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19. Juni 2025
Flottenversicherung – digitale Lösung!
Flottenversicherung – digitale Lösung!

Flottenversicherung – digitale Lösung!

Steigende Schadenkosten, Margendruck und zunehmende Unfallhäufigkeit setzen Versicherer und Flottenbetreiber gleichermaßen unter Druck. Digitale Lösungen und präventive Maßnahmen sollen Abhilfe schaffen. Der Versicherer KRAVAG und die Plattform Samsara wollen den Herausforderungen gemeinsam begegnen.

Interview mit Anja Ludwig-Möller, Leiterin des Kompetenz Center Logistik und Mobilität bei der R+V Versicherung/KRAVAG, und Gianluca Delle Donne, Insurance Partner Account Manager bei SAMSARA INC.
Frau Ludwig-Möller, Herr Delle Donne, die private Kfz-Versicherung hatte es in den letzten Jahren dank Schadeninflation und explodierenden Kosten schwer. Ist das in der Flottenversicherung ähnlich?

Anja Ludwig-Möller In mancher Hinsicht ist die Situation in der Flottenversicherung sogar noch komplexer. Nach Angaben des GDV beliefen sich die Schäden im Flottengeschäft 2023 bereits auf rund 3,2 Mrd. Euro – ein Anstieg um 7,5% gegenüber dem Vorjahr. Besonders im Transportsektor steht der Flottenbereich vor komplexen Herausforderungen: steigende Kraftstoffpreise, der akute Fahrermangel und eine zunehmende Verkehrsdichte verschärfen das Risikoprofil erheblich. Hinzu kommen höhere Reparatur- und Materialkosten, die den Schadenaufwand weiter in die Höhe treiben. Diese Faktoren zusammen üben einen erheblichen Druck auf die Margen aus, was die gesamte Branche vor erhebliche strukturelle Umbrüche stellt.

Warum sind digitale Lösungen für Versicherer heute unverzichtbar?

Gianluca Delle Donne Digitale Lösungen sind heute unverzichtbar, weil wir nicht mehr ausschließlich rückblickend agieren können. Die Herausforderungen im Flottenalltag sind akut: dichter Verkehr, Zeitdruck und wirtschaftliche Zwänge führen zu mehr Unfällen und steigenden Schadenaufwänden. Um darauf angemessen zu reagieren, brauchen wir Echtzeitdaten, nicht historische Durchschnittswerte. Unsere vernetzten Technologien wie KI-Dashcams oder Telematiksysteme geben uns die Möglichkeit, Risiken zu erkennen, bevor der Schaden überhaupt entsteht. Zentral ist dabei weniger die reine Datenerfassung als vielmehr deren smarte Nutzung. Diese Echtzeitdaten machen Risiken sichtbar und ermöglichen es sowohl Flottenmanagern als auch Versicherern, fundierte Entscheidungen zu treffen und präventiv statt reaktiv zu handeln. 

Helfen KI-gestützte Dashcams und Telematik dabei, Schadenaufwand und Unfallzahlen zu senken?

GDD Unsere Erfahrungen zeigen, dass diese Technologien einen signifikanten Einfluss haben. Nehmen wir als konkretes Beispiel unseren Kunden Dinges Logistics: Dort konnte die Unfallrate innerhalb eines Jahres um 42% gesenkt werden. Unsere KI-Dashcams erkennen in Echtzeit kritische Situationen wie Ablenkung am Steuer oder zu dichtes Auffahren – typische Unfallursachen. Die sofortige Analyse dieser Daten ermöglicht es Flottenbetreibern, gezielt gegenzusteuern, etwa durch individuelles Fahrerfeedback oder zusätzliche Schulungen. Wichtig ist aber auch zu betonen, dass es sich bei diesen Ergebnissen um Einzelfälle handelt. Wir befinden uns in einer Phase, in der wir gemeinsam mit unseren Partnern – wie KRAVAG – Erfahrungen sammeln, um zu prüfen, wie sich diese Technologien flächendeckend sinnvoll einsetzen lassen. Der Nutzen zeigt sich sowohl in der Prävention als auch in der objektiven Aufklärung von Unfällen, was die Bearbeitungszeit verkürzt und unberechtigte Forderungen effizient abwehrt.

Was ist mit Datenschutz?

GDD Der Datenschutz hat für uns absolute Priorität. Wir verstehen, dass bei der Einführung von Telematik und Dashcams häufig Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre bestehen. Es ist wichtig zu betonen, dass es sich hier nicht um Überwachung handelt, sondern um Unterstützung und Prävention. Wir agieren strikt innerhalb des rechtlichen Rahmens der DSGVO und stellen sicher, dass alle erhobenen Daten zweckgebunden und mit Einwilligung der Beteiligten verwendet werden. Die Systeme sind so konzipiert, dass sie primär sicherheitsrelevante Ereignisse erfassen, nicht das gesamte Fahrverhalten dauerhaft aufzeichnen. Zudem arbeiten wir mit klarer Kommunikation und Transparenz – jeder Flottenbetreiber und Fahrer weiß genau, welche Daten erhoben werden und zu welchem Zweck. Diese Balance zwischen Datenschutz und Sicherheitsgewinn ist entscheidend für die Akzeptanz der Technologie.

