtniseinsetzung als legales Gestaltungsmodell genutzt werden, erläutert der BFH. Aufgrund der 2015 in Kraft getretenen EU-Erbrechtsverordnung ist bei Erbfällen im EU-Ausland jedoch Vorsicht geboten: Denn in bestimmten EU-Ländern wie beispielsweise Polen entfaltet ein Vermächtnis direkte Wirkung. Das bedeutet, dass auch die durch Vermächtnis begünstigte Person direkt das Eigentum an dem inländischen Grundvermögen erbt, erinnert der BFH. Ein steuerfreier Erwerb inländischer Immobilien sei dann nicht möglich. (sts)
BFH, Urteil vom 23.11.2022 – Az. II R 37/19
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