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14. August 2023
ETFs: „Aktuell befinden wir uns in einer Zeitenwende“

ETFs: „Aktuell befinden wir uns in einer Zeitenwende“

Exchange Traded Funds – passiv gemanagte börsengehandelte Fonds – sind seit Jahren im großen Aufwind. Gerade bei jüngeren Menschen sorgen ETFs für mehr Interesse und Zulauf am Kapitalmarkt. Woran das liegt, welche ETFs besonders gefragt sind und viele andere Fragen beantwortet David Wenicker vom Vermögensverwalter BlackRock im Interview.

Interview mit David Wenicker, Leiter iShares & Wealth bei BlackRock Deutschland
Herr Wenicker, 2022 war ein Krisenjahr, 2023 ist inflations- und zinsbedingt und allgemein wirtschaftlich nach wie vor herausfordernd. Wie bewältigt der ETF-Marktführer BlackRock die Situation?

Sehr gut. Das Jahr 2023 verzeichnete insgesamt einen Rekordstart für neue Anlagegelder, die von Anleihen-ETFs in Europa und weltweit eingesammelt wurden. Denn die Anleger können in dem Umfeld von den höheren Zinssätzen profitieren. In zwei Segmenten haben wir hier in Europa die stärksten Zuflüsse an Neugeldern gesehen: ETFs auf Staatsanleihen der Industrieländer und Unternehmensanleihen aus dem Bereich Euro Investment Grade – also solche mit guter Bonität.

Trotz der schwierigen finanziellen Bedingungen gab es immer wieder Rekorde an den Börsen, auch beim DAX. Wie kommt’s?

Dies lässt sich auf die Kombination verschiedener Faktoren zurückführen. Zunächst einmal gibt es die Erwartung vieler Investoren, dass der starke Gegenwind durch Zinsanhebungen allmählich nachlassen wird. Ein weiterer wichtiger Faktor sind die Unternehmensgewinne. Aktuell liegen die Gewinnerwartungen für den DAX und andere Indizes nicht deutlich über dem langfristigen Durchschnitt. Aus dieser Richtung droht also keine dramatische Rückschlaggefahr. Dafür müssten wir eine deutliche Korrektur der Gewinnerwartungen sehen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Bewertungen an den Börsen nicht unbegrenzt steigen können. Darüber hinaus hat der DAX dadurch einen Schub erhalten, dass manch pessimistischer Anleger auf dem falschen Fuß erwischt worden ist und – aus Sorge, weitere Kursgewinne zu verpassen – zugekauft hat, ganz nach dem Prinzip „Fear of missing out“.

Wie ist aktuell der Zuspruch bei den iShares-Produkten von BlackRock? An vielen Stellen hört man, dass die Menschen weniger Geld zum Sparen und Anlegen zur Verfügung haben.

In der Tat ist das wirtschaftliche Umfeld derzeit für etliche Privatanleger herausfordernd, aber iShares-Produkte werden auch von institutionellen Anlegern wie Versicherungen oder Pensionsfonds genutzt. Zudem unternehmen wir große Anstrengungen, die Kapitalanlage für möglichst breite Schichten zu ermöglichen. Denken Sie beispielsweise an Sparpläne, in die auch mit geringen Mitteln investiert werden kann.

Gleichzeitig sind passive Investitionen in ETFs aktuell gerade bei jungen Menschen voll im Trend. Was glauben Sie, woran das liegt?

ETFs werden aufgrund ihrer Effizienz, der geringen Kosten und der einfachen Handelbarkeit über die Börse häufig von Selbstanlegern und Online-Anlageplattformen genutzt. Diese Online-Anlageplattformen haben das Investieren verändert, da sie einen bequemen und effizienten Zugang zu den globalen Märkten bieten und darüber hinaus die Möglichkeit, monatlich kleine Beträge zu investieren. Da viele junge Anleger gerne online recherchieren und Entscheidungen treffen, entspricht der Service dieser Anlageplattformen ihren Präferenzen.

Als Vorteil von ETFs gilt eben, dass sie kostengünstiger sind, aber auch hier gibt es Kostenunterschiede bei den Anbietern. Wie groß ist an der Stelle der Wettbewerb und an welchen Kosten lässt sich schrauben? Und stimmt es überhaupt, dass ETFs immer günstiger sind als aktiv gemanagte Fonds?