Welche wirtschaftlichen Vorteile ergeben sich für Versicherer und Flottenkunden?

ALM Die wirtschaftlichen Vorteile sind für beide Seiten vielversprechend. Erste Pilotprojekte zeigen positive Entwicklungen beim Schadenaufwand, allerdings ist es noch zu früh, um konkrete Prozentzahlen zu nennen. Aktuell untersuchen wir gemeinsam mit Partnern wie Samsara, wie sich diese Technologien im operativen Alltag bewähren. Es handelt sich um ein Pilotprojekt, das ergebnisoffen weiterentwickelt wird. Für uns als Versicherer bedeutet dies langfristig stabilere Margen, für unsere Kunden sind sinkende unfallbedingte Kosten und eine effizientere Betriebsführung möglich. Aber die Vorteile gehen weit über die reinen Versicherungskosten hinaus. Flottenbetreiber profitieren von reduzierten Ausfallzeiten ihrer Fahrzeuge, niedrigeren Reparaturkosten und einer insgesamt höheren operativen Effizienz. Unterm Strich führt dies zu einer nachhaltigen Verbesserung der Gesamtbetriebskosten. Ein echter Wettbewerbsvorteil – gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten.

Wie verändert sich das Risikomanagement durch präventive Sicherheitsmaßnahmen?

GDD Das Risikomanagement verändert sich grundlegend von einer rückblickenden zu einer vorausschauenden, datengesteuerten Strategie. Unsere Systeme erkennen Risikofaktoren in Echtzeit und ermöglichen ein proaktives Eingreifen, bevor ein Schaden entsteht. Für Versicherer bedeutet dies, dass sie nicht mehr auf historische Schadendaten angewiesen sind, sondern mit dynamischen Risikoprofilen arbeiten können, die auf Echtzeitinformationen basieren. Dies führt zu einer faireren und präziseren Risikobewertung.

Dadurch verändert sich auch die Rolle des Versicherers – vom reinen Schadenregulierer zum aktiven Risikopartner. In diesem neuen Modell wird Vertrauen zur Schlüsselressource: Nur wenn Daten sinnvoll geteilt und genutzt werden, lassen sich Prozesse wirklich optimieren und Risiken nachhaltig minimieren.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Integration der neuen Technologien in bestehende Versicherungsprozesse, sowohl bei den Versicherern als auch bei den Kunden?

ALM Die Integration neuer Technologien stellt uns tatsächlich vor einige Herausforderungen. Als Versicherer müssen wir etablierte Prozesse und Systeme auf den Prüfstand stellen, die über Jahre etabliert wurden. Das erfordert sowohl technische Anpassungen als auch ein Umdenken in der Unternehmenskultur. Wir stehen noch ganz am Anfang dieses Prozesses und sammeln mit der Kooperation mit Samsara Erfahrungen, die dann in die Entwicklung neuer Modelle münden. Bei unseren Kunden sehen wir anfänglich manchmal eine gewisse Skepsis – sei es wegen Datenschutzbedenken oder einfach aufgrund der Veränderung gewohnter Abläufe. Diese Hürden lassen sich aber durch intensive Beratung und durch den Nachweis konkreter wirtschaftlicher Vorteile bei anderen Kunden im deutschen Raum überwinden. Entscheidend ist, dass wir den Wandel als gemeinsamen Prozess gestalten und die Technologie nicht top-down implementiert wird. Wenn alle Beteiligten den Mehrwert erkennen, steigt auch die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen.

Sehen Sie neue Potenziale für Versicherungsvermittler durch die neuen Technologien?

GDD Der Vermittler erhält durch diese Entwicklung eine völlig neue Dimension. Unternehmen, die sich das nötige Know-how zu digitalen Tools und deren Mehrwert aneignen, positionieren sich als gefragte Risikomanager und Berater. Sie können ihren Kunden über den reinen Versicherungsschutz hinaus übergreifende Risiko- und Effizienzkonzepte vermitteln. Dadurch entsteht ein echtes Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb. Diese Unternehmen werden zu strategischen Mittlern zwischen Technologieanbietern, Versicherern und Flottenbetreibern – sie erklären neue Technologien, schaffen Vertrauen in datenbasierte Produkte und helfen bei der Auswahl passender Lösungen. Diese erweiterte Rolle macht sie in der digitalen Transformation wichtiger denn je und eröffnet ihnen völlig neue Geschäftsansätze.

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Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 06/2025 und in unserem ePaper.

 
Ein Interview mit
Anja Ludwig-Möller
Gianluca Delle Donne