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8. Februar 2019
FinVermV: Aufzeichnungspflicht ist das dickste Brett, das zu bohren ist

FinVermV: Aufzeichnungspflicht ist das dickste Brett, das zu bohren ist

Eigentlich soll über die neue FinVermV am 15.03.2019 im Bundesrat final abgestimmt werden. Gegenüber AssCompact konnte das BMWi aber zuletzt keinen konkreten Termin für die Bundesratsbefassung nennen. Dr. Martin Andreas Duncker, Schlatter Rechtsanwälte, erläutert im AssCompact Interview wichtige Punkte zur FinVermV und zu dem neuen Entwurf. Im ersten Teil geht es um die Folgen der ersten FinVermV und die Aufzeichnungspflicht im Referenten-Entwurf.

Herr Dr. Duncker, welche positiven oder negativen Auswirkungen hat die Einführung der FinVermV aus Ihrer Sicht für Kunden, Vermittler und die Branche mit sich gebracht?

Die FinVermV hat für die Vermittler viele Rechte und Pflichten konkretisiert – etwa die Sachkundeprüfung, die Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung und die Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten. Dank der FinVermV gibt es ein mittlerweile eingespieltes Aufsichtssystem aus Wirtschaftsprüfern und Aufsichtsbehörden. Die Anforderungen an den freien Vertrieb haben sich durch die FinVermV ganz klar erhöht. Dies betrifft die Berufszulassung und die Berufsausübung. Das alles erfordert auf Seiten der Vermittler mehr Aufwand, mehr Sorgfalt und höhere Kosten – Kosten etwa durch die Haftpflichtversicherung oder jährliche Prüfungsberichte.

Nicht alle Vermittler sind diesen Schritt mitgegangen. Die Einführung der FinVermV Anfang 2013 hat damit zu einer klaren Marktbereinigung geführt. In der Summe betrachtet hat die FinVermV – davon bin ich überzeugt – zu einer höheren Vermittlungsqualität geführt. Davon hat nicht nur die Branche, davon haben auch die Kunden profitiert.

Aktuell wird die im Entwurf festgelegte Aufzeichnungspflicht für telefonische Beratungsgespräche von vielen kritisiert. Wie bewerten Sie diese aus rechtlicher Sicht und hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit?

Die Umsetzung dieser Aufzeichnungspflicht ist das dickste Brett, das die freien Vermittler nach dem aktuellen Referenten-Entwurf bei dieser Reform zu bohren haben. Schon für viele Geschäftsbanken, die seit Jahresanfang 2018 aufzuzeichnen haben, war die Umsetzung ein größeres Thema. Nun verfügen Banken und große Finanzdienstleistungsinstitute in aller Regel über IT-Experten und ausgewachsene Rechenzentren im Hintergrund.

Freie Vermittler haben diese Möglichkeiten nicht. Sie sind häufig Einzelkämpfer und nicht in größeren Einheiten tätig. Freie Vermittler werden daher häufig auf externe Dienstleister zurückgreifen müssen. Es reicht ja nicht, das Gespräch irgendwie aufzuzeichnen und irgendwo zu speichern. Der Entwurf sieht klare Regelungen für eine richtige Aufzeichnung, revisionssichere Archivierung und Löschung vor.

Ja, es gab und gibt vielfach Kritik an dieser Aufzeichnungspflicht. Ich halte diese Kritik auch in vielerlei Hinsicht für berechtigt.

Welche Punkte meinen Sie damit?

Zunächst das Stichwort Anlegerschutz: Nach den Erwägungsgründen aus MiFID II soll die Aufzeichnung den Anlegerschutz stärken, die Marktüberwachung verbessern und die Rechtssicherheit im Interesse von Kunden und Dienstleistern erhöhen. Der Kunde soll eine Nachweismöglichkeit in die Hand bekommen, dass der ausgeführte Auftrag tatsächlich seinem Auftrag entspricht. Die offensichtliche Befürchtung dahinter: Der Kunde sagt A, der Finanzdienstleister führt B aus. Dieses Grundmisstrauen gegenüber Akteuren im Finanzdienstleistungssektor ist schon bemerkenswert. Das gibt es gegenüber keiner anderen Branche.

Dann das Stichwort Beweismittel: Wenn man die Aufzeichnungspflicht denn als mögliches Beweismittel begreifen will – warum ist dieses Beweismittel nach fünf bzw. maximal sieben Jahren zu löschen? Die allgemeine Verjährung beträgt zehn Jahre. Hier hat der EU-Verordnungsgeber nicht zu Ende gedacht. Wenn die Löschfrist nicht geändert wird, kann die Aufzeichnung ihren Zweck nicht erfüllen. Meine Prognose ist, dass das bisherige Protokoll auch bei telefonischen Vermittlungsgesprächen weiterhin eine Rolle spielen wird. Für die Vermittler ist weiterhin sinnvoll, sich eine Rückbestätigung des Kunden abzuholen. Im Zeitalter von E-Mails spielen Postlaufzeiten ja keine Rolle mehr.

Die beiden Punkte, die Sie ansprachen, gelten ja für Banken und freie Vermittler gleichermaßen. Zielt die aktuelle Kritik nicht gerade auch darauf, dass nun auch dem freien Vertrieb diese Taping-Pflicht auferlegt werden soll?

Das ist richtig. Und ich halte diese Kritik auch für berechtigt. Dass neben Banken und Finanzdienstleistungsinstituten auch freien Vermittlern – unabhängig von der Vertriebsgröße – die Aufzeichnungspflicht auferlegt werden soll, halte ich aus Verhältnismäßigkeitsüberlegungen für schwer vertretbar. Freie Vermittler sind mit KWG-Instituten von ihrer Unternehmensstruktur und Größe her nicht vergleichbar. Zudem ist der Umfang der Produkte, deren Abschluss freie Vermittler vermitteln dürfen, kraft Gesetzes stark eingeschränkt. Der Abschluss selbst, also etwa die Zeichnung eines Fonds, erfolgt nie am Telefon, sondern stets separat. Daher wären mit guten Argumenten – auch im Hinblick auf die EU-Vorgaben – Erleichterungen für den freien Vertrieb möglich und sinnvoll.

Zu Recht kritisiert wird auch, dass bislang keine Übergangsfrist vorgesehen ist. Es bleibt zu hoffen, dass dies noch geändert und dem Vertrieb eine Übergangsfrist von sechs Monaten eingeräumt wird. Da die Ministerien mit der aktuellen Verordnung allerdings ohnehin schon hoffnungslos hinter dem Zeitplan hängen, bin ich skeptisch, ob eine solche Übergangsfrist kommen wird. Die Umsetzung dieser Pflicht wird schon eine Herausforderung. Ich habe in den letzten Wochen mit vielen Vermittlern gesprochen. Gerade kleinere Vertriebseinheiten überlegen, aus der telefonischen Beratung auszusteigen.

Hinweis

Lesen Sie in den nächsten Tagen auf www.asscompact.de die Einschätzung von Dr. Martin Andreas Duncker zu Geeignetheitsprüfung, Sachkunde und zu einer möglichen BaFin-Aufsicht von Finanzanlagenvermittlern.

 
Ein Artikel von
Dr. Martin Andreas Duncker