Der ETF-Markt ist einem gesunden Wettbewerb ausgesetzt. Wir sehen daher eine starke Weiterentwicklung des Marktes und viel Innovation, die den Anlegern zugutekommt. Auch die Kosten von ETFs haben aufgrund des starken Wachstums des ETF-Marktes im Laufe der Zeit abgenommen: Zum einen konnten die Anbieter Kostenvorteile an die Anleger weitergeben. Gleichzeitig hat die Liquidität in ETFs zugenommen, was zu geringeren Handelskosten führt. Und ja, in der Regel sind ETFs deutlich günstiger als aktiv gemanagte Fonds.

Gerade Neobrokern wird häufiger unterstellt, dass Sie zum „Zocken“ verleiten. Ist das gerade vor dem Hintergrund jüngerer Anleger kritisch zu betrachten?

Wir haben eine andere Erfahrung gemacht. Neobroker haben viel Innovation in den Markt gebracht und dazu beigetragen, die Einstiegsbarrieren in die Welt des Investierens kontinuierlich zu verringern und gleichzeitig die Nutzererfahrung zu verbessern. Unsere Beobachtung ist, dass viele ETF-Kunden der Neobroker vor allem langfristig investieren. Hierzu gehören auch die zahlreichen ETF-Sparpläne, die über Neobroker abgeschlossen werden. Diese Sparpläne sind effiziente, kostengünstige Instrumente für den schrittweisen Vermögensaufbau mit geringen Mindestanlagebeträgen. Die beliebtesten Engagements in ETF-Sparplänen sind tendenziell breit gestreute ETFs, z. B. solche, die sich am MSCI World orientieren, und weniger ETFs mit konzentrierten oder risikoreichen Strategien. Dies deutet darauf hin, dass Anleger, die Neobroker nutzen, sich verhalten, wie es langfristige Anleger tun sollten.

Am Schluss kommt es auf die Performance an. Aktive Fonds können besser streuen und eine höhere Risikoabsicherung leisten. Ist das ein Argument gegen ETFs, die ja durchaus auch Risiken unterliegen?

ETFs und aktiv gemanagte Fonds schließen sich ja nicht aus. Beide haben ihre Daseinsberechtigung und werden von vielen Investoren, privaten und institutionellen, im Portfoliokontext gleichermaßen eingesetzt. Interessanterweise beobachten wir, dass die Zuflüsse in ETFs vor allem dann zunehmen, wenn es an den Märkten volatil wird und das Risiko zunimmt. Anleger setzen gerade in diesen Phasen auf die Vorteile von ETFs.

Welche Produkte sind bei Ihnen derzeit am meisten gefragt?

Bei den ETF-Sparplänen in Deutschland ist der MSCI World weiterhin das beliebteste Engagement. Auf europäischer Ebene waren die ausgeprägtesten Trends in diesem Jahr, dass Anleger Staatsanleihen mit kürzerer Laufzeit und Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating kauften.

Spielen dabei auch Vermittler wie 34f-ler oder auch Versicherungsmakler eine Rolle?

Das Interesse von Vermittlern an ETFs hat zugenommen. Das Vertriebsmodell vieler Vermittler, das ja auf Ausgabeaufschlägen und Provisionen von aktiven Fonds beruht, erlaubt jedoch immer noch keinen Einsatz von ETFs. Es gibt schlichtweg wenig Anreiz, diese anzubieten. In der Versicherungswelt sehen wir, dass viele kapitalmarktgebundene Versicherungspolicen immer stärker auch auf ETFs basieren.

Haben Themen- bzw. Branchen-ETFs überhaupt Platz im Portfolio? Es wird immer breite Streuung und Diversifikation gepredigt.

Mit thematischen ETFs können Anleger in Bereiche investieren, die sich heutzutage in einem starken Wandel befinden. Sie bieten Zugang zu Trends wie saubere Energie oder zunehmende Automatisierung. Thematisches Investieren basiert auf breiten Megatrends, die den Wandel in der Weltwirtschaft vorantreiben. Viele dieser Trends werden bei den Anlegern auf Resonanz stoßen und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Anlagen gemäß ihren Präferenzen zu gestalten.

Wie sieht es mit Nachhaltigkeit aus? Welche Rendite- oder Anlagetrends können Sie dort beobachten?

In Europa setzt sich der Trend fort, dass Anleger nachhaltige Anlagen in den Mittelpunkt ihrer Portfolios stellen. Im Rahmen der nachhaltigen Geldanlage investieren Kunden bewusster in Bezug auf ihre Klimaschutzziele und entscheiden sich für Anlagen mit einem höheren Maß an ESG-Integration.

Durch die steigenden Zinsen sind Anleihen wieder in den Fokus gerückt. Merken auch Sie großen Zuwachs bei Ihren Anleihen-ETFs?

Das Interesse an Anleihen-ETFs hat seit den Zinsanstiegen spürbar zugenommen. Schon in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 wurde ein neuer Halbjahresrekord beim Zufluss in Anleihen-ETFs aufgestellt. Der Jahresanfang 2023 brachte einen rekordverdächtigen O Kapitalzufluss in globale ETFs auf Unternehmensanleihen. Diese generellen Trends spiegeln sich in unseren eigenen Anleihen-ETFs wider. Anleger nutzen sie, um von dem derzeit günstigen Renditeumfeld zu profitieren, ihre Investitionen in Anleihen zu überdenken und bei ihrer Vermögensstrukturierung flexibel zu sein, wenn sich das makroökonomische Umfeld verändert. Die Vielseitigkeit von ETFs ermöglicht es Anlegern, Risiken effizient und in großem Umfang zu verlagern.

Könnte die steigende Popularität der passiven Geldanlage für langfristige Probleme in der Wirtschaft sorgen, z. B. durch das immer größere Wachstum ohnehin schon großer Firmen?

Es gibt eine Reihe von Missverständnissen über die Auswirkungen von börsengehandelten Fonds und Indexfonds und die Rolle, die diese Produkte auf dem Kapitalmarkt spielen. Hierzu gehören vor allem Missverständnisse über die Größe von ETFs und Indexfonds im Vergleich zum Gesamtmarkt, über die Rolle der Produkte bei den Anlageentscheidungen der Investoren und über die Preisfindung und die hohen Korrelationen an den Märkten. ETFs sind nach wie vor ein kleines Marktsegment. Darüber hinaus bestimmen die Investoren, die aktiv einzelne Aktien auswählen, den Preisfindungsprozess. Sie treffen Entscheidungen darüber, in welche Marktsegmente sie investieren und in welchem Umfang sie Mittel abziehen – auf der Grundlage ihrer Risikotoleranz, ihrer Anlageziele und ihrer Einschätzung bestimmter Marktfaktoren. Anlagestil und Wahl des Anlageinstruments sind untergeordnete Entscheidungen. In dieser Hinsicht hat das Index-­Investieren eine disruptive Wirkung auf die Vermögensverwaltungsbranche, allerdings nicht in Bezug auf die Funktionsweise der Kapitalmärkte, sondern auf die Art und Weise, wie sich Anleger an den Märkten engagieren können.

Zum Schluss: Ihr Anlagetipp für den Rest des Jahres?

Als Vermögensverwalter betrachten wir stets das gesamte Portfolio und berücksichtigen die Rahmenbedingungen der Märkte, weshalb wir auch keine spezifischen Anlagetipps geben, sondern immer die generelle Herangehensweise von BlackRock an die Finanzmärkte und deren Bedingungen in Betracht ziehen.

Aktuell befinden wir uns in einer Zeitenwende – nicht nur in der Geopolitik, sondern auch im Portfolio. Der Wechsel zu einem neuen Investment-­Regime stellt Anleger vor große Herausforderungen. Denn wenn die Welt fortan tatsächlich von Angebotsknappheiten verschiedenster Art determiniert ist, dürfte höhere Volatilität an den Finanzmärkten vorgezeichnet sein. Investoren werden in diesem Umfeld ihre Depots häufiger auf den Prüfstand stellen und auch die Diversifikation der darin enthaltenen Anlageklassen noch breiter gestalten müssen. Hierzu gehört auch, das Portfolio vor Inflation zu schützen, indem länger laufende Staatsanleihen eher niedrig und inflationsgeschützte Anleihen höher gewichtet werden. Die Verlangsamung des Wachstums und die hartnäckige Inflation in den großen Volkswirtschaften untermauern unsere Präferenz für Schwellenländer.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 08/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Stratocaster – stock.adobe.com bzw. David Wenicker, BlackRock Deutschland

 
Ein Interview mit
David Wenicker

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Wilfried Stras… am 15. August 2023 - 22:01

Nur möglich mit unseren 7 Erfolgsfaktoren, Der Markt bietet aktuell maximal 50%. Für Vorstände mit Alleinstellung. Alles nach Unterzeichnung der Geheimhaltungsvereinbarung, auch mit iShares unterlegt.

Wenige Cents für mehrfaches Geschäft. Anstatt vielleicht aktuell 40% der Bürger, sicher bis 80% der Bürger